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Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela MayrЧитать онлайн книгу.

Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr


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wird mit jeder weiteren Sprache erweitert und wächst in seiner Komplexität (vgl. Krumm 2012: 88; Königs 2012: 79). Auch diese Form der Sprach(en)bewusstheit macht MKK aus, das Bewusstsein nämlich, dass jeder Sprechende eine ganz individuelle Sprachbiographie hat (vgl. Krumm 2001, der bei Kindern sehr erfolgreich mit Sprachenportraits arbeitet), dass mit dieser bestimmte Haltungen und Emotionen verbunden sind, die seine Sprachhandlungen ausmachen und ohne deren Verständnis Kommunikation nur zum Teil gelingen kann (zu Sprache und Emotion siehe folgendes Kapitel). Diese bislang in der Forschung unbeachteten Aspekte der Sprach(en)bewusstheit wie die kreative Dimension des Sprachenlernens, affektive Aspekte und soziales Lernen im mehrsprachigen Umfeld sowie die symbolische Dimension (cf. 4.2.1.) sind in der vorliegenden Untersuchung Bestandteil der Modellierung einer MKK.

      4.4 Psycholinguistische und soziolinguistische Aspekte der MKK

      Das Erfassen der kommunikativen Phänomene im mehrsprachigen aufgabenorientierten Unterricht kann nur ausreichend beleuchtet werden, wenn pluralistische Forschungsansätze eingesetzt werden. Daher ist eine Synthese zwischen psycholinguistischen und soziokulturellen Perspektiven nötig (vgl. Müller-Hartmann & Schocker von Ditfurth 2005: 14; Ellis 2003: 72f.). Nur diese Doppelperspektive bei der diskursanalytischen Auswertung der plurilingualen Aushandlungsprozesse kann die kommunikativen Leistungen der Lernenden eingehend behandeln und die damit einhergehenden Formen des sozialen Lernens erkennen und kategorisieren. Dadurch soll ein ganzheitliches Bild des Kompetenzerwerbsprozesses umrissen werden, das die Innenperspektive des subjektiven Lernens mit der Außenperspektive des sozialen Lernens und der kommunikativen Interaktion zwischen Lernenden und Lernenden bzw. Lehrenden verbindet, denn beides ist für das Forschungsdesign gleichermaßen wichtig: Es handelt sich um Aufgabenformate, welche die Lernenden dazu anregen, miteinander nicht nur ins Gespräch zu kommen, sondern im kritischen Austausch komplexe mehrsprachige Situationen zu bewältigen, indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen aktivieren, um sich von einer lebensweltlichen Mehrsprachigkeit in Richtung bildungssprachlicher Mehrsprachigkeit zu bewegen. Dabei soll sowohl sprachliche als auch inhaltliche Kreativität nicht ausgeklammert werden, vielmehr werden die Lernenden dazu angeregt, neue Problemlösungsstrategien und Handlungsmöglichkeiten auf beiden Ebenen anzudenken (vgl. Legutke 1988; Hallet 2012b).

      Zunächst sollen zwei für dieses Forschungsdesign relevante aus den insgesamt fünf Spracherwerbsmodellen vorgestellt werden, um aufzuzeigen, welche Lernprozesse im mehrsprachigen Unterricht initiiert werden, wie diese im TBLT als Verstehensprozesse koordiniert werden und zu einem mehrsprachigen Kompetenzzuwachs beitragen. Anschließend werden sprachliche Phänomene des mehrsprachigen Diskurses, die im Zuge der diskursanalytischen Auswertung besonders häufig vorkamen, in ihrer Funktion beschrieben und erläutert, da sie bei der Modellierung der MKK relevant sind.

      4.4.1 Das Faktorenmodell

      Das von Britta Hufeisen entwickelte Faktorenmodell (Hufeisen 2010c: 203f.) berücksichtigt beim Fremdsprachenlernen im Unterricht vorher gemachte Lernerfahrungen, insbesondere bezüglich der L2 und beim Erlernen weiterer Fremdsprachen. Nach dem Erlernen von L2 erfolgt ein qualitativer Sprung und das Erlernen weiterer Fremdsprachen unterscheidet sich von dem der L2 in vielen Aspekten, da zum Zeitpunkt des Erwerbes einer zweiten Fremdsprache die Lernenden bereits eine Reihe von Erfahrungen gesammelt und Strategien entwickelt haben, über ihren Lerntyp Bescheid wissen und gelernt haben, mit Motivation und FLA (Foreign Language Anxiety) umzugehen. Nicht nur diese neurolinguistischen, kognitiven und emotionalen Aspekte beeinflussen den Spracherwerb, sondern auch die Lernumgebung, die Quantität und Qualität des Input und fremdsprachenspezifische Faktoren. Die Erfahrungen in der Lernumgebung sind ausschlaggebend für Einstellungen und Haltungen. Einen relevanten Beitrag leisten auch eine erweiterte Lebenserfahrung und Weltwissen, die beim Erlernen einer L3/Lx zum Tragen kommen. Die Lernenden kennen Phänomene der Sprachmischung bereits und können sich darauf einstellen, verfügen z.B. bereits über Strategien beim Vokabellernen (Hufeisen & Neuner 2003b: 9; Allgäuer-Hackl et al. 2015: 12). Diesem entscheidenden kognitiven und emotionalen Unterschied sollte beim L3-FSU Rechnung getragen werden. So könnten komplexere und anspruchsvollere Inhalte im Unterricht behandelt werden, da von einem beschleunigten Spracherwerbsprozess ausgegangen werden kann:

