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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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Stuhl, neigte sich gegen den Kaiser und sprach:

       So du es mir vergönnest, großer Kaiser, so will ich

       wohl dieser Frauen Kämpe sein. Das wurde ihm gewährt,

       und er stritt darauf einen schweren Streit mit

       dem Sachsenherzog, doch obsiegte er ihm endlich und

       machte so der Herzogin und ihrer Tochter Erbe frei

       und ledig. Die danketen ihm in Züchten, und die Herzogin

       bot ihm jeden Kampfeslohn, den sie gewähren

       könne, und wär' es selbst ihrer Tochter Hand und einstiges

       Erbe. Da sagte der Jüngling, Werteres könne

       ihm nimmer geboten werden; sein Name sei Helias,

       das und mehr könne er von sich nicht sagen, und

       müsse er unerläßlich bedingen, daß seine Braut und

       Vermählte nie und nimmermehr ihn frage, wo er hergekommen,

       welches sein Geschlecht sei, wer ihm

       Vater und Mutter wäre, und solcher Fragen mehr,

       denn sowie sie solche Frage auch nur die leiseste und

       nur ein einziges Mal an ihn richte, müsse sie auf

       immer ihn verlieren.

       Diese Bedingnis deuchte der Prinzessin von Brabant

       gar leicht zu halten; sie gelobte ihm das und vermählte

       sich dem Schwanenritter Helias. Sie zogen

       nach Cleve, der uralten Stadt, wo schon Julius Cäsar

       eine Burg erbaut, erneueten das Schloß und nannten

       es die Schwanenburg und freuten sich des Lebens und

       der Landschaft, die schon manche mit den elyseischen

       Feldern der alten Mythe ob ihrer Anmut verglichen.

       Beide gewannen auch zwei blühende Kinder und

       waren sehr glücklich, wären es auch geblieben, wenn

       nicht der Weiber Erbsünde, die schlimme Neugier,

       die junge Herzogin gequält und immer mehr gequält

       hätte. Die mochte gar zu gerne wissen, wer denn eigentlich

       ihrer Kinder Vater sei, und so drückte es ihr

       fast das Herz ab, bis sie endlich die Frage tat, die ihr

       doch so ernst verboten war. Da sprach Helias: Nun

       hast du dein Glück zerbrochen und mein Glück und

       hast mich am längsten gesehen. – Und waffnete sich

       und winkte zum Fenster hinaus – da kam schon der

       Schwan geschwommen mit seinem Schifflein. Und

       der Herzog küßte seine Kinder und drückte seiner Gemahlin

       stumm und schmerzlich die Hand – die weinte

       überlaut und stürzte ihm voll Reue zu Füßen und

       wollte ihn zurückhalten, und auch alles Volk flehte

       ihn an, daß er bleiben sollte. Aber Helias konnte nicht

       bleiben – er segnete alle, bestieg seinen Kahn und

       fuhr von dannen. Tief drang der Kummer ins Gemüt

       der Herzogin, doch erzog sie die Kinder zu tüchtigen

       Rittern, und ihnen entstammten alle spätern Grafen

       und Herzoge von Cleve und Geldern und Reineck, die

       führten meist den Schwan im Wappen. Des Landes

       Heerschild aber blieb der weiße Stein im roten Felde,

       um den die acht goldnen Szepterstäbe gestellt sind,

       bis auf diesen Tag. Auf dem Schwanenturme der

       Schwanenburg aber zeugt noch ein weißer Schwan,

       der sich im Winde dreht, von dieser Geschichte.

       136. Gelre, Gelre!

       Im weiten offnen Lande zwischen dem Rheinstrom

       und der Maas hauste zu Kaiser Karl des Kahlen Zeiten

       ein untümlicher Drache, der zehrte Menschen und

       Tiere auf, und wenn er Hunger hatte, so schrie er mit

       lauter gellender Stimme immerfort: Gelre, Gelre! Die

       Menschen wichen aus der Gegend hinweg, die doch

       schön und fruchtbar war, denn das Untier war unüberwindlich.

       Nun saß in der Nähe ein Edler, Otto, Herr

       von Pont, der hatte drei Söhne, deren Ältester hieß

       Leupold, und dieser Leupold war ein tapferer junger

       Degen und hatte Mut, dem Ungetüm zu Leibe zu

       gehen. Er wappnete sich auf das beste und erkundete

       den Ort, wo der Drache hause. Da ward ihm ein alter

       Birnbaum gewiesen, der voller Mistelpflanzen stand,

       und da dauerte es nicht lange, so hörte Herr Leupold

       den Drachen schon schreien: Gelre, Gelre! – Harre

       nur, dachte der junge Degen, ich will dich schon begelren,

       und rückte auf den Drachen zu. Dieser funkelte

       ihn mit feurigen Augen an, die wie Sterne blitzten,

       und sperrte seinen Rachen greulich auf und blies giftigen

       Atem daraus hervor, aber Herr Leupold stieß ihm

       seine Lanze hinein, daß am Hinterkopfe die Spitze

       wieder hervordrang, und stach ihn mit dem Schwerte

       in die Weichen und tötete ihn. Voll Dankes priesen

       die Bewohner der Gegend des jungen Ritters Heldentat

       und ernannten ihn zu ihrem Oberherrn. Er erbaute

       sich darauf da, wo er den Drachen überwunden, ein

       Schloß und nannte das nach dem Drachenschrei

       Gelre. Daraus ist der Name Geldern entstanden, den

       die blühende Provinz noch heute führt.

       137. Des Riesen Handwerfen

       Am Scheldefluß hauste zu Julius Cäsars Zeiten ein

       Riese auf einem hohen Turme, soll Antigonus geheißen

       haben, der bewachte das Land und nahm allen,

       welche dort vorüberreisten oder über das Wasser setzen

       wollten, die Hälfte ihrer Güter als Zoll ab. Wollten

       sie den nicht entrichten, so mußten sie mit ihm

       kämpfen, und dann hieb er dem Besiegten jedesmal

       die rechte Hand ab und warf sie in die Schelde. Da

       kam ein Mann, der hieß Brabon, mit mehrern andern

       Gefährten an die Stelle der Überfahrt, und fanden

       allda den Knecht des Riesen auf der Wacht, der wehrte

       ihnen den Übergang; sie sollten erst mit dem Riesen,

       seinem Herrn, das Ihre teilen, oder sie müßten

       ihre rechte Hand lassen. Dazu war Brabon nicht geneigt,

       weder zum einen noch zum andern; darauf

       schlug der Knecht an eine Eisenstange, die gab tiefen

       Glockenschall, und da kam der Riese trutziglich vom

       Turme herunter und fragte: Wer ist es, der mit mir

       kämpfen will? – Ich allein! erwiderte Brabon, und

      


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