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Tahiti. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Tahiti - Gerstäcker Friedrich


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Bananen oder Pisang dem Hause zu, unter dessen Schutzdach René die kleine, etwas wohlbeleibte Gestalt eines, wie es schien, halbcivilisirten Insulaners erkannte.

      René konnte ein leises Lächeln kaum verbergen, als er die Gestalt mit flüchtigem, aber forschendem Blick überflog, und fast unwillkürlich drängte sich ihm der wunderliche Gedanke auf, daß der Mann, wenn ihm der Geist und die Civilisation wirklich von oben gekommen sei, jedenfalls noch mit den Beinen im Heidenthum stecke.

      Der kleine gelbbraune Missionär sah auch in seiner halb frommen, halb wilden Tracht eigenthümlich genug aus. Er ging in bloßem Kopf, aber die sonst langen schwarzen Haare waren kurz abgeschnitten und zugestutzt - ferner trug er ein weißes baumwollenes Hemd und eine weiße leinene Halsbinde, mit hellgelber, blankknöpfiger Weste, und über diesem allen einen, dem Klima keineswegs zusagenden - schwarzen Frack. Bis so weit also war der Geist gekommen, darunter aber fing der Heide wieder an - der Mann konnte sich an die fremde Religion, aber nicht an Hosen gewöhnen, und /45/ während er um die Lenden ein langes Stück roth und gelben Kattun, der höchst freundlich gegen den schwarzen Frack abstach, mehrfach geschlagen hatte, trug er die Beine vollkommen nackt. Nur unter dem Kattun schauten noch die alten heidnischen Tätowirungen früherer Zeiten, wie scheu, von dem christlichen Kleidungsstück bedroht, hervor.

      Der kleine Mann schien übrigens ungemein erstaunt über den Besuch und auch vielleicht gerade nicht besonders erfreut, als ihm Sadie in seiner Sprache mit kurzen Worten das auf der andern Seite der Insel Vorgefallene erzählte und ihn um seinen Schutz für den Verfolgten ansprach. Er hatte auch erst, wie es René vorkam, eine Menge Einwendungen dagegen zu machen, und das Wort Mitonare kam sehr häufig dabei vor. Sadie oder Pu-de-ni-a, wie sie der kleine Missionär in seinem wunderlichen Kauderwelsch statt Prudentia nannte, wußte diesem Allen aber zu begegnen, und da er wohl selber gutmüthig und gastfrei war, schien er sich endlich zu fügen. Er streckte dem jungen Mann mit einem halb freundlichen, halb salbungsvollen Blicke die dicke, fette Hand entgegen, deren Finger auch noch frühere Tätowirungen zeigten, und sagte in einer Sprache, die jedenfalls Englisch sein sollte, aber meistens wieder auf Tahitisch auslief:

      „Gu – day bodder – gu day – a haere mai gu fend here – ehoa ino – very gu fend -" und dann folgte noch eine längere Auseinandersetzung, jetzt auf einmal in reinem Tahitisch, als ob er glaube, daß der Fremde durch die vorigen einleitenden Worte in seiner eigenen Sprache nun auch vollkommen vorbereitet für jede weitere Anrede in gutem Insulanisch sein müsse.

      Sadie, die übrigens mit halbverstohlenem Lächeln sah, wie der junge Fremde verlegen vor ihm stand und nicht recht zu wissen schien, was er aus dem Ganzen machen solle, übersetzte ihm schnell, was der kleine Mann gesagt hatte, und bat ihn, in das Haus zu treten, sich mit Speise und Trank zu stärken und von den überstandencn Strapazen auszuruhen.

      „Aber wie kann ich jetzt erfahren," frug René das junge Mädchen - „was aus dem Schiff geworden ist, das schon /46/ vielleicht in diesem Augenblick die Insel wieder von anderer Seite ansegelt?"

      „Kümmere Dich nicht deshalb" lächelte das Mädchen. „Eben habe ich einen Knaben nach der nächsten Bergspitze gesandt, von wo er das Meer rings überschauen kann, der bringt uns Nachricht, ob das fremde Segel noch in der Nähe ist. - Und nun in's Haus, denn wie ich Dir schon gesagt habe, bis das Schiff zurückkehrt, bist Du sicher - und selbst dann finden sich vielleicht, Mittel Dich zu verbergen," setzte sie freundlich hinzu.

      Der kleine Mitonare, denn als solchen hatte er sich René – mi mitonare — mi mitonare - schon selber vorgestellt - ging ihnen jetzt geschäftig voran in's Haus, und obgleich heute wirklich ihr Sonntag fiel5, brachte er nichtsdestoweniger eigenhändig erst Teller und Messer und Gabel, die, sonst wahrscheinlich nur wenig benutzt, tief in einer Schrankecke zu ruhen schienen, und dann kaltes Fleisch, Früchte und Cocosnußrnilch herbei, und lud nun den jungen Mann auf das Freundlichste ein, sich niederzusetzen und nach Herzenslust zuzulangen.

