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Zur Professionalität der Professionalisierenden. David GerlachЧитать онлайн книгу.

Zur Professionalität der Professionalisierenden - David Gerlach


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Zusammenhang, dass „die Krise der Normalfall ist und die Routine der Grenzfall“ (ebd.: 57), sodass ein analytisches Vorgehen z.B. durch eine Fallanalyse im pädagogischen Alltag Bestandteil professionellen Handelns wird bzw. im Sinne einer Professionalisierung werden sollte. Eine Krise kann somit als Anlass genommen werden, die Situation auf Basis des persönlichen Deutungswissens zu interpretieren und im Rahmen des „Arbeitsbündnisses“ – eines bewusst psychosozialen/-analytisch gewählten Begriffes des Verhältnisses zwischen Lehrendem und Lernendem, das zudem durch die Schulpflicht „erzwungen“ wird – zwischen den beiden Agierenden eine neue Routine zu entwickeln.

      Tritt z.B. in einer – hier zum Zwecke der beispielhaften Darstellung unspezifizierten Unterrichtssituation – ein Mangel an Wissen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu Tage, kann die Lehrperson in dieser Krise Lösungsmöglichkeiten anbieten, um diese zu bewältigen. Die Krise besteht in diesem Zusammenhang aber auch in dem Widerspruch diffuser und spezifischer Sozialbeziehungen (vgl. Oevermann 1996), die zwischen Lehrperson und Schülerin/Schüler bestehen und damit einer Professionalisierung bedürfen: Inwieweit kommt die Lehrperson dem/der Lernenden entgegen? Entmündigt die Lehrperson den Schüler/die Schülerin möglicherweise in seiner Selbständigkeit und lebenspraktischen Autonomie als Individuum, indem das Wissen direkt vorgelegt wird, ohne vielleicht ein selbständiges, methodisches Lösen des Wissensdefizits zu evozieren?

      Oevermann unterscheidet hier zwischen ingenieuralem Wissen, das in der pädagogischen Arbeit deduktiv Lösungen anbietet und begründet, sowie interventionspraktischem Wissen, welches sowohl standardisiertes Methodenwissen einbezieht (äußert sich in „Routine par excellence“ im alltäglichen Unterricht; vgl. Oevermann 2008: 59) wie auch das eher therapeutisch-intervenierende Wissen, das primär klientenzentriert ist und „die konkrete historische Lage und Situation des Klienten … rekonstruieren muss“ (ebd.). In diesem Zusammenhang definiert und unterscheidet Oevermann die Begriffe Lernen und Bildung, sodass ersteres auf der Vermittlung standardisierten Wissens fußt („Primat der Wissensvermittlung“, Oevermann 1996: 142), während „Bildung immer Krisenlösung und damit das Gegenteil von Routine“ (Oevermann 2008: 59) ist. Neben dem Primat der Wissensvermittlung beinhalte pädagogisches Handeln allerdings auch immer „Erziehen“,

      weil die anlässlich der Wissens- und Normenvermittlung notwendig werdenden Lehrer-Schüler-Beziehungen angesichts … der Ungefestigtheit von Autonomie und Rollenhandlungsfähigkeit des Schülers in dieser Phase immer auch folgenreich sind für die Entwicklung des Schülers als ganzer Person. (Oevermann 1996: 147)

      Bezugnehmend auf die Tatsache, dass ein therapeutisch-professionelles Handeln voraussetzt, dass vom Klienten eine gewisse „Freiwilligkeit“ ausgeht, sich therapieren zu lassen – d.h. dass Schülerinnen und Schüler von sich aus lern- und bildungswillig sind –, ist Oevermanns zentraler Kritikpunkt die deutsche Schulpflicht. Diese sieht er als mittlerweile obsolet an, da sie Pädagoginnen/Pädagogen und Kinder in ein erzwungenes Arbeitsbündnis bringt mit der Folge, „dass dem Kind die Neugierde als Hauptmotiv dafür, in der Schule zu sein, aberkannt wird“ (ebd.: 66). Darüber hinaus sieht er es als soziologisch und gesellschaftlich begründet an, dass spätestens zum aktuellen Grundschulalter der Kinder bereits in der Familie quasi automatisch die Krise entsteht, dass die Kinder die hochkomplexen Prozesse des Lesens, Schreiben und Rechnens erlernen müssen, um an der Gesellschaft teilhaben zu können. Da die Struktur der Familie dies nicht alleine bewerkstelligen kann, benötigt man ab diesem Zeitpunkt Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Wissen vermitteln. In diesem Zusammenhang spricht Oevermann von Experten, was jedoch noch keine Professionalität ausmache. Diese sei erst durch eine fallorientiert-hermeneutische Lösungserarbeitung von Krisen und z.B. pädagogisch-erzieherischen Herausforderungen in der (Wieder-)Herstellung von Autonomie gegeben (1996, 2008).

