Zur Professionalität der Professionalisierenden. David GerlachЧитать онлайн книгу.
Bottom-up-Ansatz von Fremdsprachenlehrerbildung mittels Reflexion, Aktionsforschung und anwärterorientierter Lerngelegenheiten konzeptualisiert und umgesetzt (vgl. Crandall/Christison 2016). Wiederum ein Fragezeichen gesetzt werden müsste dann, übertragen auf die spezifisch deutsche Phasigkeit, wie diese Lerngelegenheiten abgesehen von einzelnen größeren beschriebenen Projekten wie E-LINGO (vgl. Legutke/Schocker-von Ditfurth 2008, Zibelius 2014, Benitt 2015) zielführend in der Fremdsprachenlehrerbildung integriert werden.
In der zusammenfassend historischen Betrachtung der Ausbildungsgegenstände bis in die 70er Jahre wird eine stark rezeptologische Prägung der Fremdsprachendidaktik offenbar, die teilweise bis heute nachwirkt (vgl. Kirchhoff 2017, Hallet/Königs 2013b). International galt in der Vergangenheit ein Absprechen autonomer Handlungs- und Lernoptionen der (werdenden) Fremdsprachenlehrpersonen: „Traditionally, the professional development of teachers has been thought of something that is done by others for or to teachers.“ (Johnson 2009: 25; Hervorhebung im Original) Parallel hierzu schlug sich unterrichtsgegenständlich ein stark kompetenzorientierter Ansatz mit Fokus auf Kommunikation als Folge der kommunikativen Wende nieder, was sich auf inhaltlicher Ebene in der Fremdsprachendidaktik als hoch einflussreiches Standardisierungsinstrument mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (vgl. Europarat 2001) zeigt. Für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern international bedeuteten diese Entwicklungen eine Abkehr von tendenziell formalistischen und durchstrukturierten Fremdsprachenlehrerbildungssystemen hin zu kooperativem wie eigenverantwortlicheren und selbstgesteuerten Professional development der Fremdsprachenlehrkräfte, „the recognition that teachers‘ informal social and professional networks, including their own classrooms, function as powerful sites for professional learning“ (Johnson 2009: 25; vgl. auch Borg 2011). Diese Sichtweise auf Professionalisierung ist dabei gewiss ebenfalls dem Umstand geschuldet, dass es in internationalen Kontexten und Tätigkeitsbereichen von Fremdsprachenlehrkräften, die in den vorliegenden Metaanalysen beispielsweise die Erwachsenenbildung mit einbeziehen, seltener die Möglichkeit zur direkten Weiterqualifizierung gibt bzw. diese Möglichkeiten nicht ohne einen gewissen Aufwand umsetzbar erscheinen. Darüber hinaus fand eine Vielzahl besonders der internationalen Forschungsprojekte z.B. zu Fremdsprachenlehrerkognitionen in Hochschulkontexten oder privaten Qualifizierungseinrichtungen statt, vernachlässigte aber häufig schulische Bildungssysteme auf der Ebene der Sekundarstufe(n) (vgl. Borg 2009: 168, Borg 2006).
Benitt (2015) fasst die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Bereich der Fremdsprachenlehrerbildung (Foreign Language Teacher Education = FLTE), hier insbesondere unter Berücksichtigung internationaler Kontexte der Englischlehrerbildung, wie folgt zusammen:
Educational models have developed from linear towards cyclic models, such as the reflective model of teacher education, which assumes that learning takes place in a dialogic manner.
The distinction of pre-service (theoretical) and in-service (practical) teacher education has given way to a more holistic approach to conceptualising teacher education and teacher learning.
Teaching and teacher education are considered socio-cultural activities. Experiential learning and the activity of teaching are considered central elements of FLTE.
The teacher as well as her personal and professional learning and development has become a central subject of interest in educational research, acknowledging the important role of the teacher in the teaching and learning context.
The mode of FLTE is slowly shifting from traditional lecture mode (one-way) to group mode (interactive), in which learning takes place through joint co-construction of knowledge. At the same time, FLTE is developing from traditional university education to blended-learning and online formats of teacher education. (ebd.: 43)
Während damit international eine Stärkung und Autonomieförderung auf der individuellen Ebene der Lehrkraft bzw. ihrer Kooperation mit anderen Kolleginnen und Kollegen stattgefunden hat, kritisiert Kurtz (2011), dass ihm in vielerlei deutschen Reformbemühungen vornehmlich der letzten beiden Jahrzehnte genau diese Subjektperspektive, die der (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer, zu kurz gekommen sei. Von Seiten der Bildungspolitik und verschiedener Expertisen sei stärker das Unterrichtsgeschäft bzw. die Arbeitsausübung in den Fokus gerückt worden, seltener die Rolle und Bedürfnisse, die jede/r einzelne Lehramtskandidat*in im Rahmen der Ausbildung einnimmt und mitbringt. Dies scheint sich – vor allem beeinflusst durch die Neufokussierung international – auch in Deutschland mittlerweile zu verschieben bedingt durch Forschung zu Lehrerkognitionen, Beliefs und Subjektiven Theorien: „It shifted attention from what teachers should know to who they are, what they already know, and what they actually do when they teach.“ (Graves 2009: 117) D.h. ohne die Bewusstmachung und Reflexion vorhandener Wissensbestände auf Seiten der angehenden Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer besteht die Gefahr, dass das innerhalb von Lehrerbildungscurricula vermittelte Professionswissen nur wenig Anschluss in der Praxis findet und losgelöst ohne Anwendungsbezug gleichsam verpufft.
