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Johannas Gerechtigkeit (Rache einer Vergewaltigten). Martin WischmannЧитать онлайн книгу.

Johannas Gerechtigkeit (Rache einer Vergewaltigten) - Martin Wischmann


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der täglich hart arbeitende Karl und seine nicht minder fleißige Tochter kräftig zu, während Rudolf, aufgrund seiner körperlich weniger anspruchsvollen Berufstätigkeit bereits nach drei halben Brotscheiben gesättigt war. Karl schmatzte vor sich hin, ließ ab und an seinen Blähungen freien Lauf, dabei immer wieder den Blick auf die kleine, zierliche Johanna gerichtet, die ruhig und friedlich in ihrem Körbchen schlief. Der kleine Dietrich bekam von alldem gar nichts mit. Er schlief und schnarchte unbeeindruckt von den Neuigkeiten um ihn herum. Es wurde in dieser Nacht weit nach Mitternacht, bis der letzte Bewohner des Birkenhofes endlich einschlief und sich unter dem mondklaren Nachthimmel Ruhe ausbreitete, die jedoch mehrmals unterbrochen wurde, weil die kleine Johanna lauthals schreiend auf sich aufmerksam machte.

      Die Zeit verging und im Sommer 1972 kam für den sechsjährigen Dietrich ein neuer Lebensabschnitt unaufhaltsam näher, -der Tag seiner Einschulung in der acht Kilometer entfernten Schule. Bereits am frühen Morgen waren seine Eltern Marianne und Rudolf ziemlich aufgeregt, denn sie hatten so etwas, -die Einschulung des eigenen Kindes, ja noch nicht mitgemacht. Ihre eigenen Einschulungen in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges waren für Beide nicht unbedingt mit freudigen Erinnerungen verbunden. Wobei, -genau genommen hatten sie, wenn sie sich darüber unterhielten, gar keine konkrete Erinnerung an den ersten Schultag, wohl aber an die folgende Zeit in der Schule. Sowohl Marianne als auch Rudolf erinnerten sich an den Schmerzen verursachenden Rohrstock, mit dem die Schulkinder bis in die fünfziger, -in manchen Landteilen auch bis in die sechziger Jahre gemaßregelt wurden, wie es verharmlosend genannt wurde. Realistisch beschrieben schlug der Lehrer die Kinder mit dem Stock. Marianne erinnerte sich vor allem an die grausam schmerzenden Rohrstockhiebe auf den Handrücken, während bei Rudolf die Schläge auf den nackten Hintern, -die häufig blaue und rote Spuren hinterließen, in schmerzlicher Erinnerung geblieben sind. „Ein Glück“, sagte Marianne, als sie den aufgeregten Dietrich am Morgen anzog, zu ihrem Mann, „ein Glück, dass heutzutage der Rohrstock nicht mehr zur Ausrüstung der Lehrer zählt. Meinst du nicht auch, Rudolf?“ „Da hast du recht. Gott sei Dank gehören diese mittelalterlichen Sitten der Gewaltausübung der Vergangenheit an“, antwortete der Mann, während er die hellblaue, mit allerlei Leckereien gefüllte Schultüte, die der fein frisierte Dietrich voller Stolz ansah, vom Tisch aufhob und nochmals prüfend in Augenschein nahm. Die Tüte war fast so hoch wie der Junge, als er zusammen mit seinen Eltern zum Auto marschierte. Den orangefarbenen Schulranzen auf dem Rücken und die mit beiden Händen umschließende Einschulungstüte haltend, wirkte der zierliche, schlanke Dietrich ziemlich überladen. Vater Rudolf hatte sich extra für diesen Tag Urlaub bei der Versicherungsgesellschaft genommen. Mutter Marianne war vor lauter Aufregung schon vor vier Uhr morgens aufgestanden, um neben der allmorgendlichen Stallarbeit bloß nichts wichtiges an diesem Einschulungsehrentag zu vergessen. Als der alte Karl am frühen Morgen, zur gleichen Zeit wie immer in den Kuhstall kam, hatte Marianne bereits alle Kühe gemolken, so zeitig war sie dran. Folglich fuhren die Eltern entspannt und locker mit dem aus dem offenen Fenster, seinem Opa zum Abschied winkenden Dietrich davon, Richtung Schule davon. Karl, der es vorgezogen hatte, auf dem Hof zu bleiben, da große Menschenmengen Beklemmungsgefühle bei ihm auslösten, winkte mit der rechten Hand seinem Enkeljungen hinterher. Seine nach unten hängende linke Hand wurde von der zierlichen Hand Johannas umfasst. Das Mädchen, welches ebenfalls freudig dem davonfahrenden Auto hinterher winkte, war inzwischen vier Jahre alt und ebenso munter und aufgeweckt wie ihr Bruder Dietrich. Beide Kinder waren rank und schlank, denn sie bewegten sich auf dem Hof praktisch von früh bis spät. Sie halfen der Mutter und dem Opa bei der Landwirtschaft, kletterten auf die Bäume oder den Heuboden in der Scheune, fingen davon rennende Hühner liebend gerne mit den Händen ein, indem sie ihnen hinterher rannten, bis diese erschöpft langsamer wurden und fanden praktisch immer irgendeine interessante Beschäftigung auf dem weitflächigen Anwesen des Hofes. Langeweile kannten die Kinder nicht. Johanna liebte es besonders, wenn sie morgens ihrer Mutter oder Opa Karl helfen durfte die Schweine aus dem Stall zu lassen. Das vierjährige Mädchen hatte diesen Vorgang schon unzählige Male beobachtet und miterlebt. Ein Erwachsener öffnete den Metallriegel der Schweinestalltür und musste sich dann von der Tür