      Faktorenmodell Hufeisen 2010: 204

      4.4.2 Das DMM (Dynamic Model of Multilingualism)

      Das DMM ergänzt Hufeisens Faktorenmodell insofern als es einen Erklärungsversuch der Funktionsweise mehrsprachiger Sprachverarbeitungssysteme im Menschen anhand der Systemtheorie darstellt (Herdina & Jessner 2002). Dabei wird angenommen, dass sich bei mehrsprachigen Menschen ein einziges Sprachensystem entwickelt, das sich in seiner Gesamtheit durch äußere Einflüsse ändert, und dass diese Veränderungen nicht vorhersehbar sind. Dieser Prozess verursacht laut Jessner (Jessner 2004: 34) eine Reihe von Reaktionen, CLIN (Cross Linguistic Interacition) genannt. Darunter versteht Jessner alle Transfer- und Interferenzphänomene sowie Code-switching, Borrowing, Translanguaging. Das Erkennen und Sich-zunutze-machen „interlingualer sprachlicher Einheiten, Kontraste und Regularitäten“ (Morkötter 2004: 31), der metakognitive translinguale Transfer / CLIN (Cross Linguistic Interaction) ist zwar selbstgesteuert und weitgehend unbewusst (vgl. Cenoz et al. 2001; De Angelis 2005; Hammarberg 2009; De Angelis & Dewaele 2011; Ringdom 2011; Wunder 2011; Vidgren 2013), kann jedoch durch Bewusstmachung konstituierender Teil der MKK werden, da dadurch Ressourcen und Strategien zur Bewältigung komplexer mehrsprachiger kommunikativer Situationen verfügbar gemacht werden. Normabweichungen sind in diesem Falle Zeichen eines kreativen Umgangs mit Sprache und Beweis für sprachübergreifende und -vergleichende Hypothesenbildungen. Im Unterschied zu Kecskes/Papp (Kecskes & Papp 2000: XVI, 38), die von Überlappungen der Sprachsysteme sprechen, geht Jessner einen Schritt weiter, indem sie folgende Hypothese aufstellt:

      DST theory presupposes a complete metamorphosis of the system involved and not merely an overlap between two subsystems. If this is applied to multilingual development, it means that the interaction between the three systems results in different abilities and skills that the learners due to their prior language learning experience. In other words as part of the M-factor [Multilingual Factor, Anmerkung vom Autor] third language learners develop, for instance, an enhanced level of metalinguistic awareness and metacognitive strategies which considerably contribute to the quality of CLIN in multilinguals. (Jessner 2004: 35)

      Sprachen bilden demnach ein einziges dynamisches System mit dem Ziel, sich selbst zu erhalten. Um diese Aufrechterhaltung zu gewährleisten, bedarf es eines erheblichen Aufwandes. Diese sog. Maintenance-Leistung und der dafür nötige erhöhte Energieaufwand führen im mehrsprachigen System zu einem erweiterten metasprachlichen Bewusstsein. Ein wichtiger Aspekt dieses metasprachlichen Bewusstseins ist die erweiterte sprachvernetzte Wortsuche, bei der in zunehmendem Maße auf prozedurales und deklaratives Wissen auf L2 und Ln zurückgegriffen wird, L1 hingegen verliert seine Rolle als ausschließliche Transfersprache, was darauf zurückzuführen ist, dass L1 und L2 unterschiedlich erworben worden sind (vgl. vorhergehendes Kapitel). Fehlererkennung und Analyse im grammatischen Bereich sind bei mehrsprachigen SprecherInnen viel effektiver und zielführender (vgl. Gibson & Hufeisen 2003; Bialystok 2001). Außerdem neigen laut Jessner erfahrene SprachenlernerInnen zu größerer Risikobereitschaft beim Sprachvergleich und Inferieren von Kognaten, da sie über eine erhöhte kognitive Kontrolle ihrer Sprachverarbeitungsprozesse verfügen. Auch in diesem Fall besteht Verbindung zum Sprachniveau. Cenoz postuliert unterschiedliche Sprachbewusstseinsniveaus, die sich auf die Organisation des mentalen mehrsprachigen Lexikons auswirken (vgl. Cenoz 2001, 2003). Eng mit CLIN und metasprachlichem Bewusstsein verbunden sind laut Jessner die sog. mehrsprachigen Kompensationsstrategien (Multilingual Compensatory Strategies, Jessner 2004: 87).

      Zu diesen Strategien gehören laut Poulisse Sprachenwechsel (Code-mixing), wörtliche Übersetzungen, Verfremdung, Beschreibung, Suche nach bedeutungsähnlichen Wörtern und Lehnübersetzungen. Dabei wechseln die Lernenden zu einem sog. Metamode (Jessner 2004: 89; De Angelis & Selinker 2001), in dem die Sprachproduktion ständig monitorisiert und analysiert


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