Klinische Hypnose und Hypnotherapie. Agnes Kaiser RekkasЧитать онлайн книгу.
Herr: „Ich komme über diesen Verein, wie heißt er gerade noch, ‚Verein für Deutsche Hypnose‘.“
Ich: „Aha, über die ‚Deutsche Gesellschaft für Hypnose‘.“
Der Herr: „Richtig, über die Therapeutenliste der ‚Deutschen Gesellschaft für Hypnose‘.“
Im stillen denke ich mir: „Typisch. Wieder ein Artikel in der Radiozeitschrift oder in einem Heftchen in der Arztpraxis und einem schon bekannten dummen Mythos aufgesessen oder womöglich noch etwas aus meiner eigenen Feder in einem Gesundheitsmagazin und nicht offen für Bekehrung … und dann darunter die MEG- und DGH-Adresse …“
Der Herr unterbricht mein Räsonieren: „Wissen Sie, ich mache schon eine Psychotherapie, eine ganz normale. Jetzt will ich aber endlich meine Angst weghypnotisiert haben.“
Ich betone nochmals, daß Hypnose prädestiniert in der Behandlung von Angstsymptomen eingesetzt werden kann, informiere den Herrn aber auch, daß Symptome meistens ja ihre Geschichte und auch einen Sinn haben, so daß man sie nicht einfach „wegzaubern“ dürfe, was auch nicht funktioniere. In Hypnose könne leider, aber eigentlich auch glücklicherweise, niemand anderer für einen selbst das Problem erledigen. Dagegen verhelfe der veränderte Bewußtseinszustand der Hypnose einem aber dazu, ganz selbständig neue Kräfte zu mobilisieren, so daß man letztendlich selber das Problem lösen könne. Das sei doch auch viel besser. Und außerdem befände er sich ja schon in Therapie …
Ich komme nicht weit:
Der Herr: „Und das Rauchen? Können Sie mich nicht dafür in Hypnose ‚beamen‘, damit ich aufhören kann?“
„Oh, là, là ein hartnäckiger Fall“, geht mir durch den Kopf.
Ich erkläre weiter, daß Hypnose nur in einen psychotherapeutischen Rahmen eingebettet angewendet werden sollte. Auch ich würde Hypnose ausschließlich innerhalb meiner Psychotherapien einsetzen. Und da er sich schon in einer Therapie befände, bliebe mir nur übrig, ihm eine Empfehlung zu geben, und ob er diese anhören wolle.
Der Herr: „Werden Sie mich jetzt durchs Telefon hypnotisieren?“
Amüsiert antworte ich: „Durchs Telefon? Eigentlich nicht, aber wer weiß, nichts ist unmöglich. Und Sie sind ja wirklich zu vielem bereit, um Ihre Angst zu verlieren. Das ist gut. Dann werden Sie auch erfolgreich sein!“
Klingt wie eine klassische Suggestion, könnte sogar wirken, bei der Motivation …
Pause.
Gespannte Aufmerksamkeit auf der anderen Seite.
