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Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair LewisЧитать онлайн книгу.

Sinclair Lewis: Die großen Romane  - Sinclair Lewis


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der Sünden, die Cecil schaudern gemacht hatte. Er sprach auch von Cecil als »Osric« – was sie sehr spaßhaft fand – als »Percy« und »Algernon«. Er redete ihr zu, die größten Städte zu bestürmen, die feinsten und die rohesten Auditorien, und sich nicht mit den lauen Hochkirchenphrasen anzukündigen, die Cecil für gut befunden hatte, sondern auf eine Weise, die für einen Zirkus paßte, eine Versammlung der Elchbrüder oder einen neuen Messias.

      Unter Elmers Zureden wagte sie sich zum erstenmal in größere Städte. Sie fiel über Minneapolis her und riskierte, lediglich von Sekten wie der Bibelgemeinde, den Nazarenern, der Gotteskirche und den Wesleyaner-Methodisten unterstützt, ihre Ersparnisse für teure Pacht und zweispaltige Sechszollinserate.

      Minneapolis begeisterte sich ebenso wie kleinere Ortschaften an Sharons Stimme und Augen, an ihren griechischen Gewändern, an ihrer goldweißen Altarpyramide; die Einnahmen waren zufriedenstellend. Danach schob sie Indianapolis, Rochester, Atlanta, Seattle, die beiden Portlands und Pittsburgh zwischen kleineren Städten ein. Zwei Jahre lang war das Leben für Elmer Gantry ein Wirbelwind.

      Es hatte ein so rasendes Tempo, daß er in der Erinnerung keine Stadt von der anderen unterscheiden konnte. Das Ganze war ein Durcheinander aus glühenden Predigten, verzückten Bekehrten, Aufforderungen zum Zahlen, Zügen, dem Tadeln lässiger persönlicher Arbeiterinnen, Rügen für Adelbert Shoop wegen Betrunkenheit, dem Hinauswerfen von Adelbert Shoop, dem Zurückholen von Adelbert Shoop, wenn kein anderer so salbungsvoll frommer Tenor zu finden war.

      Einer Pflicht wurde er nie müde: zu Nutz und Frommen heilsuchender Damen herumzustehen, Eindruck zu machen und sehr männlich auszusehen. Er pflegte sie zärtlich bei den Händen zu fassen und zu stöhnen: »Wollen Sie nicht hören, wie die Stimme unseres süßen Heilands ruft, Schwester?« Und alle, alte Jungfern in traurig vertrockneter Mädchenhaftigkeit und mißverstandene Frauen, hielten seine Hand fest und wurden der sorgfältig geführten Summe geretteter Seelen zugezählt. Sharon sah darauf, daß er sich für diese Rolle richtig kleidete – in doppelreihiges Dunkelblau mit schneidiger Krawatte im Winter, und im Sommer in weiße Anzüge und weiße Schuhe.

      Doch so laut auch die Röcke um ihn rauschten, Sharons gewaltiger Zauber war so groß, daß er ihr treu blieb.

      Wenn er in diesen zwei Jahren eine Derwischgestalt war, so war sie eine Sternschnuppe; begeistert in ihren Predigten, leidenschaftlich mit ihm, dann wieder ein nichtsnutziges Kind, das lachte und sich sogar zur Predigtstunde weigerte, ernst zu sein; einmal voll edler Freigebigkeit, dann wieder ein Geizhals, der über zehn Cents für Marken ein Geschrei erhob. Immer, in jeder übersteigerten Laune, war sie seine Religion und sein Existenzgrund.

      2

      Als Sharon die größeren Städte attackierte und um die Unterstützung der reicheren Kirchen bat, mußte sie einige neue Methoden im Evangelistengeschäft ins Leben rufen. Die Kirchen waren mißtrauisch gegen Evangelistinnen – Frauen mochten ja ganz gut sein, um Kranke zu besuchen, für die Heiden zu stricken und Erdbeerwohltätigkeitsfeste zu geben, aber sie konnten nicht laut genug brüllen, um den Teufel aus Sündern herauszuschrecken. Allerdings wurden alle Evangelisten, männliche und weibliche, angegriffen. Vernünftige Kirchenleute da und dort fragten, ob es denn überhaupt von besonderem geistlichen Wert wäre, die Leute so zu erschrecken, daß sie auf dem Bauch kriechende Wahnsinnige werden müßten. Sie veröffentlichten Statistiken, die behaupteten, daß keine zehn Prozent der bei Wiedererweckungs-Meetings Bekehrten Kirchenmitglieder blieben. Sie waren sogar so kaufmännisch, die Frage aufzuwerfen, warum denn ein Pastor mit einem Jahresgehalt von zweitausend Dollars – wenn er es überhaupt bekam – sich abmühen sollte, um einem Evangelisten beim Verdienen von zehntausend, vierzigtausend zu helfen.

      Allen diesen Zweiflern mußte geantwortet werden. Elmer überredete Sharon, ihren früheren vorausreisenden Manager zu entlassen – er war Geistlicher und Mitarbeiter bei frommen Zeitungen gewesen, bis zu seiner unglückseligen Affäre mit den Ölaktien – und einen richtigen Pressechef zu engagieren, dessen Vorbildung in Zeitungsarbeit, Zirkusreklame und Land- und Heimstättengründungen bestand. Elmer und der Pressechef waren es, welche die neue Technik des gefährlichen, aber Eindruck machenden Kampfes ausarbeiteten.