      René sah Sadie au und dann die Speisen - er schämte sich, sie zu bitten mit ihm niederzusitzen, und doch hätt' er es gar zu gern gethan. Das schöne Mädchen mochte aber errathen, was er wünsche, denn sie schüttelte lächelnd mit dem Kopf und war im nächsten Augenblick schon durch die offene Thür verschwunden.

      Der kleine Missionär begann nun eine Unterhaltung, die Rcné zu jeder andern Zeit ungemein amüsirt haben würde. In diesem Augenblick hatte er aber wirklich einen höchst bedeutenden Hunger, und die steten Fragen des Kleinen, die an und für sich schon des wunderlichen Kauderwelsch / 47/ wegen eben so viele Räthsel waren, forderten eine Theilung seiner Aufmerksamkeit, die er jetzt weit lieber ungetheilt dem delicaten kalten Schweinebraten und den saftigen Früchten zugewandt hätte. Der Kleine ließ aber nicht nach und frug vor allen Dingen, wie er selber hieße - der Name war einfach genug und er konnte ihn ziemlich gut nachsprechen - dann wie das Schiff hieße, auf dem er gekommen sei, und von wo es gesegelt wäre. Er interessirte sich besonders, da er in den letzten Jahren mit Hülfe des weißen Missionärs etwas Geographie getrieben, für die Hafenplätze der englischen und amerikanischen Küste, und schien sich ungemein zu freuen, als er einen ihm bekannten Namen, Boston - das er übrigens hartnäckig bo-son aussprach - erwähnen hörte.

      Eine Hauptfrage des kleinen unermüdlichen Mannes war aber zuletzt nach des Fremden Religion und Vaterland, und René hätte sich selber keinen schlimmeren Namen machen können, als daß er sich ohne Weiteres für einen Franzosen ausgab.

      „Wi-wi?" sagte der kleine Mann etwas erstaunt, zog die Augenbrauen in die Höhe und spitzte den Mund - „Wi - wi?6 - hm -"

      „Wi-wi?" sagte René, der diesen Ausdruck noch nicht kannte, erstaunt - „was Wi-wi? - nicht Wi-wi - frenchman - Francais – ferani - " denn diesen Ausdruck hatte ihn schon Adolph gelehrt.

      „Es.es," nickte der Kleine schmunzelnd – „Fe-ra-ni – Wi-wi"-

      „Was zum Henker will er denn mit dem Wi-wi?" dachte René - „das muß ein besonderer Dialekt für den Namen sein.

      „Viel - viel Wi-wis in Tahiti," - sagte der kleine Missionär wieder - „keine Christen, Wi-wis!"

      „Keine Christen?" rief René lachend - „nun ich weiß doch nicht - einige sind sicher darunter, die sich wenigstens so nennen -" /48/

      „Es, Christen," nickte der unverwüstliche Kleine - „aber keine guten - aita matai –“

      Jetzt begriff René erst, worauf der kleine protestantische Missionär oder Prediger eigentlich abziele, denn dieser mußte natürlich glauben, was ihm die protestantischen Geistlichen über die Religion der anderen Weißen, die sich ebenfalls Christen nannten und doch, in ihren äußeren Gebräuchen besonders, so bedeutend von diesen abwichen, gesagt hatte, Er hütete sich aber wohl, auf irgend einen religiösen Streit einzugehen und beschränkte sich nur darauf, ihm zu erklären, er wisse nicht was es in Tahiti für Christen gäbe, er sei noch nie dort gewesen, in seinem eigenen Vaterland – was er in aller Unschuld jetzt selber Wi-wi, und zwar sehr zum Ergötzen des kleines Mannes nannte - gäbe es aber sehr gute, fromme Christen.

      René hätte vielleicht noch eine Masse ihm gerade nicht gelegener Fragen beantworten müssen, wäre in diesem Augenblick nicht draußen vor der Thür eine kleine Glocke geläutet worden und zu gleicher Zeit Sadie wieder in der Thür des Gemaches erschienen. René sprang fast mit einem Fremdenruf empor.

      Das junge Mädchen sah aber auch wunderlieblich in der Kleidung aus, die sie der Sonntagsfeier zu Ehren angelegt hatte. Diese bestand in einem langen faltigen Gewand, das ihr oben von den Schultern bis auf die Knöchel niederfiel, im Gürtel aber von einer leichten rothseidenen Schärpe zusammengchalten wurde; die Haare hatte sie wieder frisch mit wohlriechendem Oel getränkt und die langen, vollen Locken glatt niedergekämmt, daß sie ihr bis auf die Schultern herabfielen. - Aber keine Blume schmückte sie jetzt, wo sie zu Gottes Altar treten wollte, nur eine dünne Schnur, aus den Erhöhungen der reifen Ananas geschnitten, zog sich ihr um das Haar und die Stirn, den wilden Lockenschatz in etwas zu bändigen. In der Hand hielt sie ein kleines Buch mit goldenem Schnitt - ein englisches Neues Testament, und das erst so wilde, muthige Kind sah jetzt so mädchenhaft fromm , und schüchtern aus, das dunkle Auge ruhte mit einem so milden, sanften Blick auf ihm, daß er sie kaum wieder


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