In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
zu brechen? Es war nicht denkbar - wenigstens jetzt nicht, wo das Land von französischen Soldaten schwärmte, und neue Kriegsschiffe mit dem Kaiser jeden Tag erwartet wurden. Selbst die schwankenden Mexikaner hätten sich dem Flüchtigen in dieser Zeit nicht wieder angeschlossen, und war da jetzt nicht vielleicht der Augenblick gekommen, wo man ihn, den gefährlichsten Gegner, von seinem nördlichen Fluchtweg abschneiden und völlig unschädlich machen konnte? Stand aber Juarez nicht mehr im Weg - ein leises, kaum merkbares Lächeln legte sich um die feingeschnittenen Lippen des jungen Mannes, und er hob sich hoch empor und schüttelte die vollen schwarzen Locken aus der Stirn. Da hörte er einen leichten Schritt in seinem Zimmer oder vielmehr das Rauschen von Gewändern, und sich rasch danach wendend, bemerkte er seine im vollen Glanz des Abends strahlende Gattin in der Thür.
Es war ein selten schönes Paar, wie sie Beide da einander gegenüberstanden, in voller Jugend, von Licht und Glanz und Glück umgeben, mit allen Gütern der Erde gesegnet, und ihrer bevorzugten Stellung im Leben sich dabei vollbewußt. Er, wie sie, hoch und schlank gewachsen, sein männlich intelligentes Gesicht von einem vollen Schnurr- und starken Knebelbart geziert, mit offenem Auge und einer hohen Stirn, mit kühn geschittenen Brauen, wobei selbst das nicht störte, daß die linke um ein wenig höher auflief als die rechte. - Sie dagegen mit jedem Zauber holder Weiblichkeit übergossen, und dennoch stolz und hoch wie eine Königin mit ihrem weiten wallenden Gewände, den blendend weißen Hals wie das raