Übersetzungstheorien. Radegundis StolzeЧитать онлайн книгу.
Weise wiedergegeben werden können: „Translation equivalence occurs when an SL and a TL text or item are relatable to (at least some of) the same features of substance“ (1965:50). Wertet man daraufhin ein entsprechend großes Textkorpus empirisch-induktiv aus, dann kann man für Übersetzungsäquivalente einige Wahrscheinlichkeitswerte ermitteln, die in FormForm von „translation rules“ (CATFORDCatford 1965:31) generalisierbar sind. CATFORD formuliert genaue Regeln, wie ein ÜbersetzerÜbersetzer ausgangssprachliche in zielsprachliche Grammatikstrukturen im Sinne einer Abweichung von der formalen Korrespondenz umwandeln kann („translation shifts“). Diese Regeln werden völlig kontextfrei für verschiedene Ebenen der GrammatikGrammatik festgelegt.
TRANSLATIONTranslation SHIFTS sind beispielsweise: Passiv-Konstruktionen in der AS in Aktiv-Konstruktionen in der ZS umzuwandeln, der Wechsel von Imperfekt zu Perfekt, oder die Vertauschung der Satzglieder aufgrund grammatischer Zwänge (1965:77).
Ferner ist auch auf die grammatische Kategorie des Numerus zu achten, sodass etwa ein Singular in einem ausgangssprachlichen Text zu einem Plural im ZieltextZieltext gemacht werden muss. So könnte z.B. die biblische Ermahnung „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ bei manchen Hörern Anlass zu der Frage geben: „Welchen Nächsten?“, da in vielen Sprachen ein Singular nicht in generischer BedeutungBedeutung vorkommt. So muss dieser AusdruckAusdruck bisweilen übersetzt werden als: „Liebet eure Nächsten wie euch selbst“.
Die Probleme der Satzlänge, Satzordnung, direkte oder indirekte RedeRedes. parole sind hier typische Probleme für eine sprachenpaarbezogene Analyse von Übersetzungsprozessen. Grenzen der ÜbersetzbarkeitÜbersetzbarkeit sieht CATFORDCatford (1965:93) allerdings als schwierig zu definieren an, und diskutiert einige Disambiguierungsprobleme bei Homonymen und bei Polysemie.
CATFORDCatford unterscheidet dabei auch zwischen wörtlicher und Wort-für-Wort-Übersetzung:
The popular terms free, literal, and word-for-word translation, though loosely used, partly correlate with the distinctions dealt with here. A free translation is always unbounded – equivalences shunt up and down the rankscale, but tend to be at the higher ranks – sometimes between larger units than the sentence. Word-for-word translation generally means what it says: i.e. is essentially rank-bound at word-rank (but may include some morpheme-morpheme equivalences). Literal translation lies between these extremes; it may start, as it were, from a word-for-word translation, but make changes in conformity with TL grammar …; this may make it a group-group or clause-clause translation (CATFORDCatford 1965:25).
Die theoretischen Überlegungen verharren beim Einzelwort und Satz als der Basiseinheit auf der paroleparoles. Rede, Äußerung-Ebene. Dies hat noch wenig mit dem praktischen ÜbersetzenÜbersetzen in einer Kommunikationssituation zu tun.
4.5 Translation quality assessment (HouseHouse)
Aufbauend auf CATFORDS grammatischen Strukturen hat Juliane HOUSEHouse zunächst 1977 ein sehr detailliertes Modell zur wissenschaftlich begründeten Übersetzungskritik vorgelegt. Dieses Modell wurde nach zwanzig Jahren noch einmal erläutert und in bestimmten Teilen ergänzt, wobei auch kritische Anregungen aufgenommen wurden (HOUSE 1997). Ziel dieses Ansatzes ist es, ein Instrumentarium zu entwickeln, mit dem Texte und Übersetzungen in allen linguistischen Einzelheiten miteinander verglichen und somit deren Äquivalenzstatus bestimmt werden kann. Daraus könnten sich dann auch Möglichkeiten der Operationalisierung von „Übersetzungsregeln“ im Sinne einer deskriptiven Darstellung übersetzerisch adäquater Reaktion auf Ausgangstextstrukturen ergeben. Zu diesem Zweck wurde das Modell auch an einem KorpusKorpus verschiedener Textsorten erprobt.
Ziel des Übersetzens ist „the replacement of a text in the source language by a semantically and pragmatically equivalent text in the target language“ (HOUSE 1997:31), wie auch CATFORD das sah (s. Kap. 4.4).