      Im Gegensatz zu dem früheren Manager, der die Geistlichen und die reichen Laien der Städte, in die Sharon eingeladen zu werden wünschte, gebeten hatte, ihren geistlichen Wert anzuerkennen, und nervös in Hotels herumgesessen war, war der neue Heilshändler kurz angebunden:

      »Ich kann meine Zeit und die Zeit des Herrn nicht vergeuden, indem ich warte, bis Sie zu einem Entschluß gekommen sind. Schwester Falconer hat an dieser Stadt besonderes Interesse, weil sie gehört hat, daß hier unterirdische Regungen zu verspüren sind, die Ihre Kirchen ganz einfach überfüllen würden, sobald ein richtiger Fachmann wie sie herkommt, um die Lunte in Brand zu stecken. Aber es gibt so viele andere Städte, die um ihre Dienste bitten, daß wir auf diese hören und Sie übergehen müßten, wenn Sie sich nicht schnell entschließen können. Tut mir leid, ich kann nur bis Mitternacht warten. Heute abend. Mein Platz im Pullman ist schon reserviert.«

      Es gab genug Kirchenkörperschaften, die darauf antworteten, sie könnten gar nicht einsehen, warum er auch nur bis Mitternacht warten sollte, aber sobald sie einmal so eingeschüchtert waren, daß sie den Vertrag unterschrieben (einen ausgezeichneten Vertrag, den ein frommer Christian Science-Rechtsanwalt namens Finkelstein aufgesetzt hatte), waren sie genügend darauf vorbereitet, Sharon, sobald sie ankam, geistig und finanziell zu unterstützen.

      Die Schönheiten des neuen Evangelistentums, die in so scharfem Gegensatz zu seinen früheren Zirkus- und Heimstättenarbeiten standen, packten den neuen Pressechef schließlich derart, daß er selbst bekehrt wurde und öfters, wenn er mit der Truppe zusammen in einer Stadt war, im Chor sang und in Y.M.C.A.-Räumen über Journalismus sprach. Aber selbst Elmers Argumente konnten ihn nie dazu bringen, eine verbissene trotzige Neigung zum Poker aufzugeben.

      3

      Sobald der Vertrag unterzeichnet war, erinnerte der Pressechef sich seiner früheren Zeitungsarbeiten und wurde für einige Tage rührend freundlich zu allen Reportern der Stadt. Es gab bis in die Nacht dauernde Abendunterhaltungen in seinem Hotel; die Hotelboys wurden oft ausgeschickt, um noch mehr Flaschen Wilson, White Horse und Green River zu holen. Der Pressechef gestand ein, daß er Miß Falconer wirklich für die größte Frau seit Sarah Bernhardt halte, und erzählte den Jungens Geschichten (unter dem Siegel der Verschwiegenheit) von ihrer Schönheit, dem Ruhm ihrer Familie, ihrer wunderbaren Kraft, Sünden oder Regen durch Gebet zu bannen, und der etwas ungenau angegebenen Zeit, da sie, als ganz junges Mädchen, von Dwight Moody als seine Nachfolgerin anerkannt worden wäre.

      Südlich von der Mason- und Dixon-Linie war ihr Großvater ganz einfach Mr. Falconer, ein kriegerischer und frommer Mann; aber weit oben genug im Norden war er der General Falconer von »Ole Virginny«, der Ratgeber und Trost des Generals Robert E. Lee. Der Pressechef schrieb auch die Anschläge für den Geistlichen-Verband und warnte so den Satan rechtzeitig vor dem, was ihm bevorstand.

      Wenn Sharon also mit ihrer Truppe ankam, waren die Zeitungen begierig, die Mauern und Schaufenster rot von Plakaten, die Stadt atemlos. Manchmal fanden sich bei ihrer Ankunft tausend Leute am Bahnhof ein.

      Es gab immer einige Ungläubige, besonders unter den Reportern, die ihre Gaben bezweifelt hatten, aber wenn sie sie im Korridor des Wagens sahen, in einem langen weißen Mantel, wenn sie dort eine Sekunde mit geschlossenen Augen gestanden war, ins Gebet für diese neue Gemeinde vertieft, wenn sie langsam ihre weißen, nervösen Hände zum Gruß ausstreckte – dann war die Arbeit des Pressechefs hier zu zwei Dritteln getan, und er konnte weiter, neue Felder für die Ernte zu bearbeiten.

      Doch immer gab es noch viel zu bereden, bevor Sharon alle Selbstsüchteleien überwunden hatte und imstande war, sich an ihre Arbeit des Lichtverbreitens zu machen.

      Ortsausschüsse waren immer verbohrt, Ortausschüsse waren immer eifersüchtig, Ortsausschüsse waren immer träg, und das wurde den Ortsausschüssen immer mit Nachdruck vor Augen gehalten. Die Seele aller Argumente war das Geld.

      Sharon gehörte zu den


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