Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
der Kaiser auf ihn niederknieen; da sprach er: Ließet
ihr mich leben, ihr Bürger von Colonia, so sollte euch
mein Leben viel nützer sein denn mein Tod. – Da
wurde dem Henker geboten, noch zu harren, und
wurde noch einmal Rat gehalten, und Marsilius riet,
dem Kaiser das Leben zu schenken, aber von ihm
stattliche Gerechtsame zu begehren. Der Rat war den
Kölnern abermals genehm, und Marsilius und die Senatoren
entwarfen die Gerechtsame, welche sie fordern
wollten, und schrieben sie auf eine glatte Tierhaut,
und der Kaiser mußte sie besiegeln und seinen
großen Ring in ein dickes Stück Wachs auf dem pergamentnen
Brief drücken und seinen Namenszug danebenschreiben
nach alter Sitte. Solches geschah an
einem Donnerstage im Monat Junius, und hernachmals
haben die zu Köln fort und fort am Donnerstag
nach dem heiligen Pfingstfest diesen Tag begangen
und ihn Holzfahrttag geheißen und sind mit Gesang
und Spiel und Festlust nach dem Walde gezogen.
Marsilius aber ward ob seines guten Rates hoch geehrt
und der Stadt vornehmster Bürger und Hauptmann,
und als er gestorben war, wurde sein Sarg in
die Stadtmauer beigesetzt, da, wo man es nachher zu
St. Aposteln genannt hat, und ihm ein steinern Denkmal
aufgerichtet. Auch ist seine Bildsäule noch am
Gürzenich zu sehen, dem alten Kauf- und Ballhaus
der Stadt Köln, neben ihrem Begründer Marcus
Agrippa, zu ewigen Ehren und Gedächtnis.
114. Die Kölner Dom-Sage
Da man begann, den Kölner Dom zu bauen, verdroß
den Teufel mächtig, daß in der heiligen Stadt Köln,
welche schon so viele Kirchen und Kapellen hatte,
darinnen die Frommen Gott dienten, dem Herrn auch
noch so ein übergroßes Haus erbaut werden solle; der
Teufel nahm daher Menschengestaltung an, trat mit
List zu dem Baumeister und sprach zu ihm: Du übernimmst
ein unausführbar schweres Werk! Was wettest
du, daß ich eher einen Kanal lege von Trier bis
nach Köln, ehe du deinen Bau vollendest? Einen
Kanal, mittelst dessen dieser guten Stadt reines Trinkwasser
nicht minder als auch edler Moselwein zufließen
kann, und meine ich fast, solcher Kanal wäre der
Stadt nützer als noch eine Kirche zu den vielen, die
Köln schon hat. – Was soll ich wetten? fragte der
Baumeister. – Wir wetten, daß der von uns sein begonnenes
Werk alsbald einstelle, es sei vollendet, so
weit es wolle, wenn das des andern als vollendet erscheint.
Ich das meine, wenn du die höchsten Kronen
auf die Spitzen deiner Domtürme setzest, du das
deine, wenn von Trier das Wasser in meinem Bau geflossen
kommt und in deinen ausmündet. – Der Dombaumeister
ging diesen Vertrag ein, und beide gingen
an ihr Werk. Hoch und höher wuchs der Dombau, nah
und näher rückten von Trier aus die Säulen einer gewaltigen
Wasserleitung, ein stolzes Werk, wie nur die
Kunst der alten Römer aufzuführen vermocht hätte.
Da – als die Domtürme die Höhe des Krans erreicht
hatten, da stand der Baumeister oben auf dem Gerüste
und blickte hinab und sahe zu seinem Schrecken das
Werk vollendet, der Kanal war bis an den Dom herangerückt,
noch war er wasserleer, da schien in der
Ferne ein weißer Punkt sich zu bewegen, näher und
immer näher – und da kam das Wasser brausend geschossen,
und auf dem Wasser schwamm eine weiße
Ente. Als der Baumeister so sich überwunden sah,
stürzte er sich von der Höhe des Turmes und des Baugerüstes
in die Tiefe herab, und sein treuer Hund, der
ihm auf das Gerüste gefolgt war, sprang ihm nach.
Nimmer konnte der Dom vollendet werden, aber auch
jene Wasserleitung brach die mächtige Hand der Zeit.
Das Volk nennt ihre Trümmer die Teufelskralle. Zum
Überfluß und als Siegeszeichen warf der Teufel einen
Stein durch das Dach im Chor über der Heiligen-
Dreikönigs-Kapelle, davon ein drei bis vier Fuß weites
Loch blieb. Späterer Aufschrift zufolge soll es der
Wind gewesen sein, der den Stein herabwarf; der
Stein aber lag oder liegt noch auf dem Pflaster bei der
Kapelle, die Leute nennen ihn den Teufelsstein, man
sieht auf ihm eine Marke wie eine Hahnenkralle, die
von der Teufelskralle eingebrannt ward. Da die Leiber
der heiligen drei Könige gen Köln kamen, welche der
Erzbischof Reinold II., ein Graf von Dassel, vom
Kaiser Friedrich Barbarossa für Köln erbat, da dieser
Mailand, allwo diese heiligen Leiber früher aufbewahrt
wurden, hatte schleifen lassen, trug ein Kameel
die werte Last, und es neigete sich, die Reste der Weisen
zu ehren, ein Turm gegen sie und blieb in geneigter
Stellung. Das Tor am Rhein, durch das sie gebracht
wurden, ward alsbald vermauert, damit es nie
wieder entweiht werde. Zahllose Wunder erzählt man
von diesen Heiligen, deren drei Kronen die Stadt in
ihrem Wappen führt. Einst kam aus Ungarland, wo
wegen zu großer anhaltender Dürre merkliche Hungersnot
entstanden war, eine Menge Volkes nach
Köln und wollte die heiligen drei Könige um Regen
anflehen. Kaum war das erste Gebet erklungen, als
der Himmel sich trübte und heftiger Regen niederströmte
zum Gnadenzeichen, und es hat dann im Ungarlande
im Überfluß geregnet. Zum Danke dafür
sind aller sieben Jahre Abgesandte aus Ungarn gen
Köln gefahren, haben die heiligen drei Könige verehrt
und ihre Kapelle und Priester begabt, und der Magistrat
hat sie vierzehn Tage gespeist und getränkt und
geherbergt.
115. Albertus Magnus
Es war ein berühmter Mönch und hochgelahrter Doktor