Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
Herrschaft dank' ich schön. Ich habe diese vier
Jahre her mehr geschwitzt und gebraten als meine
ganzen Lebetage in der Hölle. Du heizest einem ja
ärger ein als Beelzebub und machst einem so warm,
uff! Ich schenke dir die vier Jahre und deinen Kontrakt,
gib mich frei, du sollst alles umsonst genossen
haben! Aber Faust sagte: Quod non Diabole! Verträge
muß man halten, bist du meiner müde, bin ich
doch nicht deiner müde! Und so mußte der Teufel Jost
dem Doktor Faust noch drei volle Jahre dienen. Als
diese drei Jahre herum waren, wer war da froher als
der Teufel? Er fuhr so recht wie der Teufel auf das
Schloß Waerdenberg, packte Faustum und zerrte ihn
an den Haaren durch ein engvergittertes Fenster des
Schloßturmes, daß das helle Blut ringsherum spritzte.
Das machte Flecken, die nicht wegzuwaschen sind
und immer noch gezeigt werden.
Seltsam ist's, daß die weitumgehende Sage vom
Teufelsbündner Doktor Faust sich gern an Orte nahe
verwandten Klanges heftet, die deutsche Sage läßt ihn
im Lande Württemberg zu Knittlingen geboren werden,
läßt ihn in Wittenberg lehren, in dessen Nähe
enden, und die deutsch-niederländische Sage versetzt
ihn nach Schloß Waerdenberg. Diesem Zusammenhang
mögen die Forscher der Sage weiter nachsinnen,
ob dies mehr als bloßer Zufall sei.
142. Vom Zauberer Agrippa
Der weit berufene Zauberer Henricus Cornelius
Agrippa wohnte zu Löwen, er führte stets einen
schwarzen Hund mit sich, der ihm auf dem Fuße folgte,
wie dem Doktor Faust sein Hund Prästigiar; mochten
wohl beide von einer Art abstammen, und hieß
des Agrippa Hund Paradrius. Dieser weise Meister
der Magie, Agrippa, hatte stets einen Schüler, dem er
die schwarze Kunst lehrte, und der ihm als Famulus
diente. Nun trug sich mit einem dieser Schüler folgendes
zu. Der Meister mußte verreisen, und der Schüler,
den er damals gerade hatte, war noch zu unerfahren,
als daß der Meister ihn hätte in seine Heimlichkeit
blicken lassen können oder wollen. Er gab daher beim
Abschied den Schlüssel zu seinem Studierzimmer der
Hausfrau und befahl ihr bei Leib und Leben, keinen
Menschen in dasselbe einzulassen. Kaum aber war
der Meister hinweg, so bat der Schüler die Frau, ihn
in des Meisters Zimmer zu lassen, denn er war neugierig
und brauchte allerlei Vorwand, und ob auch anfangs
die Frau widerstand, so gab sie endlich doch
nach und ließ den Schüler ein. Da lag das große Zauberbuch
des Meisters auf seinem Pult an einer Kette,
damit es keiner wegtrage. Neugierig trat der Jüngling
hinzu, schlug das Buch auf und begann darinnen zu
lesen, er wußte aber kaum, daß das, was er las, eine
Beschwörungsformel war. Da klopfte es an die Türe.
Jener überhörte das Klopfen und las weiter. Es klopfte
noch einmal, aber jener hörte wieder nicht, er las
immer weiter. Da sprang die Türe auf, und es trat ein
höllischer Geist ein, fürchterlich anzusehen, und fragte:
Was rufst du mich? Was soll ich dir tun? – Der
Schüler bebte, als die übermächtige Erscheinung vor
ihm stand, er vermochte nicht zu sprechen – das Entsetzen
faßte ihn, er konnte auch den Geist nicht wieder
hinwegbannen, zürnend hob der Geist die Hand,
und der Schüler sank entseelt zu Boden. Das alles
sahe in der Ferne der Zauberer Agrippa in seinem
Erdspiegel und eilte flugs nach Hause zurück, rief
einen dienstbaren Geist und gebot ihm, in die Leiche
zu fahren und aus dem Hause zu wandeln, damit es
nicht heiße, als sei bei ihm sein Schüler umgekommen,
dann aber wieder von dem Körper zu weichen.
Diesem Gebot gehorchte der Geist, und der Schüler
wandelte wieder, wie lebend, durch die Straßen. Aber
an einer Ecke fiel er um, denn der Geist hatte ihn wieder
verlassen, und jedermann konnte nicht anders
glauben, als daß ihn erst an dieser Stelle ein jäher Tod
befallen.
Da es mit Henricus Cornelius Agrippa zum Sterben
kam, verfluchte er seinen Hund und rief: Packe dich
hinweg, du, meiner Verdammnis Schuld und Urhe-
ber! – Und nach dem Tode des Meisters ist der Hund
hinweggekommen, niemand wußte wohin. Einige
sagen, er sei in das Wasser gesprungen und seit der
Zeit nicht mehr gesehen worden, andere sagen, Agrippa
habe den Hund vor seinem Ableben an einen
Freund verschenkt, dem dann der Hund, gleich dem
vorigen Herrn, auf eine Zeit habe dienen müssen. Es
hatte jedoch mit solcher Gabe gar ein nachdenkliches
Aber.
143. Der Hund des Jan von Nivelle
Zu Nivelle geschah es, daß Bouchard V., Herr von
Montmorency, das Kloster von Sankt Gertrud besuchte,
dessen Äbtissin gleichsam als die Herrin der Stadt
angesehen wurde, und dessen Fräulein morgens geistliche,
abends aber weltliche Kleidung trugen, auch,
wenn es ihnen gefiel, das Kloster verlassen und heiraten
konnten. Eines dieser Klosterfräulein gefiel dem
Herr von Montmorency über die Maßen wohl, er liebte
es und ward wieder geliebt, doch konnte er es nicht
ehelichen. Die Frucht dieser Liebe war ein Sohn, der
empfing den Namen Jan von Nivelle, und als derselbe
herangewachsen war, schenkte oder kaufte ihm sein
Vater ein kleines Gut mit einem Schlößchen, und der
junge Herr zog abenteuernd in der Welt umher, erkämpfte
manchen Dank und erwarb am Hofe Gottfrieds
des Beherzten auch die Liebe einer schönen
Dame, die ihm willig zu folgen verhieß, als er ihr antrug,
ihm auf sein Schlößchen bei Nivelle zu folgen.
Er setzte seine Angebetete hinter sich