Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
mit ihm und seiner Schwester im Brett und
selbst mit Würfeln und spielte auch die Harfe gar
wundersam, daß kein Mensch auf Erden ihr solche
Töne entlocken konnte. Wollte Nibelung sich überzeugen,
ob wirklich der Elbe bei ihm sei, so fühlte er
nach dessen Hand, und die war sehr klein, zart, weich
und warm. Dieser Elb trieb es also drei Jahre lang auf
Hardenbergs Schlössern und beleidigte niemand, da
geschah es, daß er beleidigt wurde, denn die Hausgenossen,
denen seine Anwesenheit unverborgen war,
wurden von Neugierde geplagt, ihn zu sehen und doch
zu erfahren, wie der Elbe aussähe. Da streuten sie
heimlich Asche auf den Fußboden und Erbsen, und
Goldemar der Zwerg kam, sich nichts versehend, in
den Saal und trat auf die Erbsen und glitt aus und fiel,
und seine Gestalt drückte sich in die Asche ab. Die
war aber gestaltet wie eines sehr jungen Kindes Gestalt,
und die Füße waren ungestaltet. Da kam der
Elbe Goldemar nimmer wieder auf des Hardenbergs
Schlösser. Er wandte sich anderswohin und entführte
eine Königstochter, die hieß Hertlin. Die Mutter dieser
Königstochter starb vor Leid über der Tochter
Verlust, letztere aber ward durch den sieghaften Helden
Dietrich von Bern, den alte Lieder feiern, befreit
und von ihm geehelichet. Manche sagen, daß dieses
Bern, wovon der Held Dietrich den Namen geführt,
nicht das Bern in der Schweiz, auch nicht das welsche
Bern, Verona, gewesen, sondern das rechte Dietrichs-
Bern sei Bonn gewesen, der älteste Teil dieser Stadt
habe auch Verona oder Bern geheißen, und da in dieses
rheinische Land und Gefilde so viele Taten Dietrichs
von Bern fallen, von denen in alten Heldenbüchern
viel zu lesen, so dürfte wohl etwas Wahres an
der Sache und Sage sein. Der Gezwerg Goldemar aber
habe, nachdem ihm Dietrich die Beute abgedrungen,
die Riesen zu Hülfe gerufen und Berge und Wälder
ringsum schrecklich verwüstet. Die Stadt Elberfeld
soll ihren Namen von nichts anderm tragen als von
den Elben, auf deren Felde sie begründet ward.
112. Das heilige Köln
Köln ist eine der ältesten, größesten und berühmtesten
Städte am Rhein. Es soll, nachdem seine Stätte
schon von Urvölkern bewohnt worden, sechzehn
Jahre vor Christi Geburt begründet sein, und zwar
von Marcus Agrippa, dem Tochtermann Kaiser Augusts,
daher sein lateinischer Name Colonia Agrippina,
den es noch heute führt, und der offenbar auf Römeransiedelung
hindeutet, sprächen nicht noch steinerne
Zeugnisse für deren Vorhandensein schon in
sehr früher Zeit. Es hatte die Stadt Köln so viele Kirchen
und Kapellen, als das Jahr Tage zählt, und es
birgt so viele Heiligen- und Martyrerleiber, daß der
Stadt schon in früher Zeit der Beiname der heiligen
wurde, auch ward Köln häufig das deutsche Rom genannt.
Zahllose Wunderlegenden wären von alle den
hier aufbewahrten Martyrerleibern, Schädeln und Gebeinen
zu erzählen. Die drei Weisen des Morgenlandes,
die das Christkind begabten, ruhen allda, St. Gereon
mit seinen Kriegern, St. Ursula mit ihren eilftausend
Jungfrauen, St. Georg der Drachentöter, die
Mutter der Makkabäer mit ihren Söhnen, St. Matern,
des heiligen Apostel Petrus Jünger, kein anderer als
der Sohn der Witwe zu Nain, vom heiligen Petrus mit
seinen Gefährten Eucharius und Valerianus nach
Deutschland gesendet, im Elsaß, drei Meilen von
Schlettstadt, abermals gestorben, begraben und nach
vierzig Tagen mit dem Stab St. Petri, der noch im
Kölner Domschatz vorhanden, berührt und wieder lebendig
gemacht, der erste Bischof von Köln geworden
und im einhundertundfünfzehnten Jahre seines Lebens
zum dritten und letztenmal gestorben. Und nun die
langen Reihen heiliger und frommer Bischöfe, dann
Erzbischöfe aus den edelsten und berühmtesten rheinischen
Geschlechtern, mit großer Macht begabt,
unter ihnen St. Severin, St. Cunibert u.a. Und Anno,
der heilige Erzbischof, mit dem die heilige Stadt Köln
die erste Fehde hatte, ihn unterm Banner ihrer Heiligen
und Martyrer verjagte und dann aufs neue ihm
dennoch huldigen mußte – und so viele andere. Gar
große Rechte und Freiheiten hatte die Stadt und hat
sie zum Teil noch immer, und sie stammen aus uralten
Zeiten her.
113. Der Bürger Marsilius
Zu den Heidenzeiten geschah es, daß ein römischer
Kaiser Köln belagerte und es in große Not brachte. Es
begann in der Stadt an allem zu mangeln, am meisten
aber war Mangel am Holz. Da war ein edler Bürger
und Hauptmann in der Stadt gesessen, der hieß Marsilius,
der ersann einen listigen Anschlag und gab
guten Rat. Eine Schar Frauen, als Männer verkleidet,
mußte mit Karren und Holzwagen zu dem einen Tore
aus und nach dem Walde ziehen, dort Holz zu fällen
oder auch nur so zu tun, als sei das der Schar Geschäft
und Wille, die Bürger aber unter ihrem Führer
Marsilius zogen zu einem andern Tore hinaus, um den
Feind, sobald er sich gegen die Schar der Frauen wenden
würde, in den Rücken zu fallen. Und es geschah
alles so, wie es vorgesehen war, und die Bürger drangen
mit großer Macht auf den Feind, und auch die
Frauen trugen ihre Wehren nicht zum Schein, und die
Kölner gewannen einen vollständigen Sieg, erwarben
viele Beute und gewannen eine große Schar von Gefangenen,
darunter den Kaiser selbst, der ihre Stadt
belagert. Der ward in einen tiefen Turm gelegt und
sollte dann auf offenem Markte enthauptet werden.
Schon war ein köstlicher Teppich bereitet, der des