Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela MayrЧитать онлайн книгу.
erweitert (Garcìa & Kleyn 2016a/b; Garcìa 2014; Cenoz & Gorter 2015). Translanguaging setzt voraus, dass die Sprachen mehrsprachiger Sprecher keine getrennten Systeme sind. Mehrsprachige Sprecher wählen hoch flexibel Aspekte der einen oder anderen Sprache aus, um angemessen und effektiv zu kommunizieren (Velasco & Garcìa 2014). Es gibt demzufolge einen graduellen Unterschied zwischen CS und TL. Bei CS wird angenommen, dass die Sprachsysteme zwar vernetzt sind, aber sich nicht vollständig überlappen. TS setzt hingegen ein einziges mehrsprachiges Sprachensystem voraus (Álvarez et al. 2015: 65). TL gehört zum sprachlichen Repertoire zwei- bzw. mehrsprachiger Menschen und kann je nach Umfeld und Intention eingesetzt werden.
4.5.3 Translanguaging
Translanguaging1 wird von Busch als die Fähigkeit definiert, vorgelernte kommunikative Kompetenzen zu nutzen und miteinander zu vernetzen, um (neue) Bedeutung zu schaffen. Dabei ist die Bedeutungsgebung abhängig vom kommunikativen Kontext und von der Intention der Sprecher. Es werden dadurch Räume geschaffen für Kreativität und persönlichen Umgang mit Sprachstrukturen und Bedeutung. Gleichzeitig setzt diese Form der Sprachpraxis kritisches Hinterfragen des vorgelernten Welt- und Sprachwissen voraus. Denn will man mit Normen und Regeln frei umgehen, vielleicht sogar sich darüber hinwegsetzen, so müssen diese Normen, Regeln und Bedeutungen erst einmal erkannt, kritisch beleuchtet und hinterfragt werden (Busch 2013: 58; Li Wei 2011).
Für Aronin & Singleton und Hornberger & Link (Aronin & Singleton 2012: 154; Hornberger & Link 2012: 265) bedeutet TL, sich zwischen Sprachstrukturen und Bedeutungen zu bewegen, aber auch jenseits derselben. Durch TL werden soziale Räume geschaffen, in denen Mehrsprachigkeit ihre verschiedenen Dimensionen, Erfahrungen und Haltung in einer abgestimmten und in sich schlüssigen und sinnvollen Ausführung ausdrücken kann. Es handelt sich daher also keineswegs um Sprachvermischung oder fehlende Sprachdifferenzierung (Aronin & Singledon 2012: 154), sondern um eine Ressource, eine Kompetenz, durch die mehrsprachige Sprechende fähig sind, in einem Prozess der ständigen Entscheidungsfindung mehrsprachige Mittel einzusetzen, um spezifische kommunikative Wirkungen zu erreichen. Folglich setzt TL ein hohes Maß an Sprachsensibilität voraus, einhergehend mit einem höchst differenzierten Wissen um Sprachstrukturen und deren Anwendung (Garcia & Wei 2014: 89).
Im Translanguaging werden z.T. völlig heterogene sprachliche Elemente zusammengebracht, in ihrer Funktion entfremdet und einem neuen Bedeutungsfeld zugeordnet. In der aktiven Sprachproduktion kann das vom einfachen Zitat bin hin zur ironischen bzw. parodierenden Distanzierung gegenüber geläufigen sozialen oder ethnischen Annahmen führen. Stereotypen und Kategorisierungen aller Art werden translingual leichter aufgeworfen und thematisiert und auch auf sprachlicher und diskursiver Ebene hinterfragt. Dadurch kann das Subjekt sich laut Bausch selbst positionieren in einem mehrsprachigem sozial markierten Umfeld. Durch TL nutzt es die vielfältigen sprachlichen Ressourcen, die ihm zur Verfügung stehen, um Identität zu konstruieren (Busch 2013: 59).
Das Fluktuieren zwischen den Sprachen kann durch ein gezieltes Unterrichtsdesign gefördert werden, um das metasprachliche Bewusstsein zu steigern. Es entspricht dem natürlichen Sprachverhalten im Alltag und ermöglicht es den Lernenden, eine Verbindung zwischen der sozio-kulturellen Gemeinschaft und sprachlichen Domänen herzustellen. Mit anderen Worten: Es werden Haltungen verändert und Lernende können sich so auch im Klassenzimmer durch natürlichere Umgangsformen im Umgang mit einer polyglotten und transkulturellen Realität üben. Guerra spricht in diesem Zusammenhang von Transcultural Repositioning, der Fähigkeit also, sich zwischen Sprachen, Dialekten, unterschiedlichen sozialen Diskursen und auch künstlerischen Ausdrucksformen ohne Anstrengung bewegen zu können. Dieses Transcultural Repositioning kann in der heutigen Gesellschaft, die Guerra als „fluid and hybridized“ bezeichnet (Guerra 2004: 15), als Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kommunikation und des sich Positionierens des Individuums in seiner Einzigartigkeit in einer Welt der Perspektivenvielfalt, in der die Grenzen unterschiedlicher Denkweisen aufgebrochen werden, angesehen werden (ibid.: 8). Diese wichtige strategische Fähigkeit kann zu MMK gezählt werden, sie setzt eine rhetorische Geschicklichkeit voraus, die im Unterricht zu vermitteln dringend vonnöten ist.
