DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina KramerЧитать онлайн книгу.
oder sein Gebaren den Anlaß für den prächtigen Scherz geliefert hatten. Gesindel!
Ein falsches Wort, und ihr werdet mich kennenlernen! dachte er grimmig und tastete verstohlen nach dem Griff seines Rapiers. Auch wenn das ständige leichte Zittern seiner Finger und die mangelnde Übung in der letzten Zeit ein Boltan-Spiel weder heute noch morgen ratsam erscheinen ließen – zum Stoßen und Stechen würde seine Gewandtheit allemal ausreichen!
Die Schankmagd, eine knochige blasse Person mit strähnigem Blondhaar, fragte Fuxfell nach seinen Wünschen, und er bestellte einen großen Krug gewärmten und gesüßten Weines. Es war allein deine Schuld, begann es soeben wieder in seinem Kopfe. Hättest sie halt nicht so schinden sollen, dann könnte sie heute noch leben … Gierig leerte er den ersten Becher. … und du hättest den Sieg erringen können. Mit zitternden Fingern füllte er den Becher von neuem.
»Na, Fuxfell, alter Pferdeschinder«, erklang hinter ihm eine fröhliche und vage vertraute Stimme.
Eine Woche lang hatte Zordan Fuxfell auf diese Worte gewartet. Eine Woche lang hatte er sich ausgemalt, was er täte, sollte ihn jemand wegen seines Unglücks verspotten. Nun zuckte er unter den Worten zusammen wie unter einem Hieb. Doch dann, kaum vom Willen gesteuert, schoß seine Rechte nach hinten, noch bevor er sich selbst umgewandt hatte, und er wußte, der juwelenbesetzte Ring auf dem Mittelfinger des Spötters würde den Kiefer brechen.
Ein eiserner Griff schloß sich um Fuxfells Handgelenk. »Aber, aber!« Die Stimme hatte nichts von ihrer Fröhlichkeit eingebüßt. »Behandelt man so alte Freunde, die einem helfen wollen? Vielleicht solltest du weniger trinken, wenn es dir nicht bekommt.« Der Griff verstärkte sich schmerzhaft, als ihm der Arm auf den Rücken gedreht wurde. »Wirst du nun brav sein, wenn ich dich loslasse?« fragte der Fremde, und Fuxfell nickte düster.
Während Zordan Fuxfell sich das schmerzende Handgelenk massierte, ließ sich der Fremde auf einem Schemel bei ihm nieder. Es war ein sehniger Endzwanziger in abgewetzter Lederkluft, über deren Wams ein breiter Spitzenkragen fiel. Während er Fuxfell aufmerksam beobachtete, zog er einen wertvollen tulamidischen Zierdolch aus dem Gürtel und begann sich damit sorgfältig die Fingernägel zu reinigen. Die Züge des Neuankömmlings wurden von einem federgeschmückten schwarzen Schlapphut beschattet, doch Fuxfell wußte inzwischen, mit wem er den Tisch teilte: Es war Ratzo Nattel, genannt die Ratte, ein alter Kumpan aus Kindertagen und jemand, nach dessen Gesellschaft Fuxfell sich nicht im mindesten sehnte. Nachdem Ratzo seine Maniküre beendet und das Ergebnis ausgiebig überprüft hatte, gab er der Schankmagd ein Zeichen, einen zweiten Becher zu bringen. Dann zog er den Hut vom Kopf, blies ein unsichtbares Stäubchen von der Krempe und warf ihn, ohne hinzuschauen, zur Wand, wo er sicher auf einem Haken landete. Das Mädchen hatte inzwischen den zweiten Becher gebracht, und Ratzo schenkte sich ein, ohne Fuxfells Aufforderung abzuwarten. Ein breites Grinsen entblößte große gelbe Schneidezähne, die, im Zusammenspiel mit den kleinen schwarzen Augen, der spitzen Nase und dem schwach entwickelten Kinn, seinen Zügen in der Tat etwas Rattenhaftes verliehen. »Ich kann mich nicht erinnern, dich eingeladen zu haben, Ratte«, knurrte Fuxfell. »Und nun trink aus und mach, daß du weiterkommst!«
Das Lächeln war beim Klang des Spitznamens für einen halben Wimpernschlag einem Ausdruck wild lodernden Hasses gewichen, doch Ratzo hatte seine Züge sogleich wieder unter Kontrolle. »Warum so unfreundlich?« fragte er verbindlich. »Wer wird denn einen alten Freund und zukünftigen Geschäftspartner so brüsk davonjagen? Mir scheint, dein adeliger Herr Vater hat verabsäumt, dich in die Geheimnisse der Etikette einzuweihen. Doch nun zur Sache. Aischa, bring uns noch einen Krug!« Er warf der Magd ein Silberstück zu, das diese mit einem flüchtigen Knicks rasch in ihrem Mieder verschwinden ließ.
