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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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Schule, mit großen Ehren. Von

       seiner Herberge bis zur Grabstätte trugen ihn Frauen

       und erhoben um ihn großes Weinen und Wehklagen,

       des großen Lobes willen, welches der Sänger dem

       ganzen weiblichen Geschlecht zeit seines Lebens er-

       teilt hatte. Und mit den Tränen, die sie vergossen, zugleich

       gossen sie eine Fülle edlen Weins auf Meister

       Heinrichs Grab, daß der Wein durch den ganzen Umgang

       der Kirche umherfloß. Und wäre manchem

       Dichter, der auch die Frauen minnt und preist, lieber,

       sie gäben ihm solchen Wein beim Leben. Mehr als

       ein Denkmal ist Heinrich Frauenlob errichtet worden

       im Dom zu Mainz, und seine Sänge sind noch unvergessen.

       66. Die heilige Bilhilde

       Zu Hochheim am Main saß ein Geschlecht edler Franken,

       und noch gewahrte man in neuern Zeiten beim

       Ziehbrunnen allda Reste ihres Burgsitzes. Das war zu

       den Zeiten Chlodowigs, des Frankenkönigs. Dieses

       Geschlechtes einer hieß Iberich, dem ward ein Töchterlein

       geboren, das wurde Bilhilde geheißen, aber es

       empfing nicht die heilige Taufe, weil durch Feindesverheerung

       alle Priester gemordet oder entwichen

       waren. Doch sendeten die Eltern das junge Töchterlein

       in seinem dritten Jahre gen Würzburg zu Kunegunde,

       einer Verwandten, und dort empfing es Lehre

       und wurde unter die Zahl junger Katechumenen von

       den Priestern aufgenommen. Zur Taufe gelangte das

       Kind aber dennoch nicht, denn man hielt es für getauft,

       und es selbst wußte nicht, daß es noch nicht der

       Taufe Sakrament empfangen. Das Mägdlein wuchs

       und blühte heran in Tugend und Gottesfurcht. Bilhilde

       blieb frei von Heidengreueln, die dazumal noch

       neben dem Christentum im Frankenlande heimisch

       waren, und der Ruf ihrer Schönheit, Frömmigkeit und

       Sitte drang weit umher in alle Gauen. Davon vernahm

       auch Hetan, des Thüringer Herzogs Ratulf Sohn, der

       war schon einmal vermählt gewesen und hatte zwei

       Söhne, und warb um die junge Bilhilde; Hetan aber

       war noch ein Heide, und Bilhilde nahm ihn nur auf

       den dringenden Wunsch ihrer Eltern zum Gemahl,

       und in der Hoffnung, es werde ihr gelingen, ihn zum

       milden Christentum samt den Seinen zu bewegen.

       Solches gelang ihr aber mitnichten, zu ihrer großen

       Kümmernis, daher lebte sie sehr still und schmucklos,

       in den Übungen strenger Kasteiung und Buße. Hetan

       fand den Tod in der Schlacht, und seine Witwe empfand

       ein Sehnen nach ihrer Mutter, auch ward ihr von

       dem Thüringervolke mit Undank gelohnt, daß sie die

       Christuslehre unter ihm auszubreiten bemüht gewesen,

       sie wurde verfolgt und zur Flucht genötigt und

       stieg mit ihren Jungfrauen zur Nacht in ein Schiff

       ohne Steuer und Fährmann. Aber Engel erschienen,

       die lenkten das Schifflein an allen Untiefen und an

       allen Klippen glücklich vorüber auf der langen weiten

       Stromfahrt, von der fränkischen Saale in den Main

       und vom Main an Hochheim vorüber, und landete in

       Mainz an, wo Siegbert, Bilhildens Ohm, Bischof geworden

       war, der empfing die fromme Jungfrau gar liebevoll,

       gab ihr Wohnung und half ihr zum Besitz

       ihres Erbes in Hochheim, denn ihre Eltern waren

       indes verstorben. Darauf stiftete die fromme Bilhilde

       ein Kloster, Altenmünster zu Mainz, von ihrem Erbgut,

       lebte gottergeben, züchtig, mildtätig, bis ihr Lebensziel

       fast erreicht war. Da träumte dreien Nonnen

       im selben Kloster, dem Bilhilde als Äbtissin vor-

       stand, daß ihre Mutter und Oberin noch gar nicht getauft

       sei, und offenbarten es ihr, aber sie wollte und

       konnte das gar nicht glauben, bis es durch ein anderweites

       Gesicht oder durch die Stimme eines Engels

       auch ihrem Ohm offenbart wurde, der dann die fromme

       Christin in den Christenbund aufnahm. Nachher

       hat Bilhilde sich dem Weltleben völlig abgetan, und

       als sie verstarb, erschien ein Lichtglanz um ihre irdische

       Hülle, und Wohlgeruch erfüllte ihre Zelle. Kranke

       genasen in ihrer Nähe, Blinde wurden sehend, und

       Tote wandelten. Bilhilde wurde die erste Heilige des

       Frankenlandes.

       Viele sagten, Bilhilde sei noch beim Leben ihres

       Gemahls Hetan auf so wunderbar geleitetem Schifflein

       nach Mainz gekommen. Auch liegt eine Meile

       unterhalb Würzburg am Mainstrom ein Ort, heißt

       Veitshöchheim, der hat sich auch, gleich Hochheim,

       Bilhildens Herkunft, und daß sie ihm entstamme, angenommen,

       hat ihr einen eigenen Festtag gestiftet und

       bewahrt und verehrt von ihr Reliquien.

       67. Der Franken Furt

       Die Sage geht, daß die freie deutsche Stadt Frankfurt

       ihren Ursprung in solcher Weise erhalten habe. Unter

       Kaiser Karl dem Großen kriegten die Sachsen gegen

       die Franken und ihren mächtigen König, und waren

       erstere siegreich und trieben die Feinde bis hinab zum

       Ende des Mainstroms. Wie nun die Franken flüchtig

       an diesen Strom und an die Stelle kamen, wo jetzt

       Frankfurt liegt, und des Stromes Breite und Tiefe sie

       erschreckte, da sie weder Brücke noch Schiffe hatten,

       über den Main zu gelangen, siehe, da zeigte ihnen

       eine Hirschkuh gleichsam nach dem Ratschluß göttlicher

       Barmherzigkeit den Weg, indem sie ohne Gefahr

       durch den Strom schritt und also eine Furt anzeigte,

       wo die flüchtigen Franken nun ohne Gefahr über den

       Strom setzen konnten und setzten. Da nun später die

       nachfolgenden Feinde kamen und jene Furt nicht

       kannten und fanden, so mußten sie die Franken ferner

       unverfolgt lassen, und Karl der Große soll gesprochen

       haben: Besser, daß die Völker sagen, ich sei mit meinen

       Franken vor den Sachsen dieses Mal geflohen, als

       daß sie sagen, ich sei hier gefallen,


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