entfernen, denn die drei erwachsenen Schweine stießen, wenn sie das laute Türriegelgeräusch hörten, wie besessen gegen die sich schlagartig durch ihre Körpermaße auffliegende Tür und drangen in den eingezäunten Außenbereich, wo sie eine Wasserwanne und einen Futtertrog vorfanden. In ihrem Freigehege blieben die Borstentiere bis zum Abend. An einem leicht verregneten Morgen, einige Wochen nach Dietrichs Einschulung, wollte die selbstbewusste Johanna eigenständig auf dem Hof mithelfen. Ihr Papa zog gerade den von Schulvorfreude erfüllten Dietrich an, Mutter Marianne befand sich im Kuhstall und Opa Karl war mit den Hühnern und dem Einsammeln der Eier beschäftigt. Johanna sprang fröhlich mit ihren blassroten Gummistiefeln von Pfütze zu Pfütze über den verregneten Hof, zielstrebig Richtung Schweinestall. Ihr fast hüftlanges, braunes Haar bewegte sich dabei im Takt der Sprünge in mehreren nassen Strähnen hin und her. Am Stall angekommen, kletterte das Mädchen über den hölzernen Zaun, um zur Seitenwand zu gelangen, an welcher sich die Tür befand. Ganz leise, um von den Schweinen nicht bemerkt zu werden, versuchte Johanna den Türriegel zu öffnen, was jedoch zuerst misslang, da er durch Rost und verbogenes Material sehr fest saß. Das Kind zog und drückte, so fest es konnte, an dem Riegel, bis er sich plötzlich ruckartig bewegte. Durch den unvermittelt entriegelten Metallgriff, rutschte die Kleine auf dem nassen, verschlammten Boden des Schweineaußengeheges mit den Füßen weg und fiel nach vorne auf die Knie und die linke Hand. Sich seitlich emporstreckend versuchte Johanna mit der rechten Hand instinktiv die Stalltür zuzuhalten, doch die Schweine stießen mit einer solchen Wucht dagegen, das die Vierjährige rücklings zu Boden gerissen wurde und praktisch gleichzeitig einen starken Schmerz, verursacht durch den Tritt eines Schweines, im Gesicht verspürte. Die Tiere liefen wie immer zielstrebig und flott auf ihren Futtertrog zu und beruhigten sich, während sie grunzend die mit Regenwasser aufgeweichten Futterreste des Vortages verzehrten. Johanna hingegen versuchte, schlammüberzogen von Kopf bis Fuß, wieder auf die Beine zu kommen und lauthals heulend über den Absperrzaun zu klettern, um rasch das Schweinegehege zu verlassen. Dort kam ihr Vater Rudolf schon entgegen gerannt, nahm das schreiende Etwas auf den Arm und brachte es so rasch es ging ins Haus. Mama und Opa eilten ebenfalls herbei, denn Johanna heulte weiterhin herzzerreißend. Karl gab nach einem ersten prüfenden Blick auf Johannas blutendes Gesicht mit ernstem Blick die Anweisung: „Das Kind muss sofort ins Krankenhaus, Rudolf! Fahr gleich los, aber fahre bloß langsam, kein Risiko!“ Im Krankenhaus stellten die Ärzte fest, dass Johannas Wange unmittelbar neben der Nase eine tiefe Wunde aufwies, die sogar genäht werden musste. Marianne weinte sich in den folgenden Wochen förmlich die Augen aus, denn der behandelnde Arzt erklärte, dass Johanna wohl ihr ganzes Leben eine Narbe auf der Wange behalten würde. Rudolf und selbst Johanna versuchten häufig Marianne zu trösten, denn der Anblick der Narbe im Gesicht ihrer über alles geliebten Tochter machte die Mutter sehr traurig. In ihrer weiteren Entwicklung wurde Johanna von der sichtbaren, durchaus auffallenden Narbe gar nicht behindert oder beeinflusst, denn sie war selbstbewusst und machte sich nichts aus der “lustigen Narbe“, wie sie, sie gerne nannte. Seit Dietrich zur Schule ging, wurde er allmorgendlich von einem Elternteil, meist vom Vater, zur Bushaltestelle gebracht. Diese befand sich einen knappen Kilometer vom Birkenhof entfernt und war über einen asphaltierten Weg zügig zu erreichen. Mittags, wenn der Vater noch auf der Arbeit war, lief Dietrich entweder alleine heim oder aber in Begleitung von Mama und Schwester Johanna, wenn sie ihn an der Bushaltestelle abholten. Ganz selten, vielleicht einmal im Monat, wurde der Junge auch von seinem Großvater Karl abgeholt, der den Kilometer aber nicht lief, sondern mit seinem alten Traktor zurück legte. Als im Sommer 1974 Dietrich in die dritte Schulklasse kam und Johanna im Alter von sechs Jahren eingeschult wurde, änderte sich der Tagesablauf ein wenig, denn die beiden Geschwister durften von nun an gemeinsam, ohne Begleitung Erwachsenen, morgens zur Bushaltestelle gehen und mittags von derselbigen alleine nach Hause laufen. Die Kinder fühlten sich ab diesem Moment noch freier und nutzten öfters den Heimweg, um unterwegs hinter den zahlreichen Bäumen verstecken zu spielen, was nicht selten dazu führte, das Marianne aus der Haustüre heraus lauthals nach Johanna und Dietrich rief, da pünktlich das Mittagessen auf dem Tisch stand und Opa Karl sehr ungeduldig wurde, wenn er hungrig am Tisch saß und mit dem Essen warten musste, weil die Enkelkinder trödelten.

      Der März 1976 begann für Johanna und Dietrich, wie er nicht schöner hätte sein können. Die zwei Kinder kamen in der Schule gut


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