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Das hat ja was mit mir zu tun!?. Dirk RohrЧитать онлайн книгу.

Das hat ja was mit mir zu tun!? - Dirk Rohr


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auch am Werk, wenn Weiße es nicht bemerken (wollen)« (Arndt 2017, S. 43).

      Aktuell erfolgt nur sehr vereinzelt eine kritische Beschäftigung mit dem eigenen Weißsein und der damit verbundenen Anerkennung rassistischer Machtstrukturen. Eine solche Auseinandersetzung in ihrer gesamtgesellschaftlichen Breite ist in Deutschland längst überfällig. Wenn Forschung in diesem Bereich getätigt wird, erscheint es wichtig, auch diese kritisch zu diskutieren. Denn es ist fragwürdig, wenn in Teilen der kritischen Weißseins-Forschung wieder ausschließlich weiße Personen, deren Umgang mit der eigenen Positioniertheit und deren »Leid« im Fokus der Betrachtung stehen. Bei einer solchen Fokussierung besteht die große Gefahr, die weiße Vorherrschaft wieder zu reproduzieren und weiße Personen erneut in die relevanteste Position zu rücken. Wenn die kritische Weißseinsforschung dagegen versucht, Weißsein zunächst sichtbar zu machen und anschließend als zentrale normstiftende Position aufzuheben, dann kann sie als Herrschaftskritik anerkannt werden (vgl. Stark u. Noack 2017, S. 896; Yeboah 2017, S. 156 f.; El-Tayeb 2017, S. 8 ff.).

      In der Auseinandersetzung mit Rassismus, Weißsein und Privilegien betont Arndt (2017, S. 43), dass es dabei nicht um »Schuldzuschreibungen« geht, sondern um die Anerkennung von Rassismus »als ein komplexes Netzwerk an Strukturen und Wissen«, das weltweit prägend für Sozialisation und kontinuierliche Reproduktion wirkt. Somit

      »ist das Nicht-Wahrnehmen von Rassismus ein aktiver Prozess des Verleugnens, der durch das weiße Privileg, sich mit Rassismus nicht auseinandersetzen zu müssen, gleichermaßen ermöglicht wie abgesichert wird« (ebd., S. 43).

      Wenn es doch zu einer Auseinandersetzung mit diesen Privilegien kommt, führt dies zunächst meist zu einer starken Abwehr. Jedoch werden auch andere Reaktionen beschrieben, die häufig abhängig von der Phase der Reflexion der eigenen Positioniertheit in der rassistischen Machtstruktur sind. Diese Reaktionen reichen von der Unterstellung einer Übertreibung über das Bedürfnis, eine Ausnahme sein zu wollen, über Scham und Schuldgefühle bis hin zu einer Anerkennung, dass Rassismus als Machtverhältnis existiert (vgl. Ogette 2019, S. 23 ff.). Ein Nicht-Wahrnehmen(-Wollen) von Rassismus und der eigenen Privilegien findet auch häufig in vermeintlich positiven Aussagen weißer Personen Ausdruck wie: »Ich sehe keine Unterschiede!«, oder: »Wir sind doch alle gleich!« Diese Aussagen werden vor allem dann getätigt, wenn weiße Menschen auf Rassismus und/oder explizit auf ihre Privilegien angesprochen werden (Hasters 2020). Auch diese Form des Umgangs mit Rassismus stellt sowohl eine Verleugnung rassistischer Machtstrukturen als auch eine Abwehrstrategie dar, um sich nicht mit Rassismus beschäftigen zu müssen. Dies verhindert Prozesse der (Selbst-)Reflexion und kann zu Verletzungen bei Menschen führen, die durch Rassismus diskriminiert werden, indem ihnen dadurch, von privilegierter Position aus, die alltäglichen Erfahrungen abgesprochen werden.

      Vor dem Hintergrund der Verleugnung rassistischer Machtverhältnisse und abwehrender Reaktionen steht der Begriff der »white fragility« oder »weißen Zerbrechlichkeit«, mit dem

      »die von Unsicherheit begleitete Interaktion von weißen Menschen in einer diversen Gesellschaft [bezeichnet wird], in der immer häufiger von diskriminierten Minderheiten eine strukturelle Kritik an weißen Privilegien formuliert wird« (Amjahid 2021, S. 16).

