Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
vorgestellt haben, gelangt man zur Freien Standardreaktionsenthalpie, ΔRG⊖:
Sie ist als die Differenz der (molaren) Freien Standardenthalpien von Ausgangsstoffen und Produkten in ihren jeweiligen Standardzuständen bei der angegebenen Reaktionstemperatur definiert.
Freie Enthalpien lassen sich durch kalorimetrische Messungen experimentell bestimmen (für ΔH direkt, und für S aus Wärmekapazitäten). Es existiert jedoch darüber hinaus die Möglichkeit der Bestimmung aus Gleichgewichtskonstanten (Abschn. 6.1) oder durch elektrochemische Messungen (Abschn. 6.4) – die Freien Enthalpien von Gasen können anhand von spektroskopischen Beobachtungen berechnet werden (Abschn. 13.5).
Beispiel 3.5: Die maximale Nichtvolumenarbeit einer chemischen Reaktion
Wie viel Energie kann der menschliche Körper durch Verbrennung von 1,00 mol Glucose für die Aufrechterhaltung von Nerven‐ und Muskelfunktionen gewinnen? Es gelten Standardbedingungen sowie θ = 37 °C (Körpertemperatur). Die Standardreaktionsentropie ΔRS⊖ beträgt +182,4 J K–1 mol–1.
Vorgehensweise Die maximal nutzbare Nichtvolumenarbeit einer chemischen Reaktion, die bei konstanter Temperatur und konstantem Druck abläuft, entspricht der Freien Standardreaktionsenthalpie ΔRG⊖. Zu ihrer Bestimmung können wir in guter Näherung die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie vernachlässigen; ΔRH⊖ entnehmen wir Tab. 2.5 in Abschn. 2.3. (Beachten Sie, dass die Werte in der Tabelle für 25 °C angegeben sind, nicht für 37 °C.) Anschließend setzen wir die Zahlenwerte in die Gleichung ΔRG⊖ = ΔRH⊖−TΔRS⊖ ein.
Lösung Mit der Standardreaktionsenthalpie ΔRH⊖ = −2808 kJ mol−1 folgt für die Freie Standardreaktionsenthalpie, mit Gl. (3.33),
Die maximale Nichtvolumenarbeit, die man aus der Verbrennung von 1,00 mol Glucose gewinnen kann, beträgt somit |we,max| = 2865 kJ.
Kommentar Um dieses Resultat einordnen zu können, überlegen Sie sich, dass ein 70 kg schwerer Mensch eine Energie von 2,1 kJ verbraucht, um 3,0 m in die Höhe zu steigen; dazu müssen durch Stoffwechselvorgänge theoretisch mindestens 0,13 g Glucose oxidiert werden (praktisch sogar wesentlich mehr).
Selbsttest 3.5
Wie viel Nichtvolumenarbeit kann man aus der Verbrennung von 1,00 mol CH4 (g) unter Standardbedingungen bei 298 K gewinnen? Gegeben ist ΔRS⊖ = −243 J K−1 mol−1.
[Antwort: |we,max| = 818 kJ]
(a) Freie Standardbildungsenthalpien
Wie für die Reaktionsenthalpien ist es nützlich, eine Freie Standardbildungsenthalpie ΔBG⊖ zu definieren. Sie entspricht der Freien Standardreaktionsenthalpie der Bildung einer Verbindung aus den Elementen in ihren jeweiligen Referenzzuständen. Die Definition des Referenzzustands von Elementen ist in Abschn. 2.3 zu finden. Die Freie Standardbildungsenthalpie aller Elemente ist null, da man für diese (formal) triviale „Bildungsreaktionen“ aufschreiben kann. Eine Auswahl von Zahlenwerten gibt Tab. 3.4. Mit ihrer Hilfe kann man die Freien Standardenthalpien beliebiger chemischer Reaktionen einfach bestimmen:
Tab 3.4 Freie Standardbildungsenthalpien bei 298 K.*)
Substanz | ΔBG⊖ (kJ mol−1) |
Diamant, C (s) | +2,9 |
Benzol, C6H6 (l) | +124,32 |
Methan, CH4 (g) | –50,7 |
Kohlendioxid, CO2 (g) | –394,4 |
Wasser, H2O (l) | –237,1 |
Ammoniak, NH3 (s) | –16,5 |
Natriumchlorid, NaCl (s) | –384,1 |
*) Weitere Werte finden Sie im Tabellenteil im Anhang dieses Buchs.
(3.34a)
In der Schreibweise aus Abschn. 2.3 lautet diese Beziehung
wobei jeder Term mit dem zugehörigen stöchiometrischen Faktor νJ für die Substanz J aus der chemischen Reaktionsgleichung gewichtet ist.
Illustration 3.12
Um die Freie Standardenthalpie der Reaktion
Wenn Ionen in Lösung betrachtet werden sollen, gehen wir wieder vor wie in Abschn. 2.3 beschrieben und setzen die Standardbildungsenthalpie von H+ (aq) gleich null; in Abschn. 3.3 haben wir die absolute Entropie von Wasserstoffionen in wässriger Lösung per Konvention ebenfalls gleich null gesetzt (dies gilt in beiden Fällen für beliebige Temperaturen). Der Grund für diese Festlegungen ist, dass sich reine Lösungen von Kationen ohne die Anwesenheit entsprechender Anionen (oder umgekehrt) nicht herstellen lassen; deshalb setzen wir wieder die Freie Standardbildungsenthalpie eines willkürlich gewählten Ions – bequemerweise wieder des Wasserstoffions H+ (aq) – bei allen Temperaturen gleich null: