Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
bieten.
In der Fremdsprachenforschung waren empirische Studien zum Wissen und Können von Lehrenden bisher vor allem dem explorativ-qualitativen Forschungsparadigma verpflichtet (z.B. Appel 2000; Schocker-von Ditfurth 2001; Zibelius 2015). Ihnen treten erst in jüngster Zeit Arbeiten mit einem quantitativen Zugang gegenüber (Roters/Trautmann 2014 mit Überblick). Diese knüpfen an die umfangreichen Vorleistungen an, die zum Schulfach Mathematik in Studien wie COACTIV, TEDS-M und MT21 erbracht wurden (Überblick bei König 2014: 625). Die augenfällige Konzentration auf den mathematischen Bereich erscheint naheliegend, handelt es sich doch – gerade im Vergleich zu den Fremdsprachen – um ein vergleichsweise gut konturiertes Wissens- und Fertigkeitsgebiet. Die für Testverfahren notwendige Operationalisierung der Wissensdomänen fällt dadurch leichter als bei den fremdsprachlichen Fächern mit ihrer deutlich stärkeren Differenzierung (z.B. in Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Kulturstudien, Fachdidaktik, Sprachpraxis).
Für angehende Mathematiklehrkräfte konnte gezeigt werden, dass sich die theoretische Unterscheidung von mathematischem und mathematikdidaktischem Wissen auch empirisch dokumentieren lässt und beide Domänen – zumindest in Deutschland – zugleich einen hohen Zusammenhang aufweisen (Blömeke 2011:8f). Ermutigt von solchen vielversprechenden Ergebnissen lässt sich in den letzten Jahren beobachten, wie der quantitative Forschungsansatz auch im Umfeld des Fremdsprachenunterrichts allmählich mehr Beachtung findet und sich die „dürftige Forschungslage“ (Roters u.a. 2013: 156) zu verbessern beginnt.
Eine wegweisende Rolle kommt dabei zweifelsohne der TEDS-LT-Studie zu (Teacher Education and Development Study – Learning to Teach, Blömeke u.a. 2011; Blömeke u.a. 2013; Roters u.a. 2013). Sie führte zu der Erkenntnis, dass für das Fachwissen von angehenden Englischlehrenden Subdimensionen bedeutsam sind, die eher gering korrelieren. Angesichts der bereits erwähnten Heterogenität dessen, was man in den fremdsprachlichen Fächern als Fachwissen bezeichnen kann, ein nicht unerwarteter Befund. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass im Unterschied zum Fach Mathematik der Zusammenhang von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen deutlich schwächer ausfällt. Letzteres steht stattdessen eher mit dem pädagogischen Wissen in Verbindung. Die von Voss u.a. (2015: 214) geäußerten Zweifel daran, dass das pädagogische Wissen tatsächlich fächerübergreifend konzeptualisiert werden kann, erscheinen demnach gerade vor dem Hintergrund der Fremdsprachendidaktik mit ihrer eigenständigen Forschungstradition zu wichtigen pädagogischen Aspekten wie Lehr- und Lernmethoden, Unterrichtsinteraktion oder Lernbiografien berechtigt.
Es spricht einiges dafür, dass die Erforschung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden fachspezifische Herangehensweisen erfordert und gleich mehrere Arbeiten im vorliegenden Band widmen sich dieser Aufgabe. Während sich die Studien von Kirchhoff und Hoinkes/Weigand in ihrem Design an quantitativen Vorarbeiten orientieren, verfolgen Diener und Gießler qualitativ-interpretative Ansätze, um die Entwicklung des professionellen Wissens im Verlauf der Ausbildung zu erfassen.
Sowohl Kirchhoff als auch Hoinkes/Weigand setzen sich mit dem Problem einer angemessenen Gestaltung von Testitems angesichts der spezifischen Struktur von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in den Fremdsprachen auseinander. Und beide Arbeiten thematisieren im Besonderen die Verknüpfung dieser Wissensdomänen. Kirchhoffs Beitrag ist im Kontext der Studie FALKO-E verortet, einem Populationstest, in dem Fallvignetten zum Einsatz kommen. Auf diese Weise soll über das deklarative Wissen hinaus auch die Entwicklung des Erfahrungswissens im Verlauf des Professionalisierungsprozesses im Lehrberuf nachgezeichnet werden. Hoinkes/Weigand hingegen widmen sich im Rahmen der ZeBiG-Studie der Frage, mit welchen Messinstrumenten die Schnittmenge von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen beim Aufbau des Professionswissens angehender Lehrender für das Fach Spanisch bestimmt werden kann. Am Beispiel der Bedeutung linguistischen Fachwissens für die Förderung der Sprachkompetenz veranschaulichen sie den komplexen Prozess der Item-Bildung.
