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Kreuz Teufels Luder. Evelyna KottmannЧитать онлайн книгу.

Kreuz Teufels Luder - Evelyna Kottmann


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gab.

      Plötzlich war sie einfach da gewesen, wie aus dem Nichts aufgetaucht. Am selben Tag, an dem meine Mutter mir sagte, dass ich ein Geschwisterchen bekommen würde. So, wie ich die Schwester meines Bruders sei, komme noch jemand dazu, der viel kleiner sei als ich und viel schlafen würde. Mir schien, dass die Katze zu viel war, denn die ass ja auch. Sie bekam von der Mutter jeden Abend etwas zu essen, und wir hatten manchmal nichts. Sie durfte sogar auf dem Bett der Mutter schlafen und manchmal auf ihrem Schoss sitzen. Diese Katze konnte nicht bei uns bleiben, diese Katze musste weg.

      Eine Zeit lang geschah nicht viel, ausser dass ich auf dem Tisch tanzen musste. Der Tisch hatte sich fest in meine Kinderwelt geschoben, die Hölle hatte mich immer wieder und machte, dass ich fast keinen Hunger mehr hatte. Ich verwandelte mich in ein kleines Höllengerippe. Das Bäuchlein meiner Mutter wuchs. Und die schwarze Katze strich dauernd um mich herum und berührte meine Beine. Manchmal schnurrte sie dabei.

      Vater Jakob tauchte auf und verschwand im Zimmer meiner Mutter. Es dauerte nicht lange, bis wir Schreie hören konnten, es rumpelte und Türen knallten. Arabat verschwand unter seiner Decke. Vater Jakob war dieses Mal genauso wütend wie Mutter Lilith. Die beiden schaukelten sich gegenseitig auf in ihrem Zorn. Wieder flogen uns Gegenstände um die Köpfe. Und dieses Mal würde der Vulkan ausbrechen. Meine Mutter öffnete plötzlich das Fenster, rannte Jakob schnaubend entgegen, packte ihn, hob ihn in die Luft, rannte mit ihm auf das Fenster zu und warf ihn mit voller Kraft hinaus. Für einen kurzen Augenblick herrschte Ruhe, gerade so lange, dass ich einmal ein- und ausatmen konnte. Mein Mund stand offen, ich staunte darüber, dass mein Vater fliegen konnte. Meine Mutter befahl mir, nach ihm zu schauen, und ich lief, so schnell ich konnte, zu ihm hinaus. Vater Jakob lag reglos da, ich kniete mich zu ihm hin und sah ihn einfach an. Sein Bauch und sein Gesicht waren zum Boden gerichtet und sein Rücken und Hinterteil Richtung Himmel. Wohin seine Beine und Arme zeigten, fand ich nicht recht heraus. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, nur seine Ohren, und da tropfte Blut heraus. Ich sah einen Fremden vor mir liegen. Meine Mutter rief etwas von oben herab, was ich nicht verstand. Dann kam ein Auto mit Blaulicht, ohne Sirene, mit Frauen oder Männern, die sich um Jakob kümmerten, ihn auf einer Bahre ins Auto schoben. Vater Jakob war nun für sehr lange Zeit weg. Der Sturz aus dem Fenster hatte ihm beide Arme und Beine gebrochen.

      Nun wusste ich, wie ich es anstellen konnte, dass die schwarze Katze unser Haus verliess. Ich musste ihr nur das Fliegen beibringen. Ich öffnete das Fenster, schaute hinunter, ob Arabat seinen Posten bezogen hatte, nahm die Katze und warf sie hinaus. Unten knallte sie auf den harten Boden und war ganz benommen. Arabat brachte sie mir dann wieder hinauf und ich knallte sie nochmals aus dem Fenster. Das Spiel mit der Katze ging so lange, bis der Tod sie endlich packte.

      Da lag sie nun mit offenen Augen, und ihr Zünglein hing heraus. Plötzlich wollte ich, dass die Katze wieder lebendig wäre. Ich warf Steine nach ihr. Doch sie blieb einfach reglos liegen. Ich trat die Katze mit den Füssen, versuchte sie auf die Pfoten zu stellen. Aber sie fiel in sich zusammen, ihr Zünglein draussen und mit halb geöffneten Augen. Ich gab meine Versuche auf, sie wieder lebendig zu machen, und legte sie an die Hausmauer. Keiner, der zur Mutter kam, bemerkte die tote Katze. Und da Mutter Lilith nicht nach draussen ging, lag die Katze noch eine ganze Weile da, sodass ich sie immer wieder besuchen konnte. Ich machte noch einen letzten Versuch und legte ihr Futter hin, ich dachte, wenn sie Hunger hätte, würde sie gewiss aufwachen. Manchmal war das Futter dann weg, aber die Katze lag immer noch da, und auf ihr immer mehr Tierchen. Ich nahm an, dass die Katze aufwachte und frass, weil das Futter ja weg war, wenn ich nachschaute. Also brachte ich immer wieder neues hin und immer mehr kleine Lebewesen gesellten sich zur Katze. Ich konnte beobachten, wie die kleinen, weissen Würmchen auf ihr herumturnten, sich aus ihren Augen und in ihren Mund bohrten, sogar in den kleinen Nasenlöchern gingen sie ein und aus. Mit der Zeit stank es sehr. Die weissen Würmchen begannen mich zu ekeln, und dieses Todesfressen faszinierte mich nicht mehr. Mutter Lilith trauerte der schwarzen Katze noch lange nach und hoffte, sie komme wieder. Aber ich wusste es besser, ich hatte ein Geheimnis, das Geheimnis vom Tod.