Ich: „Wollen Sie meine Empfehlung nun anhören, um sich besser zu fühlen und sicherer zu werden?“
Der Herr deutlich: „Ja.“
Ich: „Lernen Sie Selbsthypnose! Kaufen Sie sich dazu das Buch Selbsthypnose von Brian Alman, studieren Sie es, machen Sie die Übungen und besprechen Sie alles mit Ihrem Therapeuten.“
Der Herr, hörbar aus allen Wolken fallend: „Ich soll da selber was machen können?“
Ich, die sich zufällig ergebende Chance nutzend: „Ja, Sie können, weil Sie wollen!“
Der Herr, verwundert, aber sich öffnend: „Meinen Sie?“
Ich: „Ja, ich meine nicht nur, ich bin sicher. Sie werden davon profitieren.“
Der Herr: „Warum nicht?“
Ich: „Ja, warum nicht. Alles Gute!“
Dieses Gespräch gibt die typische Erwartungshaltung wieder, der wir als Hypnotherapeuten ständig von neuem ausgesetzt sind und für die wir gewappnet sein müssen. Im Moment des Niederschreibens am PC erhalte ich einen fast identischen Anruf, auch was die nachträgliche Frage nach der Raucherentwöhnung anbelangt, nur unterschieden durch die Aufzählung aller bisher durchlaufenen therapeutischen und medizinischen Stationen (zur Beseitigung einer Schlaflosigkeit der Aufenthalt im Schlaflabor etc.) und durch den Hilferuf:
„Sie sind meine letzte Rettung!“
1.2 Mythen und Vorurteile
Die ganz besonderen ‚Hypnosephänomene‘, die von uns Hypnotherapeuten, ob wir es wünschen oder nicht, wie automatisch Besitz ergreifen
Der Glaube des Laien:
Hypnose ist nur bei leichtgläubigen und einfältigen Personen anwendbar.
Hypnose erzeugt Abhängigkeit.
In Hypnose benimmt man sich auf peinliche Art und Weise.
In Hypnose erzählt man widerstandslos alles über sich.
Aus dem hypnotischen Zustand kann man eventuell nicht zurückkehren.
In Hypnose geht man in eine Art Koma.
Jemand anderer kann einen im hypnotischen Zustand zu unfreiwilligen Aussagen oder Handlungen mißbrauchen.
In Hypnose ist man dem Therapeuten ausgeliefert.
Jemand anderer (der Hypnotiseur oder der Hypnotherapeut) könne für einen etwas auf magische Art und Weise (möglichst innerhalb einer Sitzung) erledigen.
Der Hypnotherapeut ‚versetzt einen in Hypnose‘ und manipuliert dann am Symptom, bis es weg ist.
Die immer noch verbreitete Ansicht in Fachkreisen:
Nur bestimmte (suggestible, ‚einfach strukturierte‘, ‚hysterische‘) Leute sind „hypnotisierbar“.
Hypnose ist einfach nur Entspannung.
Hypnose ist ein schlafähnlicher Zustand.
Hypnose deckt Probleme nur zu.
In Hypnose wird (gefährlicherweise) nur symptomorientiert gearbeitet.
Hypnose ist bei Depressionen kontraindiziert, sogar gefährlich wegen angeblicher Begünstigung suizidaler Tendenzen und starker Abhängigkeit vom Therapeuten.
Hypnose ist das Eintrichtern einfacher positiver (und natürlich unwirksamer) Formeln.
1.3 Hypnose aber wirkt anders
Kurzgefaßt: Der hypnotische Zustand entkrampft physisch und psychisch. Durch Tiefenentspannung mit vegetativer Umstellung bzw. Harmonisierung wird somatische Heilung unterstützt.
Psychisch wird mehr Freiraum gewonnen, mental werden innere Bezugsrahmen erweitert und Handlungsspielräume vergrößert. Insgesamt können wir von einer Stärkung der Persönlichkeit im positiven Sinne ausgehen, womit die Autonomie des Patienten gefördert wird. Traumata können aufgefunden und bearbeitet werden. Hypnose verändert innere Bilder.
Gute Erfolge lassen sich in der Schmerztherapie und in der Behandlung psychosomatischer Krankheiten verzeichnen.
1.4 Hypnose in Stichpunkten
Nach Milton Erickson beschreiben vier Worte, die alle mit dem Buchstaben ‚E‘ anfangen, die Hypnose: Excitement – Experiment – Experience – Enjoyment
Hypnose ist:
– primär entspannend, somit entängstigend (ent„eng“stigend) und tief erholsam;
– ein veränderter Bewußtseinszustand mit ausgeprägten Alpha-Phasen in der rechten Hemisphäre;
– ein aktiver, wacher, geistig aufmerksamer Zustand;
– im therapeutischen Sinn ein schöpferischer Zustand des Lernens und der Neuorientierung;
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