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Schreibkompetenzen in der Fremdsprache
Bettina Akukwe / Rüdiger Grotjahn / Stefan Schipolowski
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-8233-0059-5
1 Kompetenzorientiertes Schreiben als Teil modernen Fremdsprachenunterrichts
Bettina Akukwe, Rüdiger Grotjahn & Stefan Schipolowski
Spätestens mit Verabschiedung der BildungsstandardsBildungsstandards für die erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss im Jahr 2003 (KMK, 2004a) hat kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht in allgemeinbildenden Schulen mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Insbesondere wird auch die Förderung der Teilkompetenzen HörverstehenHörverstehen und SprechenSprechen mittlerweile verstärkt in den Unterricht integriert. Das Schreiben von Texten in der Fremdsprache stellte dagegen schon immer einen wichtigen Bestandteil des Sprachenlernens in der Schule dar, jedoch lag der Fokus des Schulunterrichts bis vor wenigen Jahren zumeist auf der korrekten Verwendung der Sprache und weniger auf der Erfüllung der kommunikativen Absicht. In Schulleistungsuntersuchungen wie dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) oder dem IQBIQB-BildungstrendLändervergleich/Bildungstrend werden im Fremdsprachenbereich – auch aufgrund des damit verbundenen hohen Aufwandes – die produktiven KompetenzenKompetenzproduktiv bisher nur selten getestet – trotz ihrer Bedeutung für einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht. Jones & Seville machen die Bedeutung gerade auch des Lehrens und Testens der produktiven KompetenzenKompetenzproduktiv deutlich:
In the classroom or the real world the impression of a learner’s overall proficiency level is undoubtedly based primarily on the performance skills – precisely because they are directly apprehended productive skills – rather than the indirectly apprehended receptive skills of reading and listening. This suggests that the performance skills are a more relevant, practical and meaningful target for aligning judgements of level across classroom and large scale assessmentassessment… (Jones & Saville, 2016, S. 74)
Mit der Einführung von verbindlichen Standards im Rahmen eines kompetenzorientierten Unterrichts geht es nicht mehr in erster Linie um die Kenntnis von Fakten und Zusammenhängen, sondern vor allem um Handlungsfähigkeit. Kompetenzorientierter Unterricht geht hierbei einher mit einer lernorientierten Leistungsbeurteilung (learning-orientedassessmentlearning-oriented assessment), die den Fokus nicht nur auf den reinen Output legt, sondern auch den Lernprozess berücksichtigt, der durch Feedback und WeiterarbeitWeiterarbeit konstruktiv gestaltet wird. Für eine lernorientierte Leistungsbeurteilung müssen bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden, z.B. ein angenehmes Klassenklima, motivierende Unterrichtsinhalte, didaktische und fachliche KompetenzKompetenz der Lehrkraft sowie eine positive Unterrichtsinteraktion, die sich beispielsweise durch gezieltes Nachfragen und unmittelbares respektvolles Feedback auszeichnet (Turner & Purpura, 2016). Die Leistungsbeurteilung erfolgt in der Regel mithilfe von mehr oder minder authentischen AufgabenAufgaben (task-basedassessmenttask-based assessment). Wichtig ist hierbei, dass verschiedene Aufgaben zur Auswahl gestellt werden, sodass sich Lernende entsprechend ihrem KompetenzniveauKompetenzniveau für sie passende Aufgabenstellungen auswählen können. Alternativ kann ein Input mit adäquater ArbeitsanweisungAufgabenArbeitsanweisung gewählt werden, der von Lernenden unterschiedlicher Leistungsniveaus bearbeitet werden kann. Für den Kompetenzbereich Schreiben könnte dies beispielsweise ein Foto von einer Person sein, deren Porträt beschrieben werden soll, oder es wird eine Szene dargestellt, zu der eine Handlung beschrieben werden soll. Hier ist nicht nur die Kreativität der Lernenden gefragt, sondern es wird zugleich das Niveau der Aufgabenbearbeitung durch die Lernenden bestimmt.
