Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität. Michael SchartЧитать онлайн книгу.
dass es eines flexiblen Zusammenspiels von Inhalten und Vorgehensweisen bedarf. Nicht jedes Thema lässt sich auf die gleiche Art und Weise erkunden bzw. bearbeiten und für jede Lerngruppe wiederum sind andere Aktivitäten in unterschiedlicher Anordnung zielführend. Solche Entscheidungen vor Ort kompetent zu treffen, macht den Kern des Lehrberufs aus.
In der empirischen Forschungspraxis hingegen wird Unterricht weitaus weniger komplex konzipiert. Diese Reduzierung auf ausgewählte Aspekte ist zumeist auch unerlässlich, um das unübersichtliche Geschehen in Lehr- und Lernprozessen überhaupt systematisch erfassen zu können. Im Fall der Aufgabenforschung hat diese Herangehensweise jedoch leider dazu geführt, dass sich auch trotz der vielfältigen Forschungsaktivitäten der letzten Jahre keine unterrichtsrelevanten Erkenntnisse zur Planung von Unterricht ergeben haben. Ein Problem, das besonders augenfällig wird an der Selbstverständlichkeit, mit der die empirische Forschung auf sogenannte Spot-the-difference-Aufgaben setzt.
Dabei handelt es sich um eine Aktivität, bei der zwei Lernende Bilder erhalten, die nur in wenigen Details voneinander abweichen. Die Herausforderung besteht darin, dem Gegenüber diese Unterschiede zu erklären. Dass auf diesem Wege interessante Daten über den mündlichen Sprachgebrauch der Lernenden produziert werden, liegt auf der Hand. Als Lehrperson fragt man sich jedoch, wie sich eine solche Aufgabenstellung überhaupt sinnvoll in einen Unterrichtsablauf integrieren lässt. Mit einiger didaktischer Fantasie findet man natürlich eine Reihe inhaltlicher Kontexte, bei denen es pädagogischen Sinn ergibt, Unterschiede auf Bildern zu suchen, etwa wenn sich eine Lerngruppe anhand verschiedener historischer Fotos mit stadtplanerischem Wandel beschäftigt. Auch als spielerischer Impuls bietet sich dieser Aufgabentyp an. Die pädagogisch vertretbare Frequenz und damit ihre Bedeutung entspricht jedoch bei weitem nicht der Aufmerksamkeit, die diese Aufgabenform in der Forschung erfährt (vgl. auch Lyster 2007:74).
Dass auch einflussreiche Vertreter dieser Forschungsrichtung wie Ellis (2018) und Skehan (2016) inzwischen eher ernüchternde Analysen zur Aussagekraft bisheriger empirischer Erkenntnisse vorlegen, kann daher nicht verwundern. All die Jahre intensiver Betrachtung einzelner Faktoren der Aufgabenbewältigung haben letztlich nicht dazu geführt, dass wir heute auf ihrer Grundlage sagen könnten, wie ein aufgabenbasierter Syllabus für einen mehrwöchigen Kurs oder auch nur eine 90minütige Unterrichtseinheit aussehen sollte. Was passiert, wenn Forschungen im pädagogischen Bereich die ökologische Validität zu weit aus den Augen verlieren, lässt sich an diesem Beispiel daher besonders eindrücklich studieren.
Die Aufgabenforschung konzentrierte sich bislang auf zu eng begrenzte Ausschnitte von Unterrichtspraxis, untersuchte beispielsweise in quasi-experimentellen Settings die Auswirkungen von Planungszeiten oder von unterschiedlichen Komplexitätsgraden einer Aufgabe auf die (oft) mündliche Sprachproduktion. Man gewinnt beim Lesen solcher Studien unweigerlich den Eindruck, als vollziehe sich die Aufgabenbearbeitung in einem gleichsam luftleeren Raum und beim Fremdsprachenunterricht ginge es ausschließlich um Lernziele, die sich aus linguistischer Perspektive beschreiben lassen. Ein umfassenderes Verständnis der Einbindung von Aufgaben in einen konkreten pädagogischen Kontext mit Lehrenden, Lernenden und sonstigen Interessengruppen, lokalen Bedingungen und vielschichtigen Lernzielen bleibt bei dieser Form von Forschung unerreichbar.
Eine Trendwende zeichnet sich seit einigen Jahren zumindest im Hinblick auf die Rolle von Lehrenden und Lernenden ab. Ihr schenkt die empirische Aufgabenforschung zunehmend größere Beachtung.1 Der Zusammenhang von Aufgaben und Inhalten hingegen muss nach wie vor als unterbelichtet gelten. Die vorliegende Studie versteht sich daher als ein Beitrag, diese von vielen Seiten kritisierte Forschungslücke (Ellis 2018; Kumaravadivelu 2007; Samuda/Bygate 2008:258) anzugehen. Unsere Untersuchung wird verdeutlichen, weshalb sich die Aufgabenforschung durch die Vernachlässigung der Inhalte bislang einen wichtigen Zugang zu praxisrelevanten Erkenntnissen verbaute.
