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Am Hof Karls des Großen. Felix DahnЧитать онлайн книгу.

Am Hof Karls des Großen - Felix Dahn


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Buchstaben, aber in einer Geheimschrift – von niemand zu entziffern,‹ schloß er seufzend.

       ›So fürchtete mein Freund,‹ fiel die Jungfrau rasch ein. ›Als er aber heut' in aller Frühe – er hat täglich mit mir auszureiten!‹ erklärte sie ein wenig errötend – ›'s ist sein Amt! – mir vom Roß herab die Rolle reichte, – da gedacht' ich, wie Ihr, gütevoller Lehrer, der Schülerin auch von jenen Geheimschriften der Griechen gesprochen, jenen, – wie heißen sie doch?‹ – »Formatae.«– ›Und wie Euer großer Lehrer – wie hieß er doch?‹ – »Flavianus!« – ›Jawohl, – Gott segne Flavianus! – Euch auch eine Anzahl solcher byzantinischer Geheimschriften entziffern gelehrt habe. Geben die Heiligen, daß diese darunter war!‹ Und sie zog aus dem Busen den zerknitterten Papyrus und reichte ihn mir mit zitternder Hand.

      Ich sah hinein: ›Gelobt sei der Herr‹ rief ich, ›ja, das kann ich lesen.‹ Und ich las: – und erschrak bis zum Tode: der Herzschlag stockte mir: ›das – das ist teuflisch!‹ sprach ich dann. ›Auf, zu Herrn Karl.‹

      Alsbald standen wir vor ihm, der Graf wiederholte dem Staunenden seinen Bericht, der König sah in den Papyrus: ›das ist die Schrift des Protonotars,‹ sprach er. Ich aber las mit oft versagender Stimme: ›Ein Dämon muß diese Barbaren betört haben zu dem Wahne, der Basileus der Romäer werde seinen Sohn vermählen mit dem Kind dieses Räuberkönigs, der uns die schönsten Provinzen Italias entrissen. Der plumpe Bär ging in die seiner Eitelkeit gestellte Falle. Sowie das Püppchen in Byzanz gelandet, – in den tiefsten Turm mit ihr als Geisel. Und nicht eher – bei des Kaisers Haupt! – soll sie das Licht der Sonne wieder schauen, bis ihr Vater all' seinen Raub: Rom, Ravenna, ganz Italien, Istrien, Dalmatien herausgegeben hat. Droht er mit Krieg, so lachen wir: er hat ja nicht zehn Schiffe! Und schön Rothtrud hat nur eine Nase und nur zwei Augen.‹

       Da stieß Herr Karl einen Schrei aus, wie ich im Leben nie gehört, nicht wie ein Mann, – wie ein edles, todwund getroffenes Tier. Dann ballte er beide Fäuste, reckte sie gen Himmel, einen furchtbaren Fluch zu stammeln: aber sieh: er fluchte nicht: plötzlich, wie blitzgetroffen, sank er auf beide Kniee, faltete die eben grimm geballten Fäuste zum Gebet und sprach: ›Herr mein Gott, ich danke dir. Ich danke dir für deine wunderhafte Gnade, mit der du mein armes Kind gerettet hast. Ich danke dir, Herr mein Gott! All' mein Leben sei dir ein Dank für diese Stunde.‹ Seht, das ist Herr Karl.

      Ich konnte gestern nicht weiter schreiben, meine Seele zitterte zu stark. Ich fahre erst heute fort. Die beiden Griechen wurden gefangen gesetzt: mit der Folter bedroht, bestätigten sie alles, was der Brief enthielt. Der König wollte beide zum Tode verurteilen und hinrichten lassen: aber die Frau Königin Hildigard auf ihrem Krankenbett – sie ist ein Engel auf Erden! – erbat beider Leben als Dank für die Rettung der Tochter. So wurden sie in Fesseln nach Italien geschickt, um eingeschifft zu werden nach Byzanz, dorthin die Kriegserklärung König Karls zu tragen. Aber lange vor ihrer Ankunft, mein' ich, werden die Kaiserlichen in unsrem Vaterland die Rache Herrn Karls verspüren: er hat das ganze Heer der Franken aufgeboten von der Avarenmark bis Barcelona, von der Eider bis an den Tiber. Italiens Erde wird gar bald dröhnen unter dem Fußtritt ungezählter Scharen: bei deren Anblick wird wohl jedermann – hört ihr's? jedermann! – den Gedanken an Widerstand gegen Herrn Karl aufgeben.

      In eurer Güte, hohes Herzogpaar und Herr Abt und in deiner brüderlichen Liebe, mein Arichis, werdet ihr nun vielleicht fragen, wie es in diesen gewaltigen Weltmeerwogen das Schifflein des Mönches Paulus getragen hat?