Neben der stärkeren KompetenzorientierungKompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht wurde in den zurückliegenden Jahren in verschiedenen Ländern das Schulsystem hin zu einem Zwei-Säulen-Modell und einer größeren Durchlässigkeit reformiert. Infolge dieser Reformen sowie der Bemühungen um eine Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarfsonderpädagogischer Förderbedarf entstehen immer heterogenere Klassenzusammensetzungen, die Unterrichtsmaterialien voraussetzen, die die Lernenden auf ihrem individuellen Niveau fordern und fördern. Dies stellt Lehrkräfte vor die Herausforderung, kompetenzorientierte AufgabenAufgaben zu erstellen, die trotz sehr unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen von der jeweiligen LerngruppeLerngruppe bearbeitet werden können.
Der vorliegende Band zeigt Möglichkeiten und Wege, um Schreibkompetenzen unter Berücksichtigung verschiedener Voraussetzungen zu überprüfen. Er beinhaltet eine Vielzahl an Beispielaufgaben und Benchmark-Texten (Leistungsbeispiele) aus Aufgabenerprobungen mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 8 und 9. In Abgrenzung zu vielen anderen Publikationen werden auch die Rahmenbedingungen und Kontexte für die Evaluation von Schreibkompetenzen relativ ausführlich thematisiert. Des Weiteren ist der Band im Gegensatz zu vielen anderen Handbüchern zur (Messung von) Schreibkompetenz konsequent aufgaben- und kompetenzorientiert.
Der vorliegende Band ist so gestaltet, dass Lehrkräfte, Fortbildnerinnen und Fortbildner, Studierende und Fachdidaktikerinnen und -didaktiker die Zielgruppe bilden. Dabei sind die Ausführungen nicht sprachspezifisch, sondern können von allen Personen, die Fremdsprachen (inklusive Deutsch als Fremdsprache) lehren oder lernen, sinnvoll genutzt werden. Die Illustration erfolgt anhand von Beispielen für die Fächer Englisch und Französisch.
1.1 Evaluation und Lehrerkompetenz
In Deutschland haben Lehrkräfte einer Fremdsprache in der Regel einen engeren Bezug zu standardisierter Evaluation und zum Testen als Vertreterinnen und Vertreter anderer Fächer. Bedingt durch die Globalisierung und die moderne Arbeitswelt steigt im Kontext des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen auch die Bedeutung formaler Qualifikationsnachweise z.B. in Form des Diplôme d’Études en langue française (DELF) oder des Test of English as a Foreign Language (TOEFL). In diesem Zusammenhang hält die Vorbereitung und Durchführung entsprechender Zertifikatsprüfungen auch immer stärker Einzug in den Bereich der allgemeinbildenden Schulen. Allerdings genügen die regulären LehrwerkeLehrwerke für die Fremdsprachen oft nicht den Anforderungen, Lernende auf kompetenzorientierte TestsEvaluationkompetenzorientiert vorzubereiten, sondern folgen eher einer inhaltlichen oder sprachlichen Progression. Lehrkräfte stehen somit vor der Herausforderung, Unterrichtsmaterialien selbstständig entwickeln zu müssen. Dies erfordert Kompetenzen, die Lehrkräfte in dieser Form ggf. noch nicht erwerben konnten. Aktuelle internationale Studien zeigen: Auf Gebieten wie TestspezifikationenTestspezifikation, Testtheorie, Leistungsbeurteilung der eigenen Klasse, Kriterienerstellung und Testbedingungen mangelt es vielen Lehrkräften noch an notwendigen Kompetenzen (Jeong, 2013).
International ist der Trend zur stärkeren Förderung diagnostischer KompetenzKompetenzdiagnostisch von Lehrkräften für eine (Fremd-)Sprache unter dem Schlagwort language assessment literacyassessmentassessment literacy schon länger festzustellen, wie u.a. Harding & Kremmel (2016) in einer aktuellen Publikation darstellen. Taylor (2013, S. 410) fasst die für Sprachlehrkräfte, Testautorinnen und Testautoren, universitäre Testadministratorinnen und Testadministratoren sowie für professionelle Sprachtesterinnen und Sprachtester relevantesten Kompetenzbereiche wie folgt zusammen:
Sprachpädagogik;
soziokulturelle Werte;
lokaler Kontext;
persönliche Überzeugungen/Einstellungen;