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Argumentation - Kati Hannken-Illjes


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sich auf eine Interaktionsform und kann weitestgehend mit Streit übersetzt werden. Innerhalb eines argument kann argumentiert werden, dies ist aber nicht notwendigerweise der Fall. Diesen Unterschied aufs Unterhaltsamste deutlich gemacht haben Monty Python mit dem Sketch „The argument clinic“. Das ist konzentrierte Argumentationstheorie.

      2.2.1.4 Argument1 und Argument2

      Drei Jahre später reagiert Daniel O’Keefe (1977) auf Brockriede mit seinem Vortrag „Two Concepts of Argument“. O’Keefe kritisiert Brockriede wegen der unklaren Begrifflichkeit, die sich durch die unterschiedlichen Bedeutungen von argument ergeben kann. O’Keefe führt eine Unterscheidung ein, die in der nicht-englischsprachigen Literatur nicht notwendig wäre, im angloamerikanischen Raum aber zu einer immer noch so benannten Unterscheidung in argument1 und argument2 führt. O’Keefe (1977) versteht unter argument1 „a kind of utterance or a sort of communicative act“ (S. 121). Dies entspricht damit dem Verständnis von Argumentation als BegründungshandelnBegründungshandeln. Argument2 auf der anderen Seite ist „a particular kind of interaction“ (S. 121), ein Verständnis, das vom deutschen Begriff Argumentation nicht abgedeckt ist. O’Keefe formuliert den Unterschied so: „An argument1 is something one person makes (or gives or presents or utters), while an argument2 is something two or more persons have (or engage in)“ (S. 121). Nun sind Streit und DissensDissens Kontexte, die Argumentation zu einem möglichen und vielleicht sogar erwartbaren, aber eben nicht notwendigen Verfahren machen. Diese Unterscheidung von O’Keefe ist vor allem im englischsprachigen Raum bis heute präsent.

      Interessant ist, dass O’Keefe Brockriede zwar kritisiert, aber auch anerkennt, dass die Begriffsverwirrung einem Perspektivwechsel auf Argumentation entstammt: einer Abwendung von Argumentation als logischem Schlussverfahren und einer Hinwendung zu sozialer Interaktion, in der Argumente ausgetauscht werden, in der argumentiert wird.

      2.2.2 Die drei Perspektiven auf Argumentation

      1980 dann schlägt Wenzel eine Dreiteilung des Argumentationsbegriffs vor: Argumentation lässt sich, so Wenzel, aus einer rhetorischen, dialektischen und logischen Perspektive betrachten. Er schließt mit diesem Konzept explizit an die Aufsätze von Brockriede (1975) und O’Keefe (1977) an, die er als Bemühungen sieht, die konzeptionelle und terminologische Unordnung innerhalb der Argumentationswissenschaft zu ordnen. Den Grund dieser Unordnung sieht Wenzel in der Wende in der Argumentationswissenschaft, weg von formal-logischen Auffassungen von Argumentation, hin zur Untersuchung natürlich-sprachlicher Argumentation, und damit weg von ent-situierten, konstruierten Beispielen hin zu Argumentation in sozialer Interaktion.

      Die Perspektiven in Wenzels Konzept – Logik, Dialektik, Rhetorik – korrespondieren wie beschrieben mit den Werken des Aristoteles, in denen er sich zur Argumentation äußert. Wenzel benennt diese drei Perspektiven als Prozess- (Rhetorik), Prozedur- (Dialektik) und Produkt- (Logik) Perspektive. Dabei handelt es sich nach Wenzel nicht um einander ausschließende Herangehensweisen, sondern um komplementäre Perspektiven, die abhängig sind vom Argumentationsverständnis und vor allem dem Erkenntnisinteresse der Forscherinnen. Die meisten Argumentationswissenschaftlerinnen werden Argumentation vorrangig aus einer Perspektive betrachten und bearbeiten, zugleich würden die meisten von ihnen aber zugestehen, dass alle drei Perspektiven nicht nur legitim sind, sondern ihre Kopplung und Integration produktiv sein kann, um Argumentation umfassend zu beschreiben und zu analysieren. Im Folgenden sollen diese drei Perspektiven näher dargestellt und am Beispiel der „Zwölf Geschworenen“ veranschaulicht werden. Die leitenden Fragen sind dabei für jede Perspektive:

      Was konstituiert ein Argument? (formaler Aspekt)

      Welche Funktion hat Argumentation? (funktionaler Aspekt)

      Was konstituiert Gültigkeit/Geltung? (Geltungsaspekt)

      2.3 Die logische Perspektive

      Logik betrachten viele Autorinnen als fundamental für Argumentation, als „grundlegenden Teil der Lehre von den Methoden, Prinzipien und Kriterien […], mit deren Hilfe man gute von schlechten Argumenten unterscheiden kann“ (Beckermann, 2011, S. 2). Und auch wenn die vorliegende Einführung in die Argumentation sich stärker auf die dialektische und vor allem die rhetorische Perspektive in der Argumentationswissenschaft konzentriert, so ist die Logik doch wichtiger Bestandteil jeder Form von Argumentationswissenschaft; nicht zuletzt, weil zentrale Begriffe, mit denen Argumente und Argumentation beschrieben werden, aus der Logik stammen.