       Zuerst kam mir als Dank meines verdienstlosen Verdienstes eine gar liebliche Herzensfreude: am Abend desselben Tages pochte es wieder an die Tür meines Kämmerleins und herein traten wieder Fürstin Rothtrud und der Mariskalk, aber diesmal Hand in Hand: und mit strahlendem Antlitz – da war sie wirklich schön, Frau Fürstin, das sah selbst ich! – sprach sie: ›o Mönch Paulus des Warnefrid Sohn, kurze Zeit mein Lehrer, aber mein Freund alle Zeit meines Lebens, habt den Dank der Geretteten. Und verzeiht der Schülerin, daß sie so unaufmerksam war und lachte statt zu lernen. Wisset, ich war entschlossen, nie des Kaisersohns zu werden. Nach Byzanz hätten sie mich wohl führen können, aber nie in seine Arme. Denn‹ – und hier errötete sie wieder und stockte eine Weile, aber gar nicht lange – dann fuhr sie freudestrahlend fort – ›denn ich liebe einen andern: stolz sag' ich's: – diesen da! Und der lieben Mutter hab' ich's heut an ihrem Bette gestehen wollen: aber die hat gelacht und gemeint, »das weiß ich viel länger als du. Und ich habe,« fuhr die goldene Mutter fort, »heute dem Vater das Wort abgenommen, daß er nie eines meiner Mädchen ungeliebtem Manne gibt. Und er wird's halten.« Und all' das sag ich Euch, Mönch Paulus, unter allen am Hof ganz allein, weil ich weiß, es erfreut Euch, wenn Ihr auch gar nichts davon habt, denn Ihr habt ein ...‹ da sagte sie was von meinem Herzen. ›Mein Vater kann und wird Euch lohnen mit Ehren und Gütern‹ – als ob Sankt Benedikts Schüler das annehmen dürfte! aber die Glückliche dachte nicht daran! – ›ich aber lohn' Euch so.‹ Und eh' ich mich's versah, faßte mich die Hochgewachsene an beiden Schultern und küßte mich mitten auf die Stirn. Ich beichte, Vater Theudemar, aber es geschah ohne, ja wider meinen Willen. Und es ist der erste Weibeskuß, den ich, seit die Mutter starb, empfangen.

       ›Aber,‹ fuhr sie fort, ›neben diesem weltlichen Mädchendank – der Graf ist nicht eifersüchtig, nicht, Rorich? – nehmt hier ein heilig Andenken: zierlich in Gold gefaßt einen Splitter vom Kreuze Christi. Harun Arraschid hat ihn mir geschickt: der gute Heide meinte, das Kleinod bringt Glück in der Liebe. Nun, das braucht es uns nicht noch zu bringen – nicht, Herr Mariskalk? – und Euch darf es nichts der Art bringen! – aber Alkuin lehrt, es gibt Kraft der Entsagung und die kann ein Mönch brauchen.› Da trat Graf Rorich vor, gab mir die Hand und sprach: ›Und, Mönchlein, willst du mal einem Wunsche nicht entsagen, – hier ist ein Schwert, das soll dir ihn erkämpfen. Und ein treu ergebener Wille, der dir gerne dient.‹

       Und Herr Karl, so werdet ihr jetzt wohl fragen – wie hat er den Zufall – nicht wahrlich das Verdienst! – des Mönches belohnt? Hört nur, wie überreich! Früh am andern Morgen ließ er mich rufen. Ich hatte kurze Zeit auf ihn zu warten in einem Empfangsaal, den ich noch nie betreten: da sah ich denn jenes angebliche Wunderwerk, das ihm, wie die Leute fabeln, Gott der Herr selbst aus seinem Himmel durch zwei Engel hat heruntertragen lassen: nämlich auf hohem Gestell von Alabastron eine mächtige Goldscheibe, darstellend den ganzen Erdkreis, mit allen Meeren und Strömen – die aus Silber! – mit allen Inseln und Gebirgen, allen Ländern mit ihren wichtigsten Städten – diese aus allerlei Perlen und Edelsteinen: so fand ich gleich Pavia, – wie suchte ich es! – Benevent, Friaul, Aachen. Diese Scheibe wirkt das Wunder, – so flüstern die Leute, – daß, wo immer in einem Ort seines Reiches die Mark vom Feinde verletzt oder auch im Innern Aufruhr erhoben wird, da – an dieser Stelle, – ein leises Klingen von Innen heraus ertönt, so daß Herr Karl sofort, ehe die Feinde das für möglich halten, die Gefahr erkennen und seine raschen ›Scarae‹ dahin werfen mag. So erklären es sich die Menschen, daß er jede Gefahr in seinem weiten Reich so rasch entdeckt, so rasch und unfehlbar abwendet. Aber die Sage mag eine Warnung sein für alle, die Erhebung planen gegen Herrn Karl: wie ich so einsam neben der Scheibe stand, war mir, ich höre aus ihr ein leises Klingen: – aus der Gegend von Benevent. – – –

      Alsbald sprangen die Doppeltüren des marmorgetäfelten Saales auf und herein schritt aus dem Innern des Palastes gerade auf mich zu Herr Karl, aber nicht allein, gefolgt von gar vielen Geistlichen und Weltgroßen des Hofes: ich erkannte den wackern Helden Gerold von Bayern, – den Bruder der Königin, – den Markgrafen Roland von Bretagne, des Königs Neffen, und den von ihm unzertrennlichen Vizecomes Oliver von Viane, den Markgrafen Erich von Friaul, den Grafen Wilhelm von Orange, Bischof Arn von Salzburg.

      Dann alle die trauten Genossen unserer ›Akademia‹, wie uns Meister Alkuin neulich taufte: ihn selbst, Einhart, Angilbert, Petrus, Theodulf und die andern: der Graf von Maine lächelte mir zu und legte den Finger auf den Mund: – unnötige Sorge!

       Als sich der Halbkreis hinter ihm geordnet hatte, sprach Herr Karl und sein Auge leuchtete mich an, daß in das meine die Träne der Rührung trat: ›Sohn Warnefrids, Paule, mein Liebling: all diese meine Getreuen wissen, welch großen Dank ich und mein Haus dir schulden. Nie kann ich dir vergelten.


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