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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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einen Zug, dem soll Hüffelsheim zu eigen sein mit

       Wonne und Weide und aller Zubehör! – Des verwunderten

       sich die Mannen und mocht sich's keiner vermessen,

       schien ihnen allen der Schluck doch zu groß,

       und selbst der Burgpfaff, der etwas zu leisten vermochte

       in guten Trünken, und mancher andere Wakkere

       wagten sich nicht daran. Da saß auch ein alter

       Zecher im Kreise, Ritter Boos von Waldeck, der sah

       die andern alle der Reihe nach an und wartete, ob

       einer den Stiefel leeren wolle, und da es keiner tat, da

       faßte er ihn in die Hand, und ließ den Wein rinnen in

       seinen Schlund, und trank ihn leer bis auf die Nagelprobe,

       und dann sagte er: Lieber Rheingraf, dein Hüffelsheim

       schmeckte gut, wie wär' es nun mit Waldbö-

       kelheim? Der Mensch kann doch nicht in einem Stiefel

       gehen? – Aber der Rheingraf wollte nicht noch

       einen Ort an eine Rittergurgel verlieren und schwieg

       stille. Darnach ist das Sprüchwort aufgekommen: Der

       verträgt einen guten Stiefel.

       81. Der wilde Jäger

       Der Wild- und Rheingrafen einer war ein gewaltiger

       Jäger, aber nicht wie Nimrod vor dem Herrn, sondern

       so recht vor dem Teufel. Einen Tag und alle Tage

       ging es hinaus in die Forste, mit wildem, wüstem Gefolge.

       Werktag und Feiertag, das war dem Grafen

       alles gleich, in die Kirche ging er nicht, und die Pfaffen

       achtete er nicht, nur Jagen war seine Freude. Da

       geschah es eines Sonntagmorgens, daß der Wild- und

       Rheingraf abermals vom hohen Stein mit dem Gefolge

       seiner Jagdknechte und Rüden herab zu Tale zog,

       mit Horrido und Hussassa, wie der Dichter singt,

       durch Felder und Saaten, nichts achtend, niederstampfend

       in den Boden junge Saat und reife Ähren. Es

       währte nicht lange, so brachten die Hunde einen großen

       weißen Hirsch auf, dessen Spur sie nun mit lautem

       Kliffen und Klaffen folgten, und die Hifthörner

       klangen, die Hetzpeitschen knallten, daß es nur so

       sauste und brauste, immer dem Hirsch nach. In allen

       Tälern riefen die Kirchenglocken zu Gebet und Amt,

       der Wildgraf hörte es gar nicht. Ein Bäuerlein, in dessen

       Feld der fliehende Hirsch sich zu bergen suchte,

       sah den Troß auf sein Feld losjagen und fiel auf die

       Knie und flehte, seines Ackers, des einzigen, welchen

       es besitze, doch gnädiglich zu schonen – der Wild-

       und Rheingraf überritt den Bauer und stürmte mit

       dem ganzen Jagdtroß über den Acker hin. Der fliehende

       Hirsch mischte sich unter eine weidende Herde, da

       Sicherheit zu suchen – der Hirte sah die wilde Jagd

       annahen und flehte um Barmherzigkeit für das ihm

       anvertraute Vieh – der Wild- und Rheingraf knallte

       ihm mit der Peitsche um die Ohren und schrie: Hui

       hatz! hui hatz! – da fiel die blutgierige Meute mit wütenden

       Bissen den Hirten an, und rissen ihn nieder,

       und bissen die Rinder tot, und jagten den Hirsch weiter.

       Dieser gewann einen Wald, dessen friedliche

       Sonntagsstille jetzt gellend laut der Zug des wilden

       Jägers durchtobte.

       Im Walde stand eine Einsiedlerklause, und in diese

       floh jetzt der auf den Tod gehetzte Hirsch. Der Wildund

       Rheingraf stürmte mit seinem Troß gegen die

       Klause an – der Klausner, ein Greis mit schneeweißem

       Bart, trat heraus und hob warnend die Hand.

       Nicht weiter! rief er mit starker Stimme. Hier ist das

       Asyl der Kreatur! – In der Hölle ist dein Asyl, du alter

       Hund und Narr! schnaubte der Wild- und Rheingraf

       den Klausner an und hob die Peitsche hoch gegen ihn

       auf. Aber die aufgehobene Rechte fiel nicht mehr zum

       Schlage nieder. – Nacht ward es plötzlich – der

       Klausner und die Hütte, der Hirsch und die Hunde,

       die Jäger und die Knechte – alles schwand, und des

       Wild- und Rheingrafen keuchendes Roß brach zusam-

       men. Und da zuckte ein Blitz, und da fuhr des Teufels

       Faust riesengroß aus der Erde und drehte dem wilden

       Jäger den Hals um, und eine Stimme donnerte: Jage

       so fort, bis an der Welt Ende! – Und also geschieht

       es, wie viele viele Sagen melden, daß von Zeit zu Zeit

       die wilde Jagd durch die Lüfte und über Felder und

       Wälder fährt mit gräßlichem Geschrei, mit dem Kliffen

       und Klaffen der Hunde, mit gespenstischem Wild,

       und der wilde Jäger selbst als Wild gehetzt vom wilden

       Heere der Hölle.

       82. Spanheims Gründung

       Es war vordessen ein Graf von Vianden und Ravenzierburg,

       der liebte eine Gräfin des Nahegaues, welche

       eine Witwe war, und auch sie war ihm als dem

       zweiten Bewerber um ihre Hand nicht abhold – aber

       der Graf hatte in einer Fehde einen nahen Verwandten

       der Gräfin erschlagen, und so konnte und mochte sie

       ihm, schon der Verwandtschaft wegen, die Hand zum

       Ehebunde nicht so bald reichen, sondern band die Erfüllung

       seines Wunsches an eine Bedingung, welche

       Zeit vergönnte, jenen Fehdehandel mehr in Vergessenheit

       kommen zu lassen. Sie sprach zum Grafen

       von Vianden, er möge zur Sühne des Erschlagenen

       eine Pilgrimfahrt in das Heilige Land antreten und

       von dort ihr ein Zeichen von den heiligen Orten mitbringen,

       das geweiht und beglaubigt sei, daran werde

       sie seine aufrichtige Liebe und den Willen des Himmels

       zugleich erkennen. – Der Graf schied vom Heimatlande,

       und es währte wohl über Jahr und Tag,

       bevor er an die Rückkehr denken konnte. Er kämpfte

       gegen die Ungläubigen, betete an allen heiligen Orten

       und erwarb, sein Gelübde zu lösen, auch einen Span

       vom Kreuze des Herrn, dessen Echtheit der Patriarch

       von Jerusalem durch einen Pergamentbrief mit bleiernem

       Siegel beglaubigte. Der Graf von


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