      Wieder zogen wir um, weil man uns unserer Mutter wegnehmen wollte. Wir wohnten nun in einem alten Käserhaus. Die neue Käserei war nicht allzu weit davon entfernt. Jeden Morgen und jeden Abend konnte ich die Bauern mit ihren Traktoren und Anhängern mit den grossen Milchkannen beobachten. Sie brachten die Milch ihrer Kühe dorthin. Die Bauern und der Käser hatten dicke Oberarme, denn eine solche Kanne war sehr schwer. Wir hatten nun regelmässig Milch zu trinken. Wir tranken viel, hatten aber trotzdem Hunger. Mutter Lilith kam mit dem Geld nicht aus, weil sie eine Menge Trink- und Rauchwaren, Schminke und Schuhe für sich brauchte. Oft hatten wir zu wenig Milchbatzen.

      Aber Mutter Lilith war schlau und weihte uns in die Kunst der Elstern ein. Arabat und ich mussten in der Käserei sein, be­vor die ersten Bauern ihre Milch brachten. Die Käserfrau hatte dann schon alles vorbereitet, auch die Kasse mit den Milchbatzen lag immer offen da. Meistens waren der Käser und die Käserin noch beschäftigt, bevor das Eintreiben der Milch begann, und so waren wir allein in der Käserei. Arabat hielt das Milchchübeli in der Hand und ich hatte meine Hand in der Kasse, um mir ein paar Batzen zu greifen. Hatte ich die Batzen, so standen wir wartend da, bis die Milchbauern kamen und es kesselte und laut wurde. Wenn dann die Käserin kam, streckte ich ihr die Hand mit den Batzen hin, die ich mir vorher genommen hatte, und wir bekamen so viel Milch, wie es dafür gab. Manchmal hatten wir ein ganzes Chübeli voll, meistens jedoch nur ein halbes. Meine Hand war zu klein und zu zart, um genügend Batzen für ein volles Milchchübeli zu greifen. Mutter Lilith war stolz auf mich, weil ich das mit dem Milchholen so gut machte. Sie konnte sich auf mich verlassen und es ganz uns beiden überlassen. Und für mich war klar, dass ich das Geld nehmen durfte, weil es ja so offen dalag.

      Nach einer Weile zogen wir wieder um, damit meine Mutter in Ruhe gebären konnte. Es war keine Geburt im Spital, die kleine Mascha kam zu Hause in unsere Welt. Ich durfte mit Vater Jakob die Nachgeburt im Wald vergraben. Wir gruben mit den Händen ein tiefes Loch in die Erde, Vater Jakob legte die Nachgeburt hinein und übergoss sie mit einer ganzen Flasche von dem stark riechenden Wasser. Vorher nahm er noch einen grossen Schluck davon. Unsere Hände deckten die Nachgeburt, gesegnet mit diesem Feuerwasser, mit Erde zu. Ich durfte Holz sammeln und es, dort wo die Nachgeburt im Dunkeln lag, auf einen Haufen legen. Als wir genug Holz hatten, kam Mutter Lilith mit Arabat und der kleinen Mascha dazu. Mascha sah man nicht, sie war in eine Decke eingewickelt. Papier wurde zwischen die Hölzer gestopft und noch eine Flasche Feuerwasser geopfert, dann kamen die rot-, gelb- und blauorangen Flam­men. Es zischte, krachte und rauchte.

      Mir war, als wollten die Flammen mir etwas sagen, doch ich konnte es nicht verstehen, wie so vieles. Ich starrte in die Flammen und spitzte die Ohren. Ich sah das Feuer und seine Farben. Und manche Farben, die ich darin sah, konnte ich auch an den Menschen, Pflanzen und Tieren erkennen. Das Feuer weckte in mir das Bedürfnis, es zu berühren. Das helle Licht der Flammen berührte sanft meine Seele und liess mich am Zauber seiner Wärme teilnehmen. Ich wurde selbst zu einer Flamme und tanzte, knisterte, krachte und rauchte mit dem Feuer. Zum ersten Mal erlebte ich Glück. Und dieses Glück gefiel mir viel, viel besser als das Tanzen auf dem Tisch. Das Glück fühlte sich so warm an. Das Tanzen aber war eisige Kälte. Bald darauf rief die Teufelin aber wieder ihre Dämonen aus der Hölle. Das Opfer lag schon auf dem Tisch bereit. Mascha durfte nicht auch ein Höllenopfer werden.

      Die Tage gingen dahin und nichts veränderte sich bei uns zu Hause. Tagein, tagaus dasselbe. Ich hatte bloss ein Kind mehr, um das ich mich sorgte und kümmerte, damit niemand es anfassen möge. Die Männer kamen und nahmen mich und meine Mutter. Mutter Lilith wurde wieder schwanger, und bald war auch Bruder Alioscha unter uns. Mutter Lilith zog mit uns weiter, diesmal aber direkt in die Arme der Behörden. Vater Jakob hatte dafür gesorgt, dass wir endlich von ihr weggeholt wurden. Er konnte es nicht mehr mit ansehen, wie wir leben mussten. Helfen konnte er uns nicht, denn er konnte sich selbst nicht helfen. Weil es bei der Gemeinde ein Hin und Her gegeben hatte und keiner die Verantwortung dafür übernehmen wollte, wer was und wie viel bezahlen müsse, ging Vater Jakob schliesslich zu Leuten, die schon bei Lilith und ihrer Mutter im Spiel gewesen waren. Jakob wurde von ihnen mit offenen Armen empfangen, und dann ging es blitzschnell. Wir Kinder kümmerten sie nicht allzu sehr, sie fragten kaum nach, warum und wieso. Es genügte ihnen, zu wissen, dass meine Mutter eine Fahrende, eine Vagantin war. Und weil mein Vater kein Fahrender


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