Und Friede auf Erden von Karl May. Karl MayЧитать онлайн книгу.
deutlich wie vorher geworden. Und, sonderbar, die Heidentempel bildeten das Thema, auf welches er so oft wie möglich
zurückzukommen strebte, obgleich Mary sich Mühe gab, ihn immer wieder davon abzubringen. War dies nichts Anderes
zu nennen, als nur ein bevorzugter Gesprächsgegenstand? Ließ es sich einfach nur aus seinem Beruf als Missionar
erklären, daß dieses Wort sich in seinem Ideenkreise so fest eingenistet hatte? Oder sollte - -? Nein! Den Gedanken an
eine geistige Störung mußte ich in Rücksicht auf eben diesen Beruf von mir weisen. Wer nach China geht, um »Heiden zu
bekehren,« bei dem ist doch wohl eine vollständig gesunde Psyche vorauszusetzen. Jedenfalls aber war im Verlaufe
dieses Abendessens mein Interesse nicht nur für die beiden Chinesen, sondern auch für den Amerikaner und seine
Tochter um ein Bedeutendes gesteigert worden.
Nach Tische ließ ich mir den Kaffee, wie gewöhnlich, hinaus auf den elektrisch beleuchteten Vorplatz bringen und saß
noch kaum einige Minuten da, als Waller und Mary das Hotel verließen, um einen Spaziergang zu machen. Sie kamen
nahe an mir vorüber und - ob ich mich irrte, weiß ich nicht, aber es war mir, als ob er schon wieder über irgend einen
Tempel mit ihr spreche.
Sejjid Omar, der Eselsjunge, stand drüben auf seinem Platze. Nach einiger Zeit band er seinen Esel an und kam
herüber bis an die breiten Aufgangsstufen, welche Dienstpersonen, die nicht in das Hotel gehören, nicht ohne Erlaubnis
betreten dürfen. Als er den dort befindlichen zweiten Portier um diese Erlaubnis bat, sah ich, daß er nach mir
herüberzeigte. Sie wurde ihm gewährt, und dann kam er auf mich zugeschritten, langsam und würdevoll wie ein
Ambassadeur des Padischah von Stambul. Vor mir stehenbleibend, kreuzte er die Hände auf der Brust, verbeugte sich
und grüßte:
»Guttakk!«
Ich sah ihn fragend an und antwortete nicht.
»Guttakk!« wiederholte er, und als ich auch dann noch nichts sagte, besann er sich eines Besseren und fügte noch
eine Silbe hinzu: »Guttertakk!«
Er hatte »Guten Tag!« gemeint.
»Iis'id masak!« antwortete ich, ihm dadurch andeutend, daß er arabisch sprechen solle, weil meine Sprachkenntnisse
für sein Deutsch nicht ganz ausreichend seien. Da er hörte, daß ich seiner Muttersprache mächtig war, holte er erleichtert
Atem und erkundigte sich:
»Ich bin Sejjid Omar. Welchen Titel soll ich dir geben, wenn ich mit dir spreche?«
»Man hat mich stets Sihdi (* »mein Herr.«) genannt,« antwortete ich.
»Nun wohl, Sihdi; ich hörte von dem Kellner, der dich auf deinem Zimmer bedient, daß du eine sehr lange und sehr
weite Reise machen willst und einen arabischen Diener brauchst, der dich begleiten soll. Es haben sich schon Viele
gemeldet, doch Keiner hat dir gefallen. Wenn Allah will und du stimmst bei, so gehe ich mit dir.«
Es war so, wie er sagte. Ich wollte zunächst nach dem Sudan hinauf; und deshalb mußte der Betreffende arabisch
sprechen können.
