Übersetzungstheorien. Radegundis StolzeЧитать онлайн книгу.
Zeichen als kommunikativen Signalen heißt nach Ch. W. MORRIS1 „Semiotik“Semiotik (gr. semeion = Zeichen). Sie gliedert sich in
Semantik – Semantik(untersucht das Verhältnis der Zeichen zu den Dingen), es geht um Bedeutung,
Syntax – Syntax(untersucht die Beziehungen der Zeichen untereinander), es geht um Satzbau,
Pragmatik – Pragmatik(untersucht die Beziehungen zwischen Zeichen und Benutzer), es geht um den Gebrauch.
3.4 Universalienforschung
Die aufklärerische Idee allgemeiner logischer Formen (s. Kap. 3.1) setzte sich bis in unser Jahrhundert fort. In einer immer noch aktuellen Variante unterliegt dieses traditionelle Konzept auch Noam CHOMSKYS Standardtheorie der TiefenstrukturTiefenstruktur, die eine Widerspiegelung der FormForm des Gedankens und daher allen Menschen gemeinsam sein soll. Der AusdruckAusdruck „Form des Gedankens“ ist wichtig. Gemeint ist nämlich eine Struktur, die rein gedanklich ist und den InhaltInhalt eines Satzes vermittelt. Diese Basiskomponente aus „Satzstrukturregeln und Lexikonregeln“ (phrase structure rules and lexical rules) generiert eine „TiefenstrukturTiefenstruktur“, die dann wiederum über internalisierte Transformationsregeln in eine „Oberflächenstruktur“Oberflächenstruktur verwandelt wird.1SpracheBedeutungChomskyGrammatik
Ziel der von CHOMSKYChomsky (1965) entwickelten Generativen Transformationsgrammatik ist es also, durch ein System von expliziten Regeln das implizite Wissen von SpracheSprache abzubilden und damit eine logisch begründete TheorieTheorie über das DenkenDenken der Menschen zu schaffen.
Die entsprechende Hypothese der virtuellen sprachlichen KompetenzKompetenz besagt, dass der ideale Sprachbenutzer (native speaker) fähig sei, mit Hilfe eines internalisierten syntaktischen Regelapparats und eines begrenzten Inventars von Elementen (Laute, Wörter) unendlich viele, verschieden kombinierbare und variierbare Sätze grammatisch richtig zu formulieren (PerformanzPerformanz) und zuvor nie gehörte oder gelesene Sätze syntaktisch richtig zu deuten (vgl. hierzu auch languelangues. Sprachsystem und paroleparoles. Rede, Äußerung bei SaussureSaussure). So ist z.B. CHOMSKYS berühmt-berüchtigter Satz „Colourless green ideas sleep furiously“ grammatisch korrekt, wenn auch sinnlos. CHOMSKYChomsky studierte eine universale GrammatikGrammatik als Charakterisierung eines spezifischen Systems von Strukturen des menschlichen Geistes als Voraussetzung für die Fähigkeit zum Spracherwerb.
Auch wenn CHOMSKYChomsky keineswegs an das ÜbersetzenÜbersetzen dachte, konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken von verschiedenen Übersetzungstheoretikern „benutzt“ wurden, um eigene Vorstellungen theoretisch zu untermauern (dazu weiter unten). Die Vorstellung von Strukturen, die Menschen verschiedener Sprachen zu Eigen sind, konnte dies durchaus nahelegen.
Das Konzept allgemeiner logischer Formen, die allen Sprachen zu Grunde liegen, führte auch zur Universalienforschung2. Die Versuche zur Erklärung von UniversalienUniversalien lassen sich auf wenige Grundmuster zurückführen: (a) Mögliche Abstammung aller Sprachen von einer gemeinsamen Ursprache, (b) gleiche Funktionen der SpracheSprache in allen Sprachgemeinschaften, was ähnliche grammatische Strukturen bedingt, (c) gleiche biologische Ausstattung aller Menschen hinsichtlich ihrer kognitiven Prozesse und des Spracherwerbsmechanismus (vgl. BUSSMANNBußmann 1990:820).
Die Forschung konzentrierte sich zunächst auf den Zeichenkörper der Sprachen, auf grammatische UniversalienUniversalien als Eigenschaften aller menschlichen Sprachen. Es sind dies z.B. Kasus-Numerus, Tempus, Subjekt-Objekt, Spezifizierung der Personen in Ein- und Mehrzahl usw. Wissenschaftlich können dabei Übereinstimmungen und statistische Korrelationen zwischen den Einzelsprachen festgestellt werden.
Die Phonologie als weitere Teildisziplin der SprachwissenschaftSprachwissenschafts. Linguistik befasst sich mit den bedeutungsunterscheidenden Sprachlauten, auch Phoneme genannt, ihren relevanten Eigenschaften, Relationen und Systemen (BUSSMANNBußmann 1990:581).
