Mississippi-Bilder. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
War ich allein, so übermannte mich stets unwillkürlich eine fast weibische Furcht, wenn ich solchen Mordes gedachte, und scheu blickte ich dann wohl umher, hinter jedem vorspringenden Felsen oder umgestürzten Baumstamm die gespannte Büchse eines der dunkeläugigen Schufte vermutend. Jetzt ist das etwas Anderes; w i r sind unserer Zwei und sie sind Zwei; finden wir den Platz, wo sie graben, und sie entdecken uns und zeigen sich feindselig, wohl, so schießen unsere Büchsen so sicher als die Ihrigen, vielleicht noch sicherer. – Nehmen sie aber Vernunft an, desto besser, mich verlangt nicht nach Menschenblut, und es wird genug Silber für uns alle Vier vorhanden sein; aber wissen m u s s ich den Platz, und umsonst will ich nicht Jahre lang damit vergeudet haben, ihren Spuren nachgeschlichen zu sein, ohne meinen Zweck erreicht zu haben.“
Preston schwieg und schaute sinnend, über seinen Plänen brütend, in die zusammenfallenden Kohlen, während Thomson einige Minuten ebenfalls tiefes Schweigen beobachtete und mit seinem breiten Jagdmesser allerlei Figuren vor sich in die Erde grub; endlich wandte er den Kopf halb zu seinem Gefährten herum und frug, während er dabei die Spitze seines Messers auf den ledernen Leggins reinigte und sich damit die Zähne stocherte:
„Wann wollen wir aufbrechen?“
„Sobald der Mond aufgeht, und das geschieht ein Viertel nach Zwölf“, lautete die Antwort, „dann müssen wir dem Lauf des Flusses stromaufwärts folgen, bis wir an das Schilfdickicht kommen, und dort dasselbe umlauern, bis die Spanier, mit dem edlen Metall beladen, zu ihren Tieren zurückkehren. Sie werden den Weg oft machen müssen, und unserer Schlauheit ist es jetzt anheimgestellt, das Ganze friedlich, das heißt unbemerkt – oder feindselig, wenn entdeckt – abzumachen. Hunde haben sie nicht mit sich, von diesen ist also keine Entdeckung zu fürchten, und finden wir den Platz, so sind wir gemachte Leute.“
„Gut!“, rief Thomson, aufs Neue ein mit Fleisch bestecktes Holz vor sich hinpflanzend, welchem Beispiel diesmal sein ernsterer Jagdgefährte folgte. „Gut – ich bin dabei – es ist wenig Mühe und Gefahr und die Hoffnung auf ungeheuren Gewinn; da widersteh‘ ein Anderer. Wir wollen uns nur noch tüchtig stärken und ein halb Stündchen schlafen, denn wer weiß, wie wir’s nötig haben werden; kommt dann der Mond, so haben wir wieder Kräfte und ertragen, was uns in den Weg kommt, leichter und mit frischerem Mute.“
Schweigend beendeten die beiden Männer ihre Mahlzeit, schürten dann das Feuer auf, das, von dürrem Holz genährt, hoch emporloderte, hüllten sich in ihre Decken und versuchten, ihre Körper zu den bevorstehenden Anstrengungen auszuruhen.
Der Jüngere war bald sanft eingeschlafen, und sein tiefes, regelmäßiges Atmen bewies, wie wenig er die Gefahr, der er entgegenging, kannte, oder wenn er sie kannte, wie furchtlos er sie erwartete. Der Ältere wickelte sich zwar auch in seine Decke und schien, den Kopf auf ein Stück faulen Holzes gelegt, zu schlummern, seine Augen aber waren und blieben geöffnet, und sinnend schaute er hinauf zu den Myriaden von Sternen, die oben vom dunklen Nachthimmel friedlich und freundlich auf ihn herab funkelten.
Endlich erhellte sich an den östlichen Bergkuppen der Himmel – der Mond musste gleich erscheinen; da hob sich Preston von seinem harten Lager, dehnte und streckte die Glieder, weckte seinen Kameraden und ging dann zum nur wenige Schritte entfernten Wasser, sich Gesicht und Hände darin zu baden, um mit klaren Augen und hellem Verstand den gefährlichen Weg anzutreten.
Thomson sprang auf und folgte seinem Beispiel; beide wickelten dann ihre Decken zusammen und hingen sie sich über die Schulter, nahmen ihre Büchsen, schüttelten frisches Pulver auf die Pfanne und waren so gegen alles, was ihnen entgegentreten mochte, gerüstet.
