Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
Lehramtsstudierenden im Laufe ihres Studiums ein fachspezifisches Professionswissen nun tatsächlich aufbauen sollen, um ihr Wissen später für den Unterricht zu nutzen. Aber genau das ist der erforderliche Fokus, um eine Studie zum Aufbau des Professionswissens der Lehramtsstudierenden während ihres Studiums durchzuführen.
In einem vorläufigen Fazit lässt sich festhalten, dass die Professionswissensforschung durch ihre sehr profunde und differenzierte Aufdeckung verschiedenster Dimensionen und Aspekte der professionellen Kompetenz von Lehrkräften den Zugang zu einer empirisch-quantitativen Erhebung von Professionswissensanteilen, die im Verlauf des Fach-Lehramtsstudiums erlangt werden, per se nicht erleichtert hat. Aus diesem Grund haben wir die Abstraktion eines auf die institutionellen Rahmenbedingungen beziehbaren Professionswissensanteils vorgeschlagen, ihn als fachspezifischen Kernkompetenzbereich beschrieben und versuchen, genau diesen zur Grundlage unserer empirischen Arbeit zu machen.
3.2 Die methodische Ausrichtung der ZeBiG-Studie
Das in Kiel begonnene Projekt zur Erforschung des Professionswissens von Studierenden geisteswissenschaftlicher Fächer stand von Anfang an unter der Prämisse, dass ein methodologisch enger Anschluss an die seit über zehn Jahren bestehende empirische Forschung zu Fragen der professionellen Kompetenz von Lehrkräften beibehalten wird. Unser konkretes wissenschaftliches Vorhaben begann Ende 2013 in der Gründungsphase des „Zentrums für empirische Bildungsforschung in den Geisteswissenschaften“ (ZeBiG) an der Universität Kiel in Zusammenarbeit mit dem dortigen Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN). Das Projekt bewegt sich in der Tradition des einschlägig bekannten Forschungsprogramms COACTIV, das in den Jahren 2003–2006 am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin unter der Leitung von Jürgen Baumert durchgeführt wurde und dessen Abschlussbericht seit 2011 in publizierter Form vorliegt (vgl. Kunter/Baumert/Blum/Klusmann/Krauss/Neubrand 2011). COACTIV geht in seiner grundsätzlichen Interpretation des Professionswissens von einem Modell aus, das Jürgen Baumert und Mareike Kunter 2006 vorgelegt haben und das seinerseits in der Tradition des programmatischen Beitrags Knowledge and Teaching. Foundations of the new reform von Lee S. Shulman (1987) steht.
Das Kompetenzmodell von COACTIV differenziert den Bereich des Professionswissens in fünf Teilbereiche, die ohne weitere Strukturbezüge nebeneinanderstehen. Im Einzelnen werden genannt:
1) Fachwissen
2) pädagogisches Wissen
3) fachdidaktisches Wissen
4) Organisationswissen
5) Beratungswissen
Abbildung 2 Kompetenzmodell von COACTIV (in Anlehnung an Baumert/Kunter 2006: 482).
Es handelt sich bei dieser Aufteilung stärker um den Leitgedanken der theoretischen Separierung als um den Versuch, Strukturzusammenhänge innerhalb des Professionswissensbereichs darzustellen. Kunter/Trautwein (2013: 147) erweitern diese Ausdifferenzierungsvorschläge in einem aktuelleren Modell sogar noch auf alle anderen Aspekte der professionellen Kompetenz.
Es ist aber ein bis heute bestehendes Desiderat, als Grundlage konkreter empirischer Forschungsvorhaben auf Aspekte der Teilkompetenzen hinzuweisen, die ihrerseits Strukturzusammenhänge hervorheben. Diesem Ansatz entspricht der hier skizzierte Versuch. Während in der COACTIV-Studie noch separate Befragungsinstumentarien für die unterschiedlichen Teilwissensbereiche erhoben wurden, sind wir im ZeBiG darum bemüht, im Sinne der bislang vorgestellten Überlegungen einen Erhebungsweg und ein Messinstrument zu entwickeln, das insbesondere die Verbindung von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen im Rahmen einer kombinierten Befragung zu ermitteln versucht. Im Anschluss an die von Shulman geprägte englischsprachige Begrifflichkeit versuchen wir also, die Schnittmenge von Content Knowledge (CK) und Pedagogical Content Knowledge (PCK) beim Aufbau des Professionswissens angehender Spanischlehrerinnen und -lehrer zu bestimmen. Dabei beziehen wir uns ausschließlich auf die erste, traditionell als fachwissenschaftlich qualifizierte Ausbildungsphase in der Lehramtsausbildung, die universitär verortet ist – was sogar auch für die Verantwortlichkeit der in diese Phase integrierten schulpraktischen Studien gilt.