Damit CS und TL im Unterricht einen zentralen Platz einnehmen können, bedarf es laut Dewaele (Dewaele 2010: 222) interaktionaler Unterrichtssettings, die Gelegenheiten für weitgehend unkontrollierte Sprachproduktion bieten. Laut Dewaele steigt die Häufigkeit von CS und TL in solchen Situationen erheblich und bietet den Lernenden die Möglichkeit, Versuche zu unternehmen, sich über ihr aktuelles Sprachkompetenzniveau hinaus zu wagen und neue Wege zu beschreiten, da hier die Korrektheit zugunsten von kommunikativen Anforderungen zurücktritt. Als besonders geeignet angesehen werden Aushandlungsprozesse, in denen Lernende zusammenarbeiten und Bedeutung aushandeln. Bedeutungskonstruktion kann so mehrsprachig und sprachübergreifend erfolgen (Bono 2011a: 32; Bono & Melo-Pfeifer 2011b: 293). Dabei spielen kontextuelle Faktoren wie Sprachkompetenz, empfundene Emotionalität des Gespräches, Intention der Sprechenden und Autorität und Prestige der einzelnen Sprachen eine nicht minder wichtige Rolle (vgl. Pavlenko 2005: 147).
4.5.4 Code-mixing
Unter Code-mixing versteht man, wie bereits erwähnt, den intrasententiellen Sprachwechsel nach L1. Dabei werden einzelne Wörter übersetzt, die gerade in L2/Lx nicht abrufbar sind. Es kommt in sprachlich heterogenen Gruppen vor, die eine gemeinsame sprachliche Herkunft haben. Es kommt immer dann zum Einsatz, wenn im Prozess des Erlernens einer Sprache im mündlichen Ausdruck grammatikalische Wendungen oder einzelne Wörter aus L1 herangezogen werden, um eine vorübergehende Ausdrucksunfähigkeit in L2/Lx zu überbrücken. Aus diesem Grund kann CM als wichtige Strategie im Fremdsprachenerwerb betrachtet werden. Denn dadurch ist es den Lernenden möglich, ohne Unterbrechungen und komplizierte Umschreibungen den fremdsprachigen Diskurs fortzuführen. Außerdem übernimmt CM häufig eine Scaffolding-Funktion, da es vielfach die Lernenden erst zu einem komplexen fremdsprachigen Diskurs befähigt. Die Häufigkeit von CM hängt vom Kompetenzniveau der Lernenden ab. Das bedeutet, dass mit steigendem Kompetenzniveau sich das CM von selbst reduziert (Muysken 2000).
4.6 MKK und Emotion
Laut Pavlenko (Pavlenko 2005: 81) werden Emotionen als durch Erfahrung erworbene und innerhalb einer bestimmten Sprache und Kultur kodifizierte Momente bezeichnet, die als autobiographische Erinnerung festgehalten werden und – mit bestimmten somatischen Zuständen verbunden – im limbischen System und insbesondere in der Amygdala und in der vorderen Cyngulate Gyrus gespeichert werden. Daraus ergeben sich Handlungsmuster/ Scripts, die im prozeduralen Gedächtnis verankert bleiben (vgl. Damasio 1994, 2003).
Die enge Verbindung zwischen Emotion und Sprache wurde zuerst von Weinreich untersucht, der feststellt, dass zweisprachige Menschen unterschiedliche Gefühlsbindungen zu den verschiedenen Sprachen ihrer Repertoires haben. Im Falle von Migration ist die emotionale Komponente von Sprachproduktion besonders relevant. Die Sprache des Gastlandes ist mit anderen Gefühlen als die Erstsprache behaftet, was zu Konfliktsituationen und zur Unterdrückung einer der beiden Sprachen führen kann, meistens ist es die Herkunftssprache wegen ihres geringen sozialen Stellenwertes (Weinreich 1953; vgl. auch Middleton 1989). Der Begriff der Sprachloyalität kommt in diesem Zusammenhang laut Pavlenko (Pavlenko 2005: 36) zum Tragen, da es loyalitätsbedingt zu Resistenzen im Transfer kommen, welche sich wiederum hemmend auf jeden weiteren Spracherwerb auswirken können.
4.6.1 Sprachen erfassen Emotionen unterschiedlich
Sprachen erfassen Emotionen unterschiedlich und es gibt große Differenzen in der Bandbreite der Beschreibungen emotionaler Zuständen. Gemeinhin wird nicht davon ausgegangen, dass kulturbedingt durch Emotionen hervorgerufene körperliche Reaktionen einfach ausfallen, sondern dass diese in sehr unterschiedliche Auffassungen von inneren Zuständen und deren Bedeutung übersetzt werden (Pavlenko 2005: 88). Angesichts dieser zwischensprachlichen Unterschiede liegt die Annahme nahe, dass zwei- bzw. mehrsprachige Menschen eine Vielfalt von Emotionsdefinitionen in ihrem mentalen Lexikon zur Verfügung haben, die sich auf ihr emotionales Leben auswirken (ibid.: 92). Außerdem stehen ihnen in der Konstruktion des Diskurses inner- und zwischensprachliche Ausdrucksmittel zur Verfügung,