„Sollen wir nicht lieber im Tale hingehen?“, fragte jetzt Thomson, als er sah, dass Preston an einigen steilen Felsstücken hinaufkletterte, um eine der Terrassen zu erreichen. „Wir haben auf jeden Fall besseren Weg und können schneller fortkommen; denn, hol’s der Henker, so in der Nacht zwischen den scharfen Steinen mit zerrissenen Mokassins umherzuklettern, ist eine verteufelt böse Sache – meine Füße brennen mir schon jetzt wie Feuer.“
„Wir müssen uns aus eben dem Grunde zwischen den Felsen halten, aus dem die Spanier den raueren Weg gewählt haben – um alle Fährten zu vermeiden. Bleiben wir unbemerkt, so ziehen wir uns leise und vorsichtig zurück, und erregen nicht den Verdacht der Fremden, die sicher, wenn sie auch nicht den Talweg einschlagen, doch hinunter spüren, ob sie keine verräterischen Fußspuren dort entdecken können.“
Mit rüstigen Schritten, ohne weiter ein Wort laut werden zu lassen, stieg der Ältere jetzt voran, und Thomson, wohl einsehend, dass der erfahrenere Kamerad Recht habe, folgte, dann und wann nur, wenn er gerade auf einen recht spitzigen Stein getreten war, seinen Schmerz mit einem halb unterdrückten Fluch beschwichtigend.
Eine kleine Stunde mochten sie so langsam fortgestiegen sein, der Mond goss freundlich vom hohen Himmel herab sein silbernes Licht durch den Wald, als Preston anhielt und, nach vorn deutend, seinem Kameraden zuflüsterte, dass dort das Schilfdickicht sei und er den Klang eines Glöckchens zu hören glaube. Klar und deutlich drang auch jetzt der feine, reine Ton einiger kleiner Schellen durch die Nacht, und die Männer hielten, um sich über ihr weiteres Vorschreiten zu beraten.
„Sind sie denn auf der rechten oder linken Seite des Flusses?“, fragte Thomson leise seinen Kameraden, der aufmerksam dem Schall der Glocken horchte, um zu wissen, wie viel Tiere sie diesmal mit sich führten.
„An der rechten“, flüsterte Preston zurück, „wenigstens gingen jedes Mal an dieser ihre Fußspuren hinauf; aber“, unterbrach er sich, „horch doch einmal, wie viele Glocken Du hörst – das bimmelt ja untereinander herum, als wenn es fünf oder sechs wären.“
Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschten jetzt beide dem vermischten Klange, der aus dem Tal zu ihnen heraufdrang, bis Thomson endlich das Schweigen brach und leise vor sich hinmurmelte, dass er v i e r verschiedene Glocken gewiss höre.
„Und mir ist’s, als wären’s fünf“, erwiderte eben so leise Preston. – „Nun, zum Teufel, so lass es zehn sein!“, entgegnete unmutig Thomson. „Wir sind einmal hier, und auf ein paar Spanier mehr oder weniger wird es jetzt auch nicht ankommen; wir stehen hier auf Onkel Sams19 eigenem Grund und Boden, und haben die Fremden, im Fall sie uns entdecken sollten, böse Absichten, nun, so mögen sie sich’s selber zurechnen, wenn wir mit unserem Blei freigebig sind. – Aber was hast Du denn da?“, fragte er, sich unterbrechend, seinen Kameraden, der sich dicht niederbog und den Boden genau zu untersuchen schien.
„Eine Spur, so wahr ich lebe, und von einem beschuhten Fuß!“, rief Preston. „Sie müssen hier hinauf gegangen sein.“
„Pst“, flüsterte Thomson, seinen Arm ergreifend und festhaltend, „ich höre Schritte.“
In gespannter Erwartung horchten beide jetzt auf, und deutlich und immer näher kommend klang das Geräusch eines langsam bergan steigenden Mannes zu ihnen her. Lautlos schmiegten sie sich an die Erde, auf der sie standen, hinter einige zerstreut umherliegende Felsstücke, und erwarteten die Gestalt, die, in einen braunen, langen Mantel gehüllt, den Kopf mit einem breiträndigen schwarzen Filzhut bedeckt, langsam die Terrasse, an deren Rand die zwei Jäger lagen, erklomm, dort stehen blieb, sich etwa fünf Minuten lang vorsichtig umschaute, nach allen Himmelsrichtungen hinhorchte, und dann einen leisen, aber vernehmlichen Ruf, den Ton der Eule nachahmend, dreimal ertönen ließ.
Er wurde einmal aus dem Rohrdickicht heraus beantwortet, und darauf war alles wohl eine halbe Stunde lang still wie im Grabe; dann scholl derselbe Ruf wieder aus dem Tal herauf. Die Schildwache, denn etwas anderes konnte die hoch aufgerichtete, dunkle Gestalt, die, an einem Stamm lehnend, dem geringsten Laut zu horchen schien, nicht sein, antwortete wie das vorige Mal, stieg dann den Weg, den sie gekommen, wieder hinunter, und nach wenigen Minuten, als ihre Schritte in der Entfernung verhallt waren, lag die ganze Gegend so einsam und verlassen, als ob sie noch nie von einem menschlichen Fuß entweiht worden wäre.
Wohl noch eine Viertelstunde blieben die beiden Männer in ihrem Versteck, dann aber, als alles sicher zu sein schien und sie glauben konnten, dass sich die Fremden wieder entfernt hätten, hob Thomson den Kopf, schaute einen Augenblick in das von dem jetzt hoch