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Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela MayrЧитать онлайн книгу.

Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr


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Dies ist aus didaktisch-methodischer Sicht durchaus sinnvoll und wird auch im hier vorgeschlagenen Modell eines mehrsprachigen aufgabenorientierten Unterrichts anvisiert. Denn Lernen nach thematischen Schwerpunkten und Kontextualisierung sind ausschlaggebend für erfolgreichen Unterricht und haben sich auch im vorliegenden Unterrichtsdesign als wirkungsvolles und unabdingbares Instrument für die Entwicklung mehrsprachiger kommunikativer Kompetenz erwiesen (MKK). Denn im mehrsprachigen Diskurs vernetzt sich das Vorwissen und es wird je nach Bedarf auch auf heterolinguales Wissen zurückgegriffen (ibid.: 65). Es werden also Wissensbestände aus allen Sprachen und Kulturbereichen herangezogen und das nötige gesamtsprachliche Weltwissen aktiviert, um die Dekodierung eines Textes zu ermöglichen. Dazu ist es aber in erster Linie nötig, dass ein solches Weltwissen im Unterricht durch spezifische Unterrichtsdesigns vermittelt wird.

      Aus diesem Blickwinkel erhalten auch sog. Interferenzfehler eine völlig neue Valenz, sie sind nämlich ein Fenster zu diesem höchst komplexen Falsifizierungs- und Verifizierungsmechanismus, der in Gang gesetzt wird. Daher betont Meißner in seiner Ausführung, dass „was als Interferenzfehler sichtbar/hörbar wird, ist nur die Oberfläche, deren Tiefenstrukturen bis weit in die Konzeptbildung und bis in den Zwischenbereich von Sprache und Welt hineinreichen“ (ibid.: 66). Es soll in den Kapiteln der Datenauswertung u.a. auch aufgezeigt werden, wie solche Interferenzfehler einerseits von einem kreativen Umgang mit Sprache zeugen und andererseits die Fähigkeit zur Selbstkorrektur aktivieren, die häufig durch Formen sozialen Lernens ergänzt wird.

      Auch Morkötter betont in diesem Zusammenhang, dass Normabweichungen dahingehend gedeutet werden können, dass sie Ausdruck eines kreativen Umganges mit Sprache sind und sich somit auch positiv auf die emotionale Ebene auswirken können. Hier spielt die emotionale Ebene eine relevante Rolle, die allgemein bislang wenig Beachtung gefunden hat (Morkötter 2004: 37). Diese fehlende Aufmerksamkeit für die emotionale Kompetenz betrifft nahezu alle Bereiche des Sprachenlernens, obwohl sie von grundlegender Wichtigkeit für den Spracherwerbsprozess ist. Daher wird sie in die hier anvisierte Modellierung der MKK als Kompetenzbereich aufgenommen, denn ihr kommt vor allem im mehrsprachigen Lernen die Aufgabe zu, den Lernenden ihren unterschiedlichen emotionalen Zugang zu den einzelnen Sprachen und das daraus resultierende Sprachverhalten bzw. die unterschiedlichen emotionalen Sprachrollen bewusst zu machen.

      Bär (2009) betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit des Prinzips der Bewusstmachung für die Förderung der Sprachlernkompetenz. Diese erfolgt durch den andauernden Vergleich aller den Lernenden verfügbaren Sprachen und die daraus resultierende Nutzung aller Vorwissensbestände (Bär 2009: 505) – ein Prozess, der nur durch ständiges Monitoring und Reflexion des eigenen Lernprozesses ermöglicht wird. Meißner verwendet in diesem Zusammenhang erstmals den Begriff Metakognitive Kompetenz (Meißner & Morkötter 2009: 68). Einer der Vorteile, die sich aus dieser Methode für den Fremdsprachenunterricht ergeben, ist laut Meißner, dass die Nutzung der Wechselbeziehungen zwischen Sprachen den Anforderungen einer Lernökonomie entgegenkommt (Meißner 2010: 382), ein Aspekt, der in der heutigen Interkomprehensionsdidaktik von zentraler Bedeutung ist. Es werden in diesem Verfahren sehr schnell die nötigen rezeptiven Fähigkeiten entwickelt, indem die Sprachverarbeitungs- und Sprachhandlungsprozesse miteinander verknüpft werden. Durch diesen Zusammenschluss entsteht eine Interimsprache, die Interlanguage, die das Potenzial zur Mehrsprachigkeit des mentalen Lexikons ankurbelt (vgl. Cenoz et al. 2003).

      Die Entwicklung dieser metakognitiven Kompetenz und die Nutzung der Vorwissenbestände resultieren, wie auch aus der Datenauswertung hervorgeht, in einer gesteigerten Sprach(en)bewusstheit, wodurch die Lernenden ihre Sprachkenntnisse in den einzelnen Sprachen besser einschätzen und für den Sprachlernprozess nutzbar machen. Ebenso hat sich gezeigt, dass der Sprachenvergleich auf den verschiedensten Ebenen wirkt und zu Aktivierung und Erweiterung des mehrsprachigen Repertoires führt. Es entwickeln sich also nicht nur die rezeptiven Fähigkeiten, wie vom Meißner postuliert, sondern, wie aufgezeigt werden wird, auch die produktiven. Es kommt also auch zu einer Steigerung der aktiven Sprachkompetenzen.