»Freund? Geschäftspartner?« Fuxfell wurde von einem Lachen geschüttelt, das bald in einen quälenden Hustenanfall überging. »Zur Sache also«, stieß er nach Atem ringend hervor. Während er sich die Tränen von den Wangen wischte und die letzten Attacken des Hustens mühsam niederkämpfte, betrachtete er angewidert seinen Tischgenossen. »Hast dich kaum verändert in all den Jahren. Und nun bist du also gekommen, um mir ein Geschäft anzutragen. Da darf man ja gespannt sein.«
»Ich habe gehört, du hast dein Pferdchen zuschanden geritten.« Die Ratte legte den Kopf auf die Seite und die Stirne in kummervolle Falten. »Ich wollte sagen: Deine unvergleichliche schwarze Stute ist kürzlich einem tragischen Unfall erlegen, und nun brauchst du über kurz oder lang ein neues Pferdchen – man will ja nicht wie ein Bettler oder Tagelöhner im Schloßhof der schönen, reichen Schwester Kriegerin erscheinen, nicht wahr?«
»Woher weißt du das alles?« Fuxfell nahm einen kräftigen Schluck und beobachtete Ratzo aus halbgeschlossenen Lidern. »Ich meine, nicht nur das von dem Unfall, sondern auch, daß ich vorhabe, meine Schwester zu besuchen.«
»Man hat Augen.« Ratzo wies mit beiden Zeigefingern auf seine schwarzen Augen, die er bei den Worten übertrieben aufriß. »Man hat Ohren.« Er führte die Finger zu seinen überraschend kleinen Ohrmuscheln, die im Schein der Kerzen rötlich leuchteten. »Man hat ein feines Näschen.« Er tippte seine Nasenspitze an. »Und ich weiß auch, daß dir der Saft allmählich ausgeht.« Die Ratte ließ ein helles Kichern hören. »Ja, Barönchen, du hast Sorgen.«
Fuxfell hatte sich bei Ratzos letzten Worten halb von seinem Sitz erhoben. »Was meinst du mit Saft?« stieß er hervor.
»Setz dich wieder!« Ein mitleidsvolles Lächeln kräuselte Ratzos Lippen, während er sein Gegenüber scharf beobachtete. »Nun, du wirst dich erinnern: Die Kindertage, unsere innige Freundschaft, das schicksalhafte Boltan-Spiel, bei dem deine Würfel so seltsam rollten, und mein Messerchen …« Er bedachte seinen Dolch mit einem zärtlichen Blick: »… fast den Besitzer gewechselt hätte. Fast …« Er hielt inne und entblößte die häßlichen Zähne. »Aber ich war schneller.« Plötzlich steckte der Dolch zwischen Fuxfells rechtem Zeige- und Mittelfinger in der Tischplatte. »Und bin es immer noch. Einen hübschen Ring hast du da übrigens«, fuhr er fort, noch immer grinsend, während er den Dolch aus der Tischplatte zog. »Aber warum zitterst du denn so? Ach Fuxfell, alter Pferdeschinder, der Wein bekommt dir nicht, er saugt dir die Kraft aus, so kümmerlich sie auch sein mag.«
»Du wolltest zur Sache kommen…« Fuxfell betrachtete seine Hand, an der, außer einer alten silbrigen Narbe, kein Kratzer zu sehen war. Aber sie zitterte tatsächlich mehr als zuvor. Wütend ballte er sie zur Faust, um das Beben zu verbergen. »… Ratte!« vollendete er den Satz und spie auf den Boden.
Ratzo Nattel steckte den Dolch unter den Gürtel zurück, unterzog seine Fingernägel abermals einer sorgfältigen Prüfung und spitzte die Lippen, als ob er pfeifen wollte. Dann blickte er sich ausgiebig in der Gaststube um. »Du bist ein unhöflicher Mensch, Zordan Fuxfell«, sagte er schließlich, »beschimpfst die Leute, die es gut mit dir meinen und die deine Schritte voller Anteilnahme beobachten. Ich glaube, ich sollte meine schöne Fatima einem anderen anbieten …«
»Was ist das für ein Pferd«, unterbrach ihn Fuxfell, »und wie kommt es in deinen Besitz? Gestohlen?«
»Gestohlen? Welch häßliches Wort und welch häßliche Unterstellung!« Wieder hob Ratzo die Brauen und schüttelte mißbilligend den Kopf. »Du weißt doch, daß Pferdediebe baumeln, und ich bin, wie mir scheinen will, ganz lebendig. Nein wirklich, ich glaube, meine Fatima ist zu schade für dich. Ein Apfelstutchen, schön wie das Madamal … die Mutter ein Shadif, der Vater ein Elenviner. Mit Nüstern, weicher als Samt, und einer Seele, treuer als Gold – der gute alte Khalid hatte Tränen in den Augen, als er sie mir überlassen mußte …«
»Wahrscheinlich hundert Jahre alt und zu schwach, sich aus eigener Kraft zum Schlachter zu schleppen, deine gute Fatima.« Fuxfell ließ ein häßliches Lachen ertönen und nahm rasch einen Schluck Wein, als er merkte, daß der Husten ihn wieder beuteln wollte. »Aber laß hören, wie sie in deinen Besitz gelangt ist, für spannende Märchen habe ich schon immer etwas übrig gehabt.«
»Unhöflich, mißtrauisch, beleidigend – Fuxfell, Fuxfell, wie sehr du dich verändert hast. Allmählich mache ich mir Sorgen um deine Seele. Vielleicht solltest du etwas häufiger in den Tempel gehen.« Diesmal war es Ratzo, der häßlich lachte. »Doch nun zu Fatima: Sie ist sieben Jahre alt, gut genährt,