»Wie kommst denn du dazu, dich mir anzubieten?« fragte ich. »Bringt dir dein Esel zu wenig Geld ein? Gefällt es dir
nicht mehr in Kairo?«
»Ich habe mein gutes Auskommen und bin mit dieser meiner Vaterstadt zufrieden. Ich wäre nie von hier fortgegangen,
aber mit dir möchte ich gern reisen, weil ich dich liebgewonnen habe.«
»Liebgewonnen? Weshalb?«
»Aus vielen Gründen. Ich sah, daß du mich beobachtetest, und erkundigte mich nach dir. Einer kannte dich. Du bist
nicht zum ersten Male hier und nennst dich im Hotel ganz anders, als du heißest, weil du Bücher schreibst, die von den
Leuten gelesen werden, welche dann zu dir gelaufen kommen und dich stören. Das willst du nicht. Ich soll den, der mir das
sagte, nicht verraten; er reitet oft auf meinem Esel und hat gemeint, du seist zwar ein Christ, müssest aber ein besonderer
Liebling Allahs sein; er wisse das genau, denn er habe alle deine Karten gelesen; die Briefe dürfen leider nicht geöffnet
werden.«
»Ach! Es ist der alte Ibrahim Effendi auf der Post, der mich freilich schon seit langer Zeit kennt.«
»Maschallah (* Wunder Gottes!)! Wie kannst du das erraten?«
»Du hast von Karten und Briefen gesprochen; er pflegt sie mir gern selbst zu bringen. Was deinen Wunsch betrifft, so
komm morgen früh um acht Uhr auf mein Zimmer. Ich werde dir Bescheid sagen. Jetzt kannst du gehen.«
Er verbeugte sich, grüßte und ging, kehrte aber nach einigen Schritten wieder um und sagte:
»Sihdi, ich will dir meine Bedingungen lieber gleich jetzt sagen!«
»So? Du hast Bedingungen?«
»Ja. Ich werde dir ein treuer, zuverlässiger Diener und du wirst mir ein strenger, aber guter Herr sein. Ich weiß das
ganz genau, denn ich will dir gestehen, daß Ibrahim Effendi mir mehr von dir erzählt hat, als du denkst. Du zahlst mir, was
du willst; ich bin zufrieden. Du kannst von mir verlangen, was du willst, ich werde es tun. Aber verlange nichts, was gegen
meinen Glauben ist; laß mich keines meiner Gebete je versäumen, und sprich nie von deiner Religion! Ich liebe dich, aber
ich liebe nicht das Christentum. Leletak sa'ide - deine Nacht sei gesegnet!«
Nach diesen Worten drehte er sich um und entfernte sich. Man denke ja nicht, daß ich die Pflicht gehabt hätte, ihm
wegen der an mich gestellten Wünsche zu zürnen. Sie waren nicht so unbegründet, wie man vielleicht denken mag. Um
dies einzusehen, muß man wissen, von welcher Art die Christen sind, auf die sich Omars Worte bezogen.
Da sind zunächst die Touristen. Man gehe einmal durch die Scharia Bab el Hadid nach dem Bahnhofe, um diese
Leute bei ihrer Ankunft aussteigen zu sehen. Sie kommen eigentlich nicht, sondern sie werden gebracht; sie steigen nicht
aus, sondern sie werden ausgestiegen. Sie bilden Cook- oder Stangen-»Herden«, welche sich jeder Selbständigkeit
begeben und ihren Hirten zu parieren haben. Sie sind nicht mehr Personen oder gar
Individualitäten, sondern einfach Gegenstände des betreffenden Reisebureaus. Im Bahnhof aus- und vor den Hotels
wieder abgeladen, haben sie die Zimmer zu nehmen, die man für sie bestimmt, zur vorgeschriebenen Zeit zu essen und
zu schlafen, um zwischen diesen Zeiten truppweise auf die touristische Weide getrieben zu werden. Sie machen den
Eindruck der Unwissenheit und der Hilflosigkeit, und jeder Eingeborene, dessen Dienste sie in Anspruch nehmen
müssen, hält es für sein gutes Recht, ihre Unkenntnis möglichst auszubeuten. Sie mögen sich nun gegen ihn verhalten,
wie sie wollen, höflich oder grob, freigebig oder nicht, auf alle Fälle betrachtet er sie als Personen, die sich mit ihm nicht
messen können und deren Heimat eine so traurige ist, daß sie weite und kostspielige Reisen machen müssen, um
einmal etwas Schöneres und Besseres zu sehen. Er sieht und hört ihre laute Bewunderung für Alles, was für ihn zu den