HOUSEHouse beruft sich ausdrücklich auf M.A.K. HALLIDAYS systemisch-funktionale Theorie, auf die Diskursanalyse sowie auf Einsichten der Prager linguistischen Schule (HOUSE 1997:29).
Die Idee von HALLIDAYHalliday (1987) kann man so zusammenfassen (vgl. PRUNČPrunč 2007:179f): In den 1960er Jahren hatte HALLIDAY seine Systemic Functional Grammar (SFG) entwickelt, die ein sehr komplexes analytisches und terminologisches Inventar für die Beschreibung von Texten als verbale Interaktion anbot. Mit Hilfe von Sprache interpretiere der Mensch die Welt für sich selbst und (re)präsentiere seine Welt gegenüber den Anderen. Die wichtigsten Parameter, durch die Sinn und Bedeutung eines Gesprächs bestimmt werden, sind: field of discourse (was geschieht, worüber wird gesprochen), tenor of discourse (welche Beziehung wird zwischen den Kommunizierenden signalisiert) und mode of discourse (in welchem Medium, welcher Form, mit welchem Code wird kommuniziert). – Diesen Parametern werden sprachliche Metafunktionen zugeordnet, durch welche die Diskurssemantik eines Textes bestimmt wird: die ideationale Metafunktion (Bezüge zum Feld), die interpersonale Metafunktion (Bezüge zu den Partnern), die textuelle Metafunktion (Textkonstitution). Diese drei Registervariablen werden durch konkrete lexiko-grammatische Strukturen realisiert: die ideationale Metafunktion durch verschiedene Formen der Transitivität, die interpersonale Metafunktion durch Modalität, und die textuelle Metafunktion durch die Informationsstruktur, die aus dem thematischen Aufbau und der Kohäsion des Textes ablesbar ist. Eine grammatische Metaphorisierung als Ausdrucksvariante wird zum Beispiel auch gesehen in der Nominalisierung von Aussagen, welche dieselben unpersönlicher werden lassen. HOUSE hat mit Hilfe der SFG ein Modell der Qualitätsbeschreibung von Übersetzungen entworfen.
Ausgangspunkt ist die geforderte „Äquivalenz“ zwischen AT und ZT: „translation is constituted by a ‚double-binding’ relationship both to its source and to the communicative conditions of the receiving linguaculture, and it is the concept of equivalence which catches this relationship“ (HOUSE 1997:29). Zentrale Grundbegriffe sind die „overt translation“ und die „covert translation“:
In overt translation, the function of the translation is to enable its readers access to the function of the original in its original linguacultural setting through another language. This means, that there can be no simple functional equivalence, rather a type of „second level“ function must be posited, which allows the translation receptor a view of the original through a foreign langue while clearly operating in a different discourse world. By contrast, the function of a covert translation is to imitate the original's function in a different discourse frame (…). One of the means of achieving this functional equivalence is through the employment of a cultural filter, with which shifts and changes along various pragmatic parameters (…) are conducted. Note that this crucial distinction into overt and covert translation is a cline, not an „either-or“ dichotomy.
Diese Unterscheidung läuft darauf hinaus, dass Texte mit einem gewissen Status in der Ausgangskultur, wie z.B. historisch gebundene politische Reden, zeitbezogene Kalendergeschichten, das Original einer Predigt usw., wegen ihrer ausgangskulturellen Bedeutung in der Übersetzung so genau wie möglich nachgezeichnet werden müssten und dann natürlich verfremdend wirken (overt translation). Demgegenüber können Übersetzungen von Texten, die in beiden Bereichen den Status eines Originals genießen, wie z.B. ein wissenschaftlicher Text, ein populärwissenschaftlicher Zeitungsartikel oder eine Tourismusbroschüre, so übersetzt werden, dass man ihnen das Übersetztsein nicht ansieht (covert translation). Der kulturelle Filter erlaubt dabei Textveränderungen, die trotz gleicher Textfunktion aufgrund der zielkulturellen und sprachlichen Unterschiede geboten sind. Wenn dagegen in einer solchen Übersetzung Veränderungen eingebracht werden, die nicht mehr mit dem „cultural filter“ begründet werden können, dann wird diese zu einer „Version“, einer Bearbeitung.
Um nun eine Übersetzung in ihrem Äquivalenzgrad genau messen zu können, wird ein wissenschaftliches Instrumentarium entwickelt. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen „functions of language“ und „function of text“. Dazu werden zwei Kategorien gebildet (HOUSE 1997:39):
A. Dimensions of Language User | B. Dimensions |