      Helsper (2004b) vertieft Oevermanns Grundidee als „strukturtheoretisch-rekonstruktiv“, indem das Unterbrechen der Routinen („ständige Drohung des Scheiterns“) vor allem durch situative Fallarbeit zu einem professionelleren Lehrer*innenhandeln führt. Zentral sieht Helsper damit einige unüberwindbare Antinomien in der Struktur des Lehrerhandelns (vgl. ebd.; vgl. auch Terhart 2011):

      1 Begründungsantinomie entsteht dadurch, dass Lehrer*innenhandeln begründet Wissen und Lebenspraxis vermitteln soll, die entstehende Ungewissheit bzw. Unplanbarkeit im Unterricht diese Begründung aber erschwert.

      2 Praxisantinomie meint, dass theoretisches Wissen nicht unmittelbar in der Praxis umgesetzt werden kann, dies aber für ein wissenschaftliches (= professionelles) Handeln nötig wäre.

      3 Subsumtionsantinomie steht für die Schwierigkeit, Fälle pädagogischen Handelns wissenschaftlich zu typisieren bzw. zu hierarchisieren, dann allerdings wiederum durch die Subsumtion die Einzelfälle aus dem Blick zu verlieren.

      4 Ungewissheitsantinomie bezieht sich auf die Tatsache, dass mit dem Lehrerhandeln der Anspruch verbunden ist, dass Schülerinnen und Schülern Wissen vermittelt wird, durch die Unplanbarkeit pädagogischen Handelns dies aber kaum garantiert werden kann.

      5 Symmetrieantinomie (Machtantinomie) steht für die unterschiedlichen Positionen, die Lehrende und Lernende in ihrer Interaktion einnehmen, ein Arbeitsbündnis bedarf jedoch eines symmetrischen Verhältnisses der Agierenden.

      6 Vertrauensantinomie: Das Arbeitsbündnis muss von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein, allerdings muss ständig die mögliche Abhängigkeit des Kindes betrachtet sowie die jeweils von Lernenden als auch Lehrenden bestehende Persönlichkeit („persönliche Integrität“) gewahrt werden.

      Auf eine zweite Ebene „der diffus-spezifischen Lagerung“ (Helsper 2001: 87) positioniert Helsper:

      1 Näheantinomie beschreibt – und hängt damit nah mit der Vertrauensantinomie zusammen – das Verhältnis von Nähe und Distanz in der Interaktion von Lehrenden und Lernenden.

      2 Sachantinomie als die Forderung eines Lebensweltbezugs der Unterrichtsgegenstände bei gleichzeitiger Vermittlung von „lebensweltlich gültigen, biografisch unterlegten Rahmungen der unterrichtlich behandelten Gegenstände auf dem Hintergrund der konkreten Individualität von Schülern“ (Helsper 2004b: 78).

      3 Organisationsantinomie ist gemeinhin der organisatorisch-strukturelle Zwang von z.B. Räumlichkeiten, Stundenplänen und Lehrplänen, in denen Lehrerhandeln eingebettet wird.

      4 Differenzierungsantinomie meint den gesellschaftlich-politischen Anspruch einer offenen Allgemeinbildung für alle Schülerinnen und Schüler, gleichzeitig aber die Herausforderung Bildung in individualisierter Form, d.h. individuelle Lernprozesse, anzustoßen.

      5 Autonomieantinomie beschreibt letztlich die Aufgabe einer Lehrkraft, Grundlagen dafür zu legen, dass die Schülerinnen und Schüler autonome, mündige Bürgerinnen und Bürger werden, allerdings kann dies in der Schule nur im strukturell begrenzten Rahmen des Systems geschehen.

      Auf den nächsthöheren Ebenen sammeln sich nach Helsper (2001) auflösbare organisationsbedingte Widersprüche, welche die Antinomien aufgrund der institutionalisierten Schulbildung begünstigen2, Dilemmata als Folge „der fallspezifischen und berufsbiographischen Auseinandersetzung mit diesen Antinomien und Widersprüchen“ (ebd.: 88) in Wechselwirkung der Lehrpersonen z.B. einer Schule sowie zuletzt Handlungsparadoxien, in denen professionelles Handeln zunehmend unmöglich wird aufgrund einer immer ungünstiger liegenden, unüberwindbaren Verquickung der auf den unteren Ebenen diametral gegenüberstehenden Antinomien, Widersprüchen und Dilemmata.

      Helsper (2001, 2004b, 2007) versucht mittels dieser unterschiedlichen, hierarchisch zusammenhängenden Ebenen von Antinomien bis Paradoxien, das „Scheitern“ im Unterrichts- und Bildungsprozess zu begründen und gleichzeitig aufzuzeigen, dass diese Antinomien jederzeit bestehen, aber oft im Wesentlichen strukturimmanent und damit zwar nicht auflösbar sind, mit ihnen aber z.B. durch Fallarbeit reflexiv beim Vorkommen eines Routinebruchs oder Scheiterns umgegangen werden kann und dies auch in der Erwartungshaltung ungewisser Folgen im Lehrerhandeln bewusst sein sollte: „Vor diesem Hintergrund zeigt sich Professionalität in der Fähigkeit, die vielfachen Spannungen und genannten Antinomien sachgerecht handhaben zu können.“ (Terhart 2011: 206)

      Die im Lehrerhandeln implizierte, durch die Struktur des


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