      Das allgemeine Sprechen über Weißsein, weiße Strukturen oder weiße Privilegien ist für viele weiße Personen unangenehm, weil sie es nicht gewohnt sind, als Gruppe benannt, beschrieben, bewertet und kritisiert zu werden, unabhängig davon, wie behutsam, »sachlich« und auch losgelöst vom konkreten Gegenüber die Kritik formuliert wird (ebd., S. 17). Im Sinne der Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln in gesellschaftlichen Machtverhältnissen ist es notwendig, sich der eigenen Abwehrreflexe und Zerbrechlichkeiten immer wieder aufs Neue bewusst zu werden (siehe Kap 7.1). Dies gilt umso mehr, wenn ich in professionellen Kontexten Verantwortung trage, so auch in und für Beratungssettings.

       2.3 Selbstbezeichnungen

       »Der Verzicht auf rassistische Sprache ist nicht gleichbedeutend mit dem Verschwinden von Rassismus. Er birgt gar das Problem, ihn schwerer fassen zu können. Doch dort, wo er wissentlich und achtungsvoll geschieht, ist er ein Ausdruck von Problembewusstsein.«

      Sami Omar (2019, S. 7)

      Blicken wir auf gesellschaftliche Machtverhältnisse, kommt Sprache eine wichtige Bedeutung zu. Denn sie reproduziert und schafft Wirklichkeiten, die wiederum Machtverhältnisse aufrechterhalten (vgl. Arndt 2004, S. 1).

      So nimmt Sprache auch im Zusammenhang mit Rassismus eine ausschlaggebende Rolle ein. Denn viele der Wörter, die noch heute tagtäglich genutzt werden, sind Begriffe, die in der Kolonialzeit entstanden sind und mit der Absicht gewählt wurden, das Konstrukt der Anderen aufrechtzuerhalten (siehe Kap. 4.5). Zudem spiegeln viele von ihnen die Legitimation der kolonialen Unterdrückung wider. Die Nutzung dieser Begriffe löst abwertende Bilder und Vorstellungen aus, die ebenfalls wieder dazu beitragen, Machtverhältnisse und Diskriminierungen aufrechtzuerhalten (vgl. Ogette 2019, S. 74). Entsprechende Begriffe werden hier im Folgenden nicht benannt, um nicht zu einer weiteren Reproduktion von rassistischer und gewaltausübender Sprache beizutragen. Wichtig ist zu betonen, dass es sich bei all diesen Begriffen ursprünglich um Fremdbezeichnungen handelt, also um Benennungen, die Menschen zugewiesen wurden und keinesfalls selbst gewählt sind. Manche dieser Wörter haben sich betroffene Personen im Nachhinein angeeignet und werden somit als Selbstbezeichnungen benutzt. Dabei ist das Verständnis darüber enorm wichtig, dass diese Selbstnutzung keine Legitimation für weiße Personen darstellt, diese Wörter auch zu verwenden.

      In diesem Zusammenhang soll auch kurz auf die Fragwürdigkeit des Begriffs des sogenannten Migrationshintergrundes eingegangen werden. Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsbürgerschaft geboren wurde (vgl. Destatis 2020). Der Begriff beinhaltet eindeutig eine Zuschreibung, die nicht durch betroffene Personen selbst definiert ist. Darüber hinaus wird dieser Begriff meist generalisierend angewendet, auch auf Personen, deren Familien schon seit vielen Generationen in Deutschland leben und somit offiziell gar keinen Migrationshintergrund haben. Zudem kann herausgestellt werden, dass sich der Begriff des Migrationshintergrundes meist auf Personen bezieht, die nicht weiß sind. Daher kann davon ausgegangen werden, dass meist Personen gemeint sind, die durch Rassismus diskriminiert werden, wenn von Migrationshintergrund gesprochen wird und zudem ein positives Selbstbild von sogenannten »Menschen ohne Migrationshintergrund«, also weißen Menschen, als »die Norm« aufrechterhalten wird. Dieser Begriff ist darüber hinaus zumeist mit Assoziationen von »Andersartigkeit« und negativen Zuschreibungen verknüpft (vgl. Özdemir 2018). Es wird also deutlich, dass der sogenannte Migrationshintergrund mit der Zeit und in Bezug auf die jeweilige Generation formal aufhört zu existieren, dies jedoch bei gleichzeitiger Kontinuität möglicher Diskriminierungserfahrungen. Auch ist es offensichtlich, dass nicht jeder sogenannte Migrationshintergrund als solcher bezeichnet wird und mit negativen Zuschreibungen assoziiert wird. Dabei wird in der Regel nicht an weiße US-Amerikaner*innen, weiße Engländer*innen oder weiße Schwed*innen gedacht. Hieraus folgt, dass es in den seltensten Fällen sinnvoll ist, über sogenannte »Menschen mit Migrationshintergrund« zu sprechen und diese binär von »Menschen ohne Migrationshintergrund« zu unterscheiden.


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