Grundkategorien der Benennung mittels Sprachzeichen sind "Gegenstand", "Ereignis", "Eigenschaft" und "Beziehung". Diese vier "Grundkategorien“ sind universal, und annähernd entsprechen ihnen die bekannten grammatischen Bezeichnungen Substantiv, Verb, Adjektiv, Präposition (vgl. NIDANida/TABER 1969:35).
Die Welt der Erfahrungen lässt sich nach dieser Auffassung in jene vier Kategorien aufteilen:
1 Gegenstand bezieht sich auf diejenigen semantischen Klassen, die Dinge oder Wesen bezeichnen, die an Ereignissen beteiligt sein können, z.B. Haus, Hund, Mann, Sonne, Stock, Wasser usw.;
2 Ereignis bezieht sich auf die semantische Klasse, welche Handlungen, Vorgänge und Geschehnisse bezeichnet, wie laufen, springen, töten, sprechen, scheinen, erscheinen, wachsen, sterben;
3 Eigenschaft bezieht sich auf die semantische Klasse der Ausdrücke, die als alleinigen Bezug Qualitäten, Quantitäten und Abstufungen von Gegenständen, Ereignissen und anderen Abstrakta aufweisen. Zum Beispiel ist rot an und für sich nichts, es ist nur die Qualität, die bestimmten Gegenständen eigen ist, wie etwa ein roter Hut.
4 Beziehungen bezeichnen die sinnvollen Verbindungen zwischen anderen Wortarten. Sie werden oft durch Partikel ausgedrückt (im Deutschen meist Präpositionen und Konjunktionen), sowie durch Affixe und Flexionsmerkmale. Viele Sprachen, auch Englisch und Französisch, benutzen die Ordnung der Satzteile, um sinnvolle Beziehungen auszudrücken (z.B. S – P – O).
3.5 Strukturelle SemantikSemantik
Nicht abwegig ist dann der Gedanke, dass es auch universelle Bedeutungsaspekte bei den Zeicheninhalten geben könnte. CHOMSKYChomsky (s. Kap. 3.4) dachte etwa daran, dass farbbezeichnende Wörter z.B. das Farbenspektrum, das ja physisch wahrnehmbar ist, in kontinuierliche Segmente einteilen würden, die zwar in verschiedenen Vorstellungen nicht identisch, aber nachvollziehbar seien.
Noch einen Schritt weiter gehen J.J. KATZ/J.A. FODOR (1963) sowie Manfred BIERWISCH (1967)1. Wie die Lautstruktur der natürlichen Sprachen auf der Basis eines universalen Inventars phonologischer Merkmale beschrieben werden kann, so soll das semantische Grundinventar einer SpracheSprache als Auswahl aus einem Universalinventar semantischer Merkmale beschreibbar sein. Hierzu können Kategorien wie „belebt-unbelebt“, „maskulin-feminin-neutrum“, die Differenzierungen in „Subjekt-Verb-Objekt“ oder auch Beschreibungskriterien des Raumes gehören (z.B. Dimensionalität, Vertikalität, Beobachterzentriertheit). Es gilt das aristotelische Kategorienmodell der klaren Abgrenzung und Zuordnung aufgrund gemeinsamer Merkmale.
Dies ist der Forschungsgegenstand der Strukturellen SemantikSemantik.2Geckeler In der semantischen Komponentenanalyse kann anhand der „Seme“ als den kleinsten inhaltsunterscheidenden Merkmalen die „BedeutungBedeutung als Semstruktur“ (HILTY) dargestellt werden. Die lexikalische Bedeutung, das „Semem“, ist der einer semantischen Analyse zugängliche, im Lexikon kodifizierte Teilaspekt von Bedeutung, der zusammen mit den grammatischen Bedeutungselementen (wie Modus, Tempus, Komparation) die Gesamtbedeutung sprachlicher Ausdrücke ergibt.
Analog zur Methode der Phonologie, die die Laute als Ausdrucksseite der Zeichen in einzelne phonologische Merkmale zerlegt, wird hier nach der Beschaffenheit der Inhaltsseite von Sprachzeichen gefragt. Dabei wird der Zeichencharakter aufgelöst und die Inhaltsseite nach bedeutungskonstitutiven Merkmalen als möglichen sprachlichen Korrelaten von Eigenschaften der außersprachlichen Wirklichkeit untersucht. Die Wortbedeutung wird als eine hierarchische Struktur von Bedeutungsmerkmalen aufgefasst, die dann beim Sprechen jeweils auf eine konkrete Satzbedeutung reduziert wird.
Die Analyse des Bedeutungsinhalts von frz. fauteuil (SESSEL) ergibt folgende Seme: ‘avec dossier’, ‘sur pied’, ‘pour une personne’, ‘pour s’asseoir’, ‘avec bras’, ‘avec matériau rigide’.
Mit dieser Methode können auch einzelsprachliche Wortfelder analysiert werden, wie z.B. die der Temperaturadjektive (gelé, froid, frais, tiède, chaud, brûlant), Altersadjektive