Mit der Kompetenzentwicklung in lokalen hochschuldidaktischen Kontexten beschäftigen sich Gießler und Diener. In beiden Studien werden die Lernfortschritte von Lehramtsstudierenden im Verlauf eines Ausbildungsabschnittes dokumentiert. Dafür entwickeln Gießler und Diener spezielle Lehreinheiten. Bei Gießlers Mehrfachfallstudie fertigen Studierende zu verschiedenen Zeitpunkten eines fachdidaktischen Seminars schriftliche Analysen zu Unterrichtsvideos an. Die Lehrkompetenz wird in dieser Studie über die stellvertretende Einschätzung von Unterricht erfasst. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Fähigkeit der Studierenden, alternative Handlungsoptionen für konkrete unterrichtliche Situationen zu benennen und zu begründen. Auch Diener verfolgt mit ihrer Lehreinheit das Ziel, die professionelle Unterrichtswahrnehmung von Lehramtsstudierenden zu fördern. Ihr Forschungsinteresse richtet sich dabei vor allem auf die Frage, wie deklarative Wissensbestände in die Kompetenz einfließen, Lehr- und Lernsituationen anhand wichtiger Kriterien wie Klarheit, Strukturiertheit oder Angemessenheit zu beurteilen.
Gemeinsam ist den vier Beiträgen, dass sie sehr anschaulich darstellen, welche Probleme es bei der empirischen Erforschung des Professionswissens von Lehrenden zu lösen gilt. Zugleich lässt sich an ihnen beispielhaft nachvollziehen, wie unterschiedlich die Kompetenzen angehender und praktizierender Fremdsprachenlehrender aus qualitativ-interpretativer und quantitativ-statistischer Perspektive konzeptionell gefasst und operationalisiert werden. Für die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes wäre es zweifellos von Vorteil, beide Herangehensweisen verstärkt in gemischten Designs zusammenzuführen. Quantitative Verfahren sind unentbehrlich, um Muster, Tendenzen oder Unterschiede in großen Datensätzen aufzudecken. Um jedoch deren Entstehen nachzuvollziehen, bedarf es tieferer Einblicke in individuelle Lernprozesse.
Die Notwendigkeit der Kombination von Forschungsinstrumenten und Analyseverfahren wird auch von einem weiteren wichtigen Ergebnis der TEDS-LT-Studie unterstrichen: In allen Facetten des Professionswissens von Englischlehramtsstudierenden, den fachdidaktischen und den fachwissenschaftlichen, hat der Standort einen hochsignifikanten Einfluss auf die erreichten Leistungen (Blömeke 2013: 14).
Wie jede Form von Unterricht ist auch die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden untrennbar an die lokalen Bedingungen gebunden, unter denen sie stattfindet (siehe dazu auch König/Klemenz 2015). Auf die zentrale Bedeutung des Kontextes werden wir daher im Folgenden immer wieder zurückkommen.
2.2 Rahmenmodell
Das Professionswissen von Lehrenden auf der Grundlage empirischer Daten zu kategorisieren, seine Herausbildung zu verstehen, Einflussgrößen zu identifizieren und schließlich seine Wirkung im unterrichtlichen Handeln zu erhellen, halten wir für Aufgaben, denen sich die Fremdsprachenforschung in den kommenden Jahren intensiver als bisher zuwenden sollte. Die methodologischen und methodischen Herausforderungen sind dabei jedoch beachtlich. So muss man beispielsweise die Kritik von Neuweg (2014) ernst nehmen, der die Möglichkeit einer klaren Abgrenzung unterschiedlicher Wissensbereiche grundsätzlich hinterfragt. Die Durchdringung des Fachwissens zeigt sich für ihn gerade in der Fähigkeit, diese didaktisch aufzubereiten:
Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014: 592).
Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014: 592).
Ein weiteres Problem der Typologisierung des Professionswissens von Lehrenden ergibt sich aus dem Charakter des Wissens, auf das sich die einzelnen Komponenten beziehen. Der Wissensbegriff kann sehr unterschiedlich gefasst werden. Er kann explizites, kodifiziertes und publiziertes Wissen, wie es in wissenschaftlichen Theorien zum Ausdruck kommt, ebenso umschließen wie implizites, intuitives Handlungswissen, das nur über konkretes Verhalten rekonstruiert werden kann. Zu den kognitiven Komponenten der professionellen Kompetenz kommen affektiv-motivationale Komponenten. Dazu zählen Berufsmotive, subjektive Wissensformen, Überzeugungen und Werthaltung, die sich aufgrund individueller Erfahrungen herausgebildet haben. In den Modellen der Lehrkompetenzen werden sie zwar häufig berücksichtig, denn ihre Bedeutung für das Handeln konnte in den zurückliegenden drei Jahrzehnten in zahlreichen Studien nachgewiesen werden.