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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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büßen, doch ist mir vergönnt, dich zu dieser Nachtstunde

       zu sehen, nur darf ich nicht über ihren letzten

       Schlag verweilen. Der rote Faden, an dem du mich

       emporziehst, ist mein Lebensfaden, darum halte mich

       nicht über die Zeit. – Lange sahen sich so die Liebenden

       fast in jeder Nacht, bis sie einmal allzu lange

       Herz am Herzen ruhten – da hatte der Ritter sein Lieb

       zum letzten Male in seinen Armen gehabt. Als er in

       folgender Nacht wiederkam und den Faden faßte, da

       war er nicht mehr rot – er war durchschnitten – wohl

       aber war rot der ganze See, vom Blute der Geliebten

       gefärbt. Andere sagen, der Nonnen Mißgunst habe ihn

       durchschnitten. Der Liebende blickte traurig in den

       See und versenkte sich selbst hinab in die Tiefe. In

       Mondnächten rauschen die versunkenen Nonnen bisweilen

       herauf und tanzen als Nixen mit Skapulier und

       Stola lustigen Ringelreigen am grünen Ufer, und Irrlichter

       mischen sich in ihren Reigen.

       Der Sagen von Jungfrauen, die aus Weihern emporsteigen

       und im Arm der Liebe oder der Freude des

       Tanzes die bestimmte Stunde vergessen, worauf von

       ihrem Blute die Seen und Weiher gerötet erblickt werden,

       gibt es in Deutschland wohl an die tausend.

       60. Der Lindwurm auf Frankenstein

       Überm Dorfe Eberstadt, zwei Stunden von Darmstadt,

       liegen die umfangreichen Trümmer der Burg Frankenstein.

       Darauf saß ein Ritter, der hieß Hans, nach andern

       aber Georg, drunten im Dorfe aber floß ein

       Brunnen, aus dem die Bauern ihr Wasser schöpften,

       und auch auf die Burg hinauf wurde solches Wasser

       geholt. Neben dem Brunnen wohnte ein greulicher

       Lindwurm, der ließ niemand zum Brunnen, es mußte

       ihm zuvor ein nicht zu kleines Tier geopfert werden,

       ein Schaf, ein Hund, ein Kalb, ein Schwein – er fraß

       alles und viel, und solange er fraß, konnte jedermann

       zum Brunnen – wenn er aber nichts hatte, so fraß er

       die Leute, die zum Brunnen kamen. Da entschloß sich

       der Ritter von Frankenstein, das Dorf und die Gegend

       von dem schädlichen Ungetüm zu befreien, wappnete

       sich und stritt mit dem Lindwurm, der wehrte sich gar

       wacker, spie so viel Feuer, als ihm möglich war, aber

       der Ritter schlug dem Wurm endlich den Kopf glatt

       ab, aber der spitze Pfeilschweif des Drachen kringelte

       sich um den Ritter und stach ihn hinterwärts, wo die

       Rüstung nicht deckte, in die Kniekehle, und da der

       ganze Wurm über und über, außen und innen giftig

       war, so mußte der wackere Ritter von Frankenstein

       am Drachengifte sterben. Danach ist er begraben wor-

       den zu seinen Vätern in die Kirche zu Niederbeerbach

       (andere sagen Oberbeerbach), wo die Frankensteiner

       schöne Grabmäler haben, und hat auch ein stattlich

       Monument erhalten im Harnisch mit Schwert und

       Streithammer, lebensgroß. Auf den Lindwurm, der

       seinen Schweif nach der Kniekehle richtet, tritt er,

       und Engel krönen ihn, ein echtes Bild des christlichen

       Märtyrers und Heiligen Ritter St. Georg.

       61. Das Frankensteiner Eselslehen

       Zu Darmstadt hat es vorzeiten gar böse Weiber gegeben,

       wollen hoffen, daß jetzt bessere darinnen sind.

       Diese damaligen Weiber prügelten ihre Männer, wie

       die Sage geht, nach Noten und so arg, daß die Männer

       sich ihrer Weiber und der Schläge nicht anders erwehren

       konnten, als daß sie Hülfe bei denen von Frankenstein

       über Bessungen suchten. Denen gaben die

       Darmstädter alljährlich zwölf Malter Korn, zwei Gulden

       und zwei Hessen-Albus Geld, dafür hielten die

       Frankensteiner einen Esel, den sandten sie jedesmal

       mit gutem handfesten Geleit, wenn er zur Stadt begehrt

       wurde, und auf sotanem Esel mußte das Weiblein

       reiten, das seinen Mann geschlagen, und zwar

       durch die ganze Stadt. Hatte die Frau den Mann geschlagen

       unversehens oder war dieser krank und seiner

       Kräfte nicht mächtig, so führte der Geleitsmann

       den Esel, hatte es aber zwischen Mann und Frau einen

       offenen und ehrlichen Kampf gesetzt und er von ihr

       das Beste abbekommen, so mußte der Mann zu seinem

       großen Schimpf den Esel selbst führen. Zu dieser

       Zeit ward das Recht und die Sitte gar streng gehandhabt

       zu Darmstadt, denn es war allda ein Bürgerausschuß,

       der übte die Polizei und war sehr gefürchtet

       von allem losen Gesindlein, das nannte ihn, weil er

       aus hundert Beisassen bestand, das böse Hundert. Da

       geschah es, daß einmal eine ganze Gesellschaft – ein

       Kränzchen würde man es heutiges Tages nennen –

       böser Weiber sich zusammentat, die Männer weidlich

       schlug, und da haben die Männer des bösen Hunderts

       an die Frankensteiner geschrieben, daß sie ihnen eilend

       nach dem Recht und Gesetz des Burglehens mit

       dem Esel möchten zu Hülfe kommen mit seinem Geleitsmann,

       und sie wollten beiden, dem Mann und

       dem Esel, ihren Stadtboten entgegenschicken, daß der

       beide herein nach Darmstadt geleite, sollten genugsam

       Mahl und Futter haben, und wenn sie den Esel

       gebraucht in ihren Nöten, so sollten beide wieder kostenfrei

       zurückgeleitet werden, damit daß die übermütige,

       stolze und böse Weibesgewalt möge unterdrückt

       werden und nicht weiter einreißen.

       Und auch hernachmals ist solche Strafe noch öfter

       zu vollziehen nötig gewesen, und andere Orte der

       Nachbarschaft haben den Esel auch nötig gehabt, wie

       Pfungstadt, Niederramstadt, Crumstadt, Goddlau

       usw., und Bessungen allein ist denen Rittern von

       Frankenstein hundert Malter Korn vom Eselslehen

       schuldig geblieben, daher liehen sie ihnen auch den

       Esel fürder nicht mehr, mochten ihre Weiber die Bessunger

      


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