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Und Friede auf Erden von Karl May. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Und Friede auf Erden von Karl May - Karl May


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»Well, mein Kind! Ich bringe ihnen meinen Glauben. Das ist mehr als genug!«

       »Und ich bringe ihnen meine Liebe, meine ganze, ganze, volle Liebe! Ob das genug ist, weiß ich nicht; aber ich

       besitze ja nichts weiter, was ich geben kann. Und diese Liebe gebe ich so gern, so unendlich gern. Was habe ich

       gewünscht! Wie habe ich geträumt, gehofft, geschwärmt! Mein Herz ist mir nach hier vorausgeflogen. Es ist mir, als sei

       mein bisheriges Leben eine Weissagung gewesen, welche von heute an beginne, in Er- Erfüllung zu gehen. Der Orient ist

       die Heimat des Menschengeschlechtes. Fühlst du nicht auch, was es heißt, am Tore unserer Heimat zu stehen? Im Osten

       geht der Welt die Sonne auf. Ist es nur dein Glaube, welcher ihr entgegen geht? Bringst du ihr gar, gar nichts anderes

       mit?«

       »Schwärmereien!« antwortete er überlegen. »Das sind nun die Folgen meiner Schwäche, deine Lektüre nicht

       strenger zu überwachen. Die Gestalten aus "Tausend und eine Nacht" und anderen Büchern spuken in dir; du bist noch

       ein Kind; ich aber bin ein Mann; ich darf nicht schwärmen wie du, denn ich habe ernste Pflichten zu erfüllen. Denke an

       meine Wette mit Reverend Burton in London, im Laufe des ersten Jahres fünfzig erwachsene Chinesen zu bekehren und

       ihm die Beweise darüber vorzulegen!«

       »Was diese Wette betrifft, Vater, so wünschte ich, du wärst sie nicht eingegangen. Ich habe das Gefühl, daß es eine

       Entheiligung ist, die Seligkeit Anderer zum Gegenstande einer Wette zu machen.«

       »Nicht über diese Seligkeit, sondern über meinen Erfolg haben wir gewettet, Kind! Und ich werde gewinnen, weil mir

       die Gabe der überzeugenden Rede verliehen ist. Ich begreife nicht, wie ein Mensch einen anderen Glauben haben kann

       als den meinigen, welcher doch der einzig richtige, der einzig wahre ist. Schau dir da den Eselsjungen an! Sein Allah ist

       ein falscher Gott und sein Muhammed ein Lügner. So viele Türme da unten ragen, in so viele Moscheen möchte ich

       treten, um laut auszurufen, daß es kein anderes Heil als das unsere gibt. Warum werden so wenig Heiden bekehrt? Weil

       uns der Mut fehlt. Ich werde in China keinen Tempel betreten, ohne mich offen hinzustellen und den Ungläubigen zu sagen,

       daß sie Heiden sind, denen die ewige Verdammnis sicher ist, wenn sie sich nicht bekehren. Ich werde - - - doch, sieh hin!

       Was tut dieser Mensch?«

       Er hatte sich mitten in der Rede unterbrochen und zeigte auf Sejjid Omar, welcher jetzt Etwas tat, was die

       Aufmerksamkeit des Amerikaners auf sich zog, weil er es noch nie gesehen hatte. Der Eseltreiber schickte sich nämlich

       an, sein muhammedanisches Gebet zu verrichten.

       Es war zwar jetzt nicht eigentlich Betenszeit, denn das Asr war schon vorüber, und das Moghreb soll erst beim

       Untergang der Sonne gebetet werden; da aber die Zeit des einen Gebetes bis zum Beginn des nächsten reicht, so kann

       man die vorgeschriebene Pflicht, wenn man an ihrer Erfüllung verhindert wurde, bis zum Anfang der nächsten Periode

       nachholen. Sejjid Omar hatte aus irgend einem Grunde das Asr nicht beten können, und da sich ihm hier oben die

       Gelegenheit bot, seinen religiösen Verpflichtungen völlig ungestört nachzukommen, so tat er dies, ohne sich um den

       Glauben und die Meinung der Anwesenden zu kümmern.