4 Zum Forschungsstand in der empirischen Professionsforschung
Das ZeBiG-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, das professionelle Wissen angehender Lehrkräfte in den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen Theologie, Germanistik und Romanistik empirisch überprüfbar zu machen. Zu diesem Zweck wird in den drei genannten Fächern jeweils ein Messinstrument entwickelt, das im Sinne der Gütekriterien Reliabilität, Objektivität und Validität den gängigen Konstruktionsparametern entspricht.
Im Einzelnen will die Professionalisierungsstudie des ZeBiG den folgenden Fragen nachgehen: Wie ist das Professionswissen angehender Lehrkräfte strukturiert? Entspricht das an den Universitäten vermittelte Wissen, also der Ist-Zustand, dem Soll-Zustand? Wann und unter welchen Bedingungen wird das Professionswissen im Verlauf des Studiums erworben? Inwieweit sind das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen zwei voneinander getrennte Wissensbereiche oder kann man von einer Verknüpfung beider Bereiche ausgehen?
Der sich anschließende Abschnitt soll die einzelnen Schritte und die damit verbundenen Herausforderungen in Bezug auf die Konstruktion des Messinstruments im Fach Spanisch veranschaulichen. Im Zentrum der Untersuchungen stehen zunächst die Spanischlehrkräfte, wobei in einigen ausgewählten Teilbereichen eine Übertragung auf die Erforschung des Professionswissens anderer angehender Fremdsprachenlehrkräfte, insbesondere auch derjenigen weiterer romanischer Sprachen, denkbar ist.
4.1 Der Forschungsstand zur Professionsforschung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern
Nachdem sich die empirische Bildungsforschung in ihren Anfängen vordergründig mit der Messung von Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern auseinandergesetzt hat, rückten in den letzten Jahren nach und nach die Kompetenzen der Lehrkräfte in den Fokus. Man hat sich vermehrt die Frage gestellt, über welche Kompetenzen die Lehrerinnen und Lehrer im Schulsystem verfügen sollten, um die Schülerkompetenzen angemessen zu diagnostizieren und die Schülerinnen und Schüler möglichst effektiv zu fördern. Bisher wurde jedoch insbesondere das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen (künftiger) Lehrkräfte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer in den Blick genommen. Mit Hilfe empirischer Messverfahren wurde das Professionswissen Studierender der Mathematik bzw. der Naturwissenschaften in einigen größeren Studien erhoben. Zwei dieser Studien sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden, da diese einer ähnlichen theoretischen Grundlage und einer vergleichbaren methodischen Vorgehensweise folgen wie die Studie des ZeBiG. Es handelt sich dabei zum einen um die COACTIV-Studie, deren Fokus auf dem Fach Mathematik lag. Das zweite hier kurz vorzustellende Forschungsprojekt nennt sich KiL (http://www.ipn.uni-kiel.de/de/forschung/projekte/kil), welches nicht nur Messinstrumente für das Fach Mathematik, sondern in Erweiterung auch für die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie und Chemie entwickelt hat.
Das Forschungsprogramm COACTIV untersucht seinem Selbstverständnis nach das Professionswissen von Lehrkräften im Rahmen eines kognitiv aktivierenden Mathematikunterrichts mit dem Ziel der Entwicklung mathematischer Kompetenz bei den Schülern. Dabei ist die Analyse der Genese, Struktur und Handlungsrelevanz professioneller Kompetenz von Lehrkräften als zentrale Aufgabe definiert. Die theoretische Grundlage der Studie ist das von den Verantwortlichen des Programms selbst entwickelte Kompetenzmodell, welches das Professionswissen von Mathematiklehrkräften auf der Grundlage der von Shulman entwickelten Taxonomie des Lehrerwissens und ihrer Erweiterung durch Rainer Bromme in Abhängigkeit von den professionellen Kompetenzen Motivation, Selbstregulation und Überzeugungen darstellt (vgl. hierzu Frey 2014: 716f. u. 719–721). COACTIV hat das fachabhängige Professionswissen von Mathematiklehrkräften in zwei unterschiedlichen Hauptstudien und diversen Ergänzungsstudien gemessen. In der ersten Hauptstudie in den Jahren 2003 und 2004 wurden in Ergänzung zur PISA-Studie bereits ausgebildete