      Projekte auf EU-Ebene wie GALATEA, EuroComGerm und EuroComRom, EuroComSlav haben didaktische Instrumente entwickelt wie z.B. die sieben Siebe, die schnell zu einer rezeptiven individuellen Mehrsprachigkeit führen. Zu erwähnen sind auch die Arbeiten von Bär, Morkötter und Schöpp zur Umsetzung und Implementierung interkomprehensionsdidaktischer Einheiten (vgl. Schöpp 2008; Morkötter 2014; Bär 2009, 2014;). Laut Bär fußt die Interkomprehensionsdidaktik zwar auf kulturellem, enzyklopädischem, pragmatischem und strategischem Wissen, ein Transfer wird in diesem Zusammenhang jedoch nicht erwähnt (Bär 2008: 27). Das rührt wahrscheinlich daher, dass dieses Wissen laut Bär dazu benutzt wird, um Hypothesen über die unbekannte Zielsprache aufzustellen.

      3.3 Das Tertiärsprachenlernen oder TLA (Third Language Acquisition)

      Eng mit der Interkomprehension verbunden ist das Tertiärsprachenlernen. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der sich insbesondere damit beschäftigt, wie die Sprachabfolge der erworbenen oder gelernten Sprachen sich auf das Sprachenlernen auswirkt. Es werden Transfermöglichkeiten innerhalb spezifischer Sprachenkonstellationen festgehalten und für die Spracherwerbslehre und Didaktik nutzbar gemacht (Hufeisen & Lindemann 1998, Gibson & Hufeisen 2003; Hufeisen 2003a; 2004b; 2010b; Hufeisen & Neuner 2000, 2004a; Hufeisen & Jessner 2009; Kemp 2009).

      Das Tertiärsprachenlernen baut sprachwissenschaftlich auf der Theorie der Third Language Acquisition (TLA) auf. Zunächst wurde der Drittspracherwerb als eine Unterkategorie des Zweitspracherwerbs (SLA) angesehen bis man aufgrund von Untersuchungen feststellte, dass es eine qualitative und quantitative Veränderung des Lernprozesses beim Erwerb einer zweiten Fremdsprache gibt (vgl. Cenoz et al. 2001; Herdina & Jessner 2002; Jessner 2008; Cenoz 2013). Laut Jessner unterscheidet sich der Erwerb einer Drittsprache sogar wesentlich von dem einer Zweitsprache, da auf ein „komplexes, qualitativ anderes System, einer bilinguale Norm, zurückgegriffen werden kann“ (Jessner & Allgäuer-Hackl 2015: 212; Jessner 2008: 11). Aus dieser neuen Perspektive heraus entwickelten sich unterschiedliche Spracherwerbsmodelle: das Faktorenmodell (Hufeisen 2010b) und das Dynamic Model of Multilingualism DMM (Herdina und Jessner 2002), das Ecological Model of Multilinguality (Aronin & Òlaoire 2001, 2002) und das FLAM Foreign Language Acquisition Model (Groseva 1998). Für die Entwicklung und Theoriebildung der Tertiärsprachendidaktik am einflussreichsten sind das Faktorenmodell und das DMM, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird.

      3.3.1 Spracherwerbsprozesse fruchtbar miteinander verknüpfen

      Dem Englischen kommt im TLA eine besondere Rolle zu, denn es ist sowohl im europäischen als auch im außereuropäischen Kontext in den meisten Fällen als L2 anzutreffen. L1 ist variabel und L3 ist in Europa in sehr vielen Fällen Deutsch. Eben diese Konstellation Deutsch nach Englisch untersucht Hufeisen, wobei es darum geht herauszufinden, welche besonderen Merkmale diese beiden Sprachen aufweisen, wie diese im Spracherwerbsprozess fruchtbar miteinander verknüpft werden können und welche Formen des retroaktiven und proaktiven Transfers stattfinden (vgl. Cheung et al. 2011; De Angelis 2005; Ó Laoire & Singleton 2009). So meint Cheung, es gebe Hinweise dafür, dass Deutsch L3 Englisch L2 rückwirkend beeinflusst, es also einen retroaktiven Transfer zwischen den beiden Sprachen gibt. Allgemein ist festgestellt worden, dass Lernende mehr von Sprachen beeinflusst werden, die genetisch nahe zusammen liegen. So kann Englisch L2 die Funktion einer Brückensprache zwischen L1 und L3 Deutsch übernehmen, besonders wenn L1 eine romanische Sprache ist. Durch diese Tatsache erlangt das Englische auch in der Mehrsprachigkeitsdidaktik unerwartete Relevanz und das, obwohl es zunächst ein Anliegen der Mehrsprachigkeitsdidaktik war, den Einfluss des Englischen als Lingua franca zu reduzieren (vgl. Fäcke 2008: 12). Die Rolle des Englischen in der Funktion als Brückensprache ist mittlerweile unbestritten, da es sich aufgrund seiner sprachgeschichtlichen Entwicklung als Bindeglied sowohl für germanische Sprachen als auch für romanische Sprachen sehr eignet, was beim multiplen Sprachenlernen einen erheblichen Vorteil darstellt. Allerdings wird diese Annahme nicht kritiklos von allen Forschern übernommen, denn auch psycholinguistische Faktoren beeinflussen die Transferleistung.

      3.3.2 Psychotypologie und Lernbereitschaft

      Die


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