Im Kontext von Subjektiven Theorien, Beliefs bzw. Lehreridentitäten wird verschiedentlich herausgestellt, wie diese das Lehrer*innenhandeln beeinflussen (vgl. z.B. Borg 2006, Caspari 2014, Schart 2014), jedoch auch, wie stark sie z.B. durch eigene Schulerfahrungen oder Überzeugungen habituell geprägt sind, bezüglich verschiedenster Unterrichtsaspekte reflektiert werden müssen (z.B. Lortie 1975, Hochstetter 2011) und in einer gewissen Starrheit durch Lehrerbildung gleichsam nur schwer veränderbar bzw. optimierbar erscheinen (vgl. Crandall/Christison 2016). Kubanyiova (2016) stellt z.B. in ehrlicher und beeindruckender Weise dar, wie ein innovatives Weiterbildungskonzept für Lehrkräfte aktuellste (Unterrichts-)Forschung berücksichtigt, innovative Materialien vorbereitet und diese von aufgeschlossenen Lehrkräften bearbeitet werden, die Intervention dann aber zu keinerlei positiven Effekten im Fremdsprachenunterricht führt. Sie muss zugeben:
The naivety of such an objective [eine transformatorische Wirkung auf den Fremdsprachenunterricht durch die Lehrerbildungsmaßnahme; Anmerkung D.G.] and the predictability of this outcome in the context in which the programme was delivered are admittedly all too obvious in the light of the latest theorising about how language teachers learn. (ebd.: 1)
Gleichzeitig erkennt man bei der genauen Lektüre des Qualifizierungskonzepts, dass dieses in keiner Weise ungewöhnlich für entsprechende Maßnahmen im universitären oder Fortbildungsbereich ist.
Bezogen auf die konkrete Fremdsprachenlehrer(fort)bildung sehen Legutke/Schart (2016) zwei Strömungen: „In Aus- und Fortbildungsprogrammen werden zwei gegensätzliche Herangehensweisen praktiziert, um das Generieren des reflektierten Handlungswissens zu fördern.“ (ebd.: 31) Das eine sei ein theoriegeleiteter, der andere ein problemorientierter Ansatz, wobei letzterer „sich aus den Erfahrungen der Teilnehmenden in der Unterrichtspraxis“ (ebd.) ergibt. Fraglich bleibt dabei, wie curricular oder ausbildungs-/fortbildungsdidaktisch verankertes Wissen in Prozessen der Fremdsprachenlehrerbildung nachhaltig integriert wird. Immer wieder wird hier in der Gesamtschau der einschlägigen Literatur und empirischen Forschung Reflexivität bzw. Reflexionskompetenz als Lösung genannt. Auch das von Elbaz (1983) geprägte dynamische und auf verschiedenen Ebenen (re-)konstruierbare Personal Practical Knowledge (PPK) zeigt sich als bedeutendes Konstrukt in den einschlägigen Publikationen, das vielfach in Ergänzung an eher inhalts- und curriculumsorientierten Professionswissensbeständen von Fremdsprachenlehrkräften angelegt wird und durch die Forschung im Bereich von Lehrerkognitionen eine zunehmend wichtigere Rolle insbesondere in qualitativen Forschungszugängen zu spielen scheint. Die Folgen mangelnder PPK: „At an extreme, teachers who cannot access their PPK could be portrayed as deficient“ (Golombek 2009: 159), was wiederum für eine Reflexion und Bewusstmachung auch dieser Wissensbestände in allen Tätigkeitsbereichen spricht.
Im Sinne eines Ausbildungscurriculums auf der Inhaltsebene ist es wiederum schwierig, in Wissens- und Kompetenztests überhaupt fremdsprachendidaktisches Wissen zu modellieren bzw. Skalenreliabilität herzustellen (vgl. Roters et al. 2011, Kirchhoff 2016/2017). Die Autorinnen nennen als mögliche Gründe beispielsweise den flächendeckend geringen Anteil fachdidaktischer Seminare im Lehramtsstudium, die hohe Stabilität subjektiver Theorien über die Schulzeit und selbst erlebten Fremdsprachenunterricht hinaus, die große Komplexität einzelner fachdidaktischer Konstrukte wie