Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
*) Weitere Werte finden Sie im Tabellenteil im Anhang dieses Buchs.
Einige Flüssigkeiten weichen jedoch signifikant von dieser Regel ab; die Ursache dafür ist, dass die Moleküle in diesen Fällen durch starke zwischenmolekulare Wechselwirkungen bis zu einem gewissen Grad assoziiert (also geordneter) vorliegen. Daher nimmt die Ordnung des Stoffs bei Verdampfung deutlicher ab. Ein Beispiel ist flüssiges Wasser: Seine besondere Struktur, bedingt durch die Wasserstoffbrückenbindungen, spiegelt sich in einem relativ großen Wert der Verdampfungsenthalpie wider. Durch Wasserstoffbrücken bildet sich eine Organisation der Moleküle in Form einer Nahordnung heraus, die räumliche Verteilung der Moleküle ist weniger zufällig als bei Flüssigkeiten ohne Wasserstoffbrücken (wie z. B. flüssigem H2S). Methan dagegen zeigt eine ungewöhnlich niedrige Standardverdampfungsentropie. Ein Grund dafür ist die niedrigere Entropie des Gases selbst (186 J K–1 mol–1 bei 298 K; für N2 beträgt sie unter den gleichen Bedingungen 192 J K–1 mol–1). Wie wir in Abschn. 13.2 noch diskutieren werden, sind für Moleküle mit geringen Massen und kleinem Trägheitsmoment (wie z. B. CH4) nur wenige angeregte Rotationszustände zugänglich; für Moleküle mit relativ großer Masse und großen Trägheitsmomenten (wie z. B. N2) ist das Gegenteil der Fall, weshalb deren molare Entropien etwas geringer sind.
Illustration 3.5
In flüssigem Brom können keine Wasserstoffbrückenbindungen auftreten; Br2 ist zudem ein relativ schweres Molekül, daher ist auch kein ungewöhnliches Verhalten in der Gasphase zu erwarten und wir können die Regel von Pictet‐Trouton anwenden. Zur Vorhersage der molaren Standardverdampfungsenthalpie von Brom (Siedepunkt: 59,2 °C) schreiben wir:
Einsetzen der Zahlenwerte ergibt
Der experimentell bestimmte Wert beträgt +29,45 kJ mol−1.
3.2.3 Erhitzen
Mithilfe der thermodynamischen Definition der Entropieänderung, die durch Gl. (3.13a) gegeben ist, kann man die Entropie eines Systems bei einer beliebigen Temperatur TE aus seiner Entropie bei einer anderen Temperatur TA und der dem System zur Änderung der Temperatur von TA nach TE zugeführten Wärmemenge berechnen:
Von besonderem Interesse ist der Fall, dass das System unter konstantem Druck (etwa dem Atmosphärendruck) erwärmt wird, dann gilt dqrev = dH. Aus der Definition der Wärmekapazität bei konstantem Druck (Gl. (2.21), Cp = (∂H/∂T)p) folgt dH = CpdT, und somit dqrev = CpdT. Durch Einsetzen dieser Beziehung in Gl. (3.17) erhalten wir dann
Analog (bei Austausch von Cp gegen CV) gilt diese Gleichung für konstantes Volumen. Wenn die Wärmekapazität im betrachteten Temperaturbereich nicht von der Temperatur abhängt, können wir Cp vor das Integral ziehen und erhalten
Abb. 3.15 Die logarithmische Zunahme der Entropie eines Stoffs, der bei konstantem Volumen erhitzt wird. Die einzelnen Graphen entsprechen verschiedenen Werten der Wärmekapazität bei konstantem Volumen (die im betrachteten Temperaturbereich als konstant angenommen wird), ausgedrückt als CV,m/R. Bei konstantem Volumen gilt Cm = CV,m, und bei konstantem Druck gilt Cm = Cp,m.
beziehungsweise einen analogen Ausdruck für konstantes Volumen. Abbildung 3.15 veranschaulicht den logarithmischen Zusammenhang zwischen der Entropie und der Temperatur.
Illustration 3.6
Die molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen von Wasser bei 298 K ist 75,3 J K–1 mol–1. Wenn Wasser von 20 °C (293 K) auf 50 °C (323 K) erhitzt wird, beträgt die Änderung der molaren Entropie (unter der Annahme, dass die Wärmekapazität in diesem Temperaturbereich konstant ist)
3.2.4 Zusammengesetzte Prozesse
Bei vielen physikalischen Prozessen ändern sich gleich mehrere Größen. Wir können uns beispielsweise vorstellen, dass sich sowohl das Volumen als auch die Temperatur eines Gases bei seiner Ausdehnung verändern. Zur Berechnung der Entropieänderung bei einem solchen zusammengesetzten Prozess, bei dem sich gleich mehrere Parameter ändern, dürfen wir uns den Weg vom Ausgangs‐ zum Endzustand selbst suchen, der unsere Rechnungen so weit wie möglich vereinfacht, denn S ist eine Zustandsfunktion. Es ist hilfreich, den Gesamtprozess gedanklich in einzelne Schritte zu unterteilen: Ein möglicher Weg ist die isotherme reversible Expansion auf das Endvolumen, gefolgt von einer reversiblen Wärmezufuhr bei konstantem Volumen bis zum Erreichen der Endtemperatur. Die Änderung der Entropie des Gesamtprozesses ergibt sich dann aus der Summe der Entropieänderungen dieser beiden Teilschritte.
Beispiel 3.2: Die Änderung der Entropie bei einem zusammengesetzten Prozess
Argongas befindet sich bei 25 °C und 1,00 bar in einem Behälter mit dem Volumen V = 0,500 dm3. Wie ändert sich die Entropie des Gases bei einer Expansion auf 1,000 dm3 und gleichzeitiger Erwärmung auf 100 °C? (Nehmen Sie an, dass die Wärmekapazität bei konstantem Volumen
Vorgehensweise Wir dürfen uns den Weg vom Ausgangs‐ zum Endzustand suchen, der unsere Rechnungen so weit wie möglich vereinfacht, denn S ist eine Zustandsfunktion. Ein möglicher Weg ist die isotherme reversible Expansion auf das Endvolumen, gefolgt von einer reversiblen Wärmezufuhr bei konstantem Volumen bis zum Erreichen der Endtemperatur. Die Entropieänderung im ersten Schritt ist durch Gl. (3.14) gegeben, die für den zweiten Schritt – sofern CV nicht von der Temperatur abhängt – durch Gl. (3.19) (nur mit CV anstelle von Cp).