       Er nahm seinen Zeuggürtel ab, faltete ihn auseinander und breitete ihn als Gebetsteppich auf die Erde aus. Nachdem

       er sich gegen Osten, mit dem Gesicht nach Mekka, gerichtet hatte, hob er die offenen Hände zu beiden Seiten des

       Gesichts empor, berührte mit den Spitzen der Daumen die Ohrläppchen und sagte:

       »Allahu akbar - Gott ist sehr groß!«

       Dieser Ruf war es, welcher die Aufmerksamkeit des Amerikaners auf ihn gelenkt hatte. Hierauf ließ er die Hände

       sinken, legte die linke in die rechte, richtete den Blick auf die Stelle des Teppichs, wo sein Kopf beim späteren

       Niederwerfen ihn berühren sollte, und fuhr fort:

       »Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrscht am Tage des Gerichts. Dir wollen wir

       dienen, und zu dir wollen wir flehen, auf daß du uns führest den rechten Weg, den Weg derer, die deiner Gnade sich

       erfreuen, nicht aber den derer, über welche du zürnest, und nicht den Weg der Irrenden.«

       Das war die heilige Fatcha, das erste Kapitel des Korans, welches jedem Gebete vorauszugehen hat. Dann folgte

       das kurze 112. Kapitel, welches lautet:

       »Sprich: Gott ist der einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht erzeugt, und kein Wesen ist ihm gleich!«

       Hierauf legte er die Hände auf die Knie, neigte den Kopf, verbeugte sich dreimal und sagte:

       »Allahu akbar! Ich preise die Vollkommenheit meines Herrn, des Großen. Gott erhöre den, der zu ihm betete. Preis

       sei dir, o Herr!«

       Nachdem er Kopf und Körper wieder aufgerichtet hatte, kniete er langsam nieder, legte seine Hände vor den Knieen

       auf den Boden und berührte mit Nase und Stirn die zwischen den Händen liegende Stelle. Dann hob er den Körper

       wieder empor, wobei aber die Knie sich nicht vom Boden trennten, sank rückwärts auf die Fersen und legte die Hände

       auf die Schenkel. Während dieser streng und genau vorgeschriebenen Bewegungen betete er:

       »Allahu akbar! Ich preise die Vollkommenheiten meines Herrn, welcher der Allerhöchste ist. Gott ist sehr groß.«

       Nun erhob er sich ganz, um stehend fortzufahren, kam aber nicht dazu, denn der Amerikaner sprang jetzt auf und zu

       ihm hin, zog ihn beim Arme vom Teppich zurück und rief dem Dolmetscher fragend zu:

       »Dieser Mensch betet wohl?«

       »Ja,« antwortete der Gefragte.

       »Muhammedanisch?«

       »Ja.«

       »Sagen Sie ihm, daß ich das nicht dulde! Sagen Sie ihm, daß ich ein Christ bin, ein Missionar, welcher zu den Heiden

       geht, um sie zu bekehren. Ich kann und darf nicht dulden, daß in meiner Gegenwart anders als christlich gebetet wird. Er

       hat sofort aufzuhören, sofort!«

       Es gilt bei den Muhammedanern schon für eine Sünde, an einem Betenden nahe vorüber zu gehen. Ihn mit Worten zu

       unterbrechen, ist gar nicht denkbar. Ihn aber in der Weise zu stören, wie der Yankee es tat, das würde man nur einem

       Wahnsinnigen oder einem Todfeinde zutrauen, welcher eine Beleidigung plant, die nur mit Blut abzuwischen ist. Dabei ist

       es ganz gleich, wes Standes der Betende ist. Beim Besuche der Moschee und auch während der Gebete außerhalb

       derselben wird der niedrigste dem höchsten und umgekehrt dieser jenem vollständig gleich geachtet. Sejjid Omar war

       zunächst starr vor Erstaunen, doch seine Augen blitzten. Dann fragte er den Dolmetscher, was der Fremde ihm gesagt

       habe. Der Levantiner berichtete es ihm mit hämischer Genauigkeit. Da hob Omar die Arme, um den Beleidiger

       anzufassen, beherrschte sich aber schnell, ließ sie wieder sinken, trat einen Schritt zurück, maß den Amerikaner mit

       einem unaussprechlichen, halb verächtlichen, halb mitleidigen Blick, warf die Hand


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