      Die logische Perspektive thematisiert Argumentation aus einer Produktperspektive. Danach ist ein Argument eine Verbindung von Aussagen/Propositionen in der Weise, dass bestimmte Aussagen so verknüpft sind, dass sie eine weitere Aussage belegen können. Damit sieht eine logische Perspektive auf Argumentation auch vom Kontext ab, in dem argumentiert wird. Zudem werden Aussagen innerhalb formallogischer Argumentationstheorien von natürlicher Sprache in ein formales Zeichensystem übertragen.

      JUROR 8: Ich weiß nur, daß dieser Junge sein ganzes Leben herumgestoßen wurde. Er ist in einem Elendsviertel aufgewachsen, hat früh seine Mutter verloren. Damals war er neun Jahre alt. Für anderthalb Jahre hat man ihn in ein Waisenhaus gesteckt, weil sein Vater eine Gefängnisstrafe absitzen mußte. Wegen Scheckfälschung, stimmt’s? Ja, das ist kein gutes Sprungbrett fürs Leben. Wie sagten Sie noch – auf freier Wildbahn gegrast? Man hätte sich eben mehr um ihn kümmern sollen.

      JUROR 3: Unsere Waisenhäuser sind okay. Wir zahlen Steuern dafür.

      Dieses Beispiel ist in natürlicher Sprache formuliert. Das Argument lässt sich bereits identifizieren, steht aber noch in seinem Kontext. Eine Rekonstruktion in der dreistelligen Argumentform würde folgendermaßen aussehen:

      Übertragen in eine logische Formsprache könnten die Aussagen folgendermaßen ersetzt werden:

      Damit reduziert sich das natürlichsprachliche Argument auf eine Schlussformel, die dem Kontext des Gesprächs enthoben ist. Diese ließe sich folgendermaßen formulieren: Wenn p, dann q. p! Also q.

      Diese Umwandlung zeigt zwei Aspekte auf, die immer wieder an formallogischen Herangehensweisen kritisiert wurden. Zum einen entsteht durch die Übertragung von natürlicher in logische Sprache eine Reduzierung der Bedeutung. Aus potenziell vagen, mehrdeutigen Äußerungen werden eindeutige Zeichen. So steht q jetzt für die Äußerung „Waisenhäuser sind okay“. Schon diese Reduktion des ursprünglichen Textes ist nicht unproblematisch, mag in diesem Fall aber stimmig sein und ist angesichts der kurzen Äußerung wohl möglich (wobei das „unsere“ hier schon verschwunden ist und man sich streiten könnte, ob es nicht zum Argument dazugehört). Die Reduktion dieser Aussage nun auf „q“ wandelt etwas Mehrdeutiges (was genau heißt okay? Ist es das Gleiche wie gut? Oder gut genug? Und wer sind genau diese „wir“, die die Steuern zahlen? Alle im Raum? Alle Amerikaner? Alle guten Amerikaner?) in etwas Eindeutiges. Allerdings ist damit ein Einwand benannt, der nur bedingt trifft: Es geht an dieser Stelle der logischen Perspektive um die Beziehung zwischen den Aussagen, nicht um die Aussagen selbst. Hier setzt auch die nächste Kritik – möglicherweise dann nicht ganz zu Recht – an. Die logische Perspektive trifft keine Aussage über die WahrheitWahrheit oder WahrscheinlichkeitWahrscheinlichkeit der PrämissePrämissen, sondern nur über die Beziehung der PrämissePrämissen untereinander. Häufig ist es aber der Inhalt der Aussagen – in seiner Vagheit und Mehrdeutigkeit –, der die Probleme bereitet. So könnte Juror 8 hier entgegnen: Was meinen Sie denn mit okay? Die logische Perspektive kann Argumentation nicht in Bezug auf ihren Inhalt und die daraus resultierende Überzeugungskraft untersuchen und nimmt dies für sich auch nicht in Anspruch.

      Zur logischen Argumentationstheorie liegen eine Vielzahl von sehr guten Einführungen vor, so z.B. Bayer (2007), der auch AlltagsargumentationAlltagsargumentation in seine Überlegungen einbezieht, Bühler (1992), Tetens (2006) zur philosophischen Argumentation, Wolff (2006) oder Walter/Wenzl


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