2.5.2 Prinzipien aufgabenbasierten Lehrens und Lernens
Vom aufgabenbasierten Ansatz – und das verbindet ihn mit den oben beschriebenen Überlegungen zur Integration von Fach und Sprache – geht ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der kommunikativen Didaktik aus. Deren rasanter Aufstieg zum Standardmodell des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen seit den 1980er Jahren war nur möglich, indem sie in der unterrichtlichen Praxis sehr flexibel gehandhabt und nicht selten an ihren innovativsten Ideen gestutzt wurde. Der im akademischen Betrieb zurecht als Paradigmenwechsel empfundene Übergang zum kommunikativen Unterricht gestaltete sich daher in den Klassenräumen wohl eher als ein geschmeidiger und auch langwieriger Veränderungsprozess. Somit ist die gewisse Konturlosigkeit des Konzepts, die wir heute beklagen, eigentlich die Voraussetzung seines so umfänglichen Erfolgs. Zugleich bieten sich dadurch zahlreiche Ansatzpunkte, das Profil der kommunikativen Didaktik zu schärfen. Und während sich in diesem Bemühen der fach- und sprachintegrierte Ansatz auf die Inhalte konzentriert, lenkt der aufgabenbasierte Ansatz das Augenmerk auf die methodische Gestaltung.
Die kommunikative Fremdsprachendidaktik muss sich in der Unterrichtspraxis mit der bis heute weit verbreiteten Vorstellung arrangieren, dass sich fremdsprachliches Lernen als linearer Prozess vollziehe, bei dem sich in den Köpfen der Lernenden diskrete Komponenten von Sprache nach und nach zu einem vollständigen Ganzen fügen. Eine Annahme, aus der weitreichende Konsequenzen für das Konzipieren von Unterricht erwachsen: Um die Fremdsprache einer Planung zugänglich zu machen, wird sie zunächst in kleinere Einheiten zerlegt. Derart isolierte sprachliche Phänomene, seien sie nun formaler oder funktionaler Natur, können dann in eine bestimmte Reihenfolge (Progression) gebracht und anschließend mit Hilfe von verschiedenen Texten und Arbeitsaufträgen zu einer Lernumgebung arrangiert werden. Ellis/Shintani (2014:50) merken sehr treffend an, dass bei dieser Sichtweise die Fremdsprache selbst im Zentrum stehe und nicht das Fremdsprachenlernen.
Anhand einer vorab entwickelten Progression sollen die Lernenden die fremde Sprache in immer differenzierterer Weise kennen und darauf aufbauend auch verwenden lernen. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, die Synthese der zuvor isoliert geübten sprachlichen Einzelteile zu erbringen, weshalb man auch von einem synthetischen Ansatz spricht (Nunan 2009:11). Folgerichtig enthält ein typisches Unterrichtsdesign den Dreischritt von der Präsentation (neuer) sprachlicher Elemente, über das Einüben dieser Elemente bis hin zu ihrer selbstständigen Produktion.
Den Ideen der kommunikativen Didaktik öffnen sich dieses Unterrichtsmodell vor allem in der dritten Phase, in der die Lernenden zum – mehr oder weniger – selbstbestimmten Gebrauch der Fremdsprache angehalten werden. Die negativen Folgen dieses eher dürftigen Rückgriffs auf die Möglichkeiten, die der kommunikative Ansatz eigentlich bietet, wurden vielfach beschrieben. Sie zeigen sich etwa in der mangelnden Aktivität und Kreativität der Lernenden oder der fehlenden Relevanz der Interaktionen (z.B. Legutke/Thomas 1991:7ff).
Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis man sich daran machte, die kommunikative Didaktik konsequenter zu denken und umzusetzen und der aufgabenbasierte Ansatz gehört sicher zu den prominentesten Beispielen dieser Bewegung. Er bricht mit dem soeben umrissenen Modell von Unterricht und setzt ihm ein vollkommen anderes Verständnis von fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen entgegen. Der Fokus der Unterrichtsplanung liegt dabei nicht auf den formalen oder funktionalen Aspekten der Fremdsprache, sondern auf ihrer selbstbestimmten und kreativen Anwendung. Die Lernenden sollen der Fremdsprache von Beginn an in möglichst komplexer Form begegnen, eingebettet in einen bestimmten kommunikativen Kontext und verbunden mit Handlungsabsichten.
Im Unterschied zu einem Unterrichtskonzept, das formalen oder funktionalen Progressionen folgt, sehen sich hier also die Lernenden mit der Herausforderung konfrontiert, eigene Lernwege zu erschließen, indem sie die Fremdsprache analysieren und deren Regelmäßigkeiten und Konventionen verstehen. Nunan (2009:11) beschreibt diesen Prozess als analytischen Ansatz des Fremdsprachenlernens. Übungssequenzen, bei denen ausgewählte sprachliche Elemente in isolierter Form trainiert werden, spielen bei der Planung des Unterrichts eine untergeordnete oder – wie im hier untersuchten Unterricht – keine Rolle. Denn es entspricht der Zielsetzung von Aufgaben, dass sie die Aufmerksamkeit der Lernenden vor allem auf die Bedeutung sprachlicher Äußerungen lenken. Sie sollen animiert werden, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren, um die Aufgabe zu bewältigen. Ein einheitlicher Lernprozess aller Teilnehmenden eines Unterrichts, wie er beispielsweise