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Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität. Michael SchartЧитать онлайн книгу.

Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität - Michael Schart


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und kritisiert wurde (siehe Kap. 2.5), doch ein breiter gestreutes Bewusstsein für das große Potenzial, das sich aus den Synergieeffekten einer Verbindung von Inhalten und Aufgaben ergibt, lässt sich erst in jüngster Zeit erkennen (Ahmadian/García Mayo 2017; Rüschoff 2015).

      Die Nachteile einer weitgehenden Separation dieser beiden Aspekte treten inzwischen deutlich zu Tage. Da steht beispielsweise auf Seiten des inhaltsbasierten Unterrichtens die Einsicht, dass die Interaktionsprozesse im Klassenraum allein durch die Integration fachlicher Inhalte den traditionellen, lehrerdominierten Mustern nicht entkommen (Bonnet 2013; Dalton-Puffer 2007; Hall 2010). Und da ist auf Seiten des aufgabenbasierten Unterrichts die ernüchternde Erkenntnis, dass man auch nach mehr als 30 Jahren intensiver empirischer Erforschung einzelner Aufgaben zu keinem Unterrichtskonzept gelangt ist, mit dem sich ein mehrwöchiger Kurs sinnvoll füllen ließe (Ellis 2018; Skehan 2016).

      Und wenn van den Branden (2016) als einer der aktivsten Akteure auf diesem Themenfeld durchaus selbstkritisch bezweifelt, ob es weltweit überhaupt Lehrende gäbe, die das Konzept des aufgabenbasierten Lehrens und Lernens (Task based language teaching/ TBLT) tatsächlich konsequent umsetzten, so ist das ein weiterer deutlicher Ausdruck dafür, dass der Ansatz eher ein akademisches Projekt darstellt als ein praxisnahes didaktisches Modell (siehe auch Kap. 2.5). Ein Problem, dass sich nicht zuletzt auf eine einseitige Betonung der Aktivitäten zurückführen lässt.

      Eine Erwiderung auf van den Brandens Bedenken liefern die Autorinnen und Autoren dieses Buches. In vier Teilstudien dokumentieren sie Antworten auf die eingangs genannten Fragen anhand eines konkreten Lehr- und Lernumfeldes – dem Intensivprogramm für Deutschlandstudien an der Juristischen Fakultät der Keio Universität Tokio. Und sie widerlegen dabei van den Brandens Skepsis, denn in diesem Programm werden – das kommunikative Paradigma konsequent weiterführend – der inhaltsbasierte und der aufgabenbasierte Ansatz auf sehr entschlossene Art und Weise miteinander verknüpft. Die Studie kann somit veranschaulichen, wie das Zusammenspiel von relevanten Inhalten (Kap. 2.4), anspruchsvollen Aufgaben (Kap. 2.5) und dialogischen Lernprozessen (Kap. 2.6) in der Praxis des DaF-Unterrichts vor dem Hintergrund der Bedingungen an japanischen Universitäten gestaltet werden kann. Es wird zugleich deutlich, welche Möglichkeiten dieses Konzept von Fremdsprachenunterricht eröffnet und vor welche Herausforderungen es Lehrende wie Lernende stellt.

      Auch hinsichtlich des Untersuchungsdesigns zeichnet sich die Studie durch eine besondere Herangehensweise aus, denn sie vereint mehrere Forschungsperspektiven, die auf der Basis unterschiedlicher methodologischer und methodischer Überlegungen dieselben Daten fokussieren. Das ermöglicht nicht nur eine detaillierte Untersuchung des Geschehens vor Ort, sondern macht zugleich am Beispiel eines unterrichtlichen Kontextes deutlich, welchen Beitrag verschiedene Ansätze in der Fremdsprachenforschung zu einem besseren Verständnis der Lehr- und Lernprozesse leisten können – aber auch, wo ihre jeweiligen Grenzen liegen.

      Die vier vertretenen Perspektiven nehmen jeweils ein eigenes Kapitel dieses Buches ein. Nachdem in einem Überblickskapitel das Forschungsdesign des Gesamtprojekts und das untersuchte Unterrichtskonzept dargestellt wurden (Kap. 2), leiten Davide Orlando und Hidemi Hamano mit einer Evaluationsstudie zum empirischen Teil des Buches über (Kap. 3). Sie greifen auf die Daten aus studentischen Unterrichtsevaluationen der Studienjahre 2009/10 bis 2015/216 zurück, wobei sie sich vor allem auf die Grundstufe (A1/ A2) konzentrieren, diese jedoch auch in den größeren Kontext des gesamten Programms einordnen. Sie stützen sich dabei sowohl auf eine statistische Auswertung als auch auf qualitative Verfahren der Datenanalyse.

      Die weiteren drei Forschungsperspektiven nutzen einen anderen Datenkorpus. In den Studienjahren 2012/13 und 2015/16 wurde in zwei vergleichbaren Lerngruppen die unterrichtliche Interaktion zu jeweils einer gesamten thematischen Einheit („Wohlstandsindikatoren“ und „Rechtliche Regelungen zum Pfänden“) aufgezeichnet. Daraus ergaben sich 600 Minuten dokumentiertes Unterrichtsgespräch im Plenum und in Gruppenarbeiten, die komplett transkribiert wurden und den Ausgangspunkt für die drei unterschiedlichen Analyseansätze bilden.

      Einem soziokulturellen Ansatz folgend untersucht Michael Schart in seiner Teilstudie das Lernen als einen kollektiven Prozess und betrachtet die Interaktionsmuster im Klassenraum (Kap. 4). Er verbindet dabei die soziokulturelle Diskursanalyse (Littleton/Mercer 2013) mit Verfahren, wie sie zur Untersuchung von Lern-Engagement entwickelt wurden (Lambert et al. 2017; Philp/Duchesne 2016). Sein Augenmerk liegt auf der Frage, welche Aushandlungsprozesse unter den Bedingungen des oben beschriebenen Unterrichtsdesigns stattfinden, ob bzw. wie die Lernenden zu gemeinsamer Wissensproduktion kommen und welche Rolle dabei die Materialien und die Lehrkraft spielen. Im Unterschied zu vergleichbaren Interaktionsstudien beschränkt er sich nicht auf die sprachbezogenen Episoden in der Interaktion bzw. jene Phasen, in denen der Austausch auf sprachliche Hürden stößt. Dem Schwerpunkt des Unterrichtskonzepts entsprechend, bezieht er auch die thematische Ebene in seine Analyse ein und beschreibt unterschiedliche Niveaus der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Texten bzw. Aufgabenstellungen.

      Grit Liebscher und Sara Marsh befragen in Kapitel 5 die Interaktionsdaten aus konversationsanalytischer Perspektive. Am Beispiel von Situationen, in denen die Interaktion durch Lachen der Teilnehmenden unterbrochen oder begleitet wird, verdeutlichen sie, wie sich einzelne Phänomene in der unterrichtlichen Interaktion mit der Qualität der Lehr- und Lernprozesse in Verbindung bringen lassen. Ihr Beitrag veranschaulicht das Potenzial, das eine mikroanalytische Sicht auf eng begrenzte Phasen von Interaktion im Unterricht birgt.

      Ein weiterer Zugang zu den Daten findet sich in Kapitel 6: Olga Czyzak wählt einen kognitiven Ansatz, denn sie interessiert sich für die individuellen Lernprozesse, die durch das Unterrichtsdesign angeregt werden. Dafür muss sie zunächst die Interaktionsdaten in ein Format bringen, in welchem sie einer Lernersprachenanalyse zugänglich werden. Ein Verfahren, das sie eingehend thematisiert, bevor sie die Sprachverwendung der einzelnen Lernenden im Hinblick auf Komplexität, Korrektheit und Wortschatz untersucht. Die Autorin kann dabei aufzeigen, wie sich der Erwerb formaler Strukturen in einem Unterricht ohne grammatischen Syllabus bis zum Zeitpunkt der Aufnahmen nach ca. 6-7 Monaten Unterricht vollzogen hat. Sie liefert damit wichtige empirische Evidenz zur fachdidaktischen Auseinandersetzung um die „richtige“ Balance zwischen Inhalt und Sprache im fach- und sprachintegrierten Unterricht und vergleichbaren Kontexten.

      In den einzelnen Kapiteln zu den vier genannten Forschungsansätzen geht der Darstellung und Diskussion der Ergebnisse jeweils eine eingehende Beschäftigung mit methodologischen und methodischen Aspekten voraus. Der Band möchte auf diese Weise am Beispiel eines konkreten Untersuchungskontextes auch dazu beitragen, die Interaktionsforschung als bedeutsamen Bereich der Fremdsprachendidaktik weiterzuentwickeln. Und er versteht sich ausdrücklich als eine Einladung, die Daten aus weiteren Blickwinkeln zu betrachten. Alle Daten zum Projekt sind daher frei auf einer Internetseite zugänglich2.

      2 Grenzgänge: Forschungsdesign und Forschungskontext

      Michael Schart

      2.1 Vorbemerkung

      Die vorliegende Studie ist von Grenzgängen geprägt. Sie lässt sich als Gesamtprojekt nicht passgenau einschlägigen Kategorien der Fremdsprachenforschung zuordnen. Sowohl hinsichtlich des Forschungsdesigns als auch beim Forschungsgegenstand führt sie Ansätze zusammen, die in der Fremdsprachenforschung bislang eher getrennt voneinander praktiziert wurden. Dieser unkonventionelle Charakter der Studie ergibt sich unmittelbar aus ihrer Anlage, denn sie betrachtet unterrichtliches Geschehen in einem konkreten lokalen Kontext aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Gerade darin lag für die Beteiligten ein besonderer Reiz der gemeinsamen Arbeit. Aber zugleich wird es dadurch notwendig, die Problematik der Verortung des Forschungsprojekts etwas ausführlicher darzulegen, was ich mit diesem Kapitel des Bandes leisten möchte.

      Das Bild von den Grenzgängen lässt sich dabei im buchstäblichen Sinne zunächst auf uns selbst beziehen, die Forschungsgruppe, die sich zu diesem Projekt zusammengefunden hat. Wir bewegen uns in unserer Arbeit zwischen Sprachen und Kulturen und leben zum größten Teil seit vielen Jahren in Ländern, die wir als zweite oder sogar dritte Heimat empfinden. Aber dieser Aspekt soll nicht im Fokus stehen, wenn ich an dieser Stelle von Grenzgängen spreche. Im Fachbereich Deutsch als Fremdsprache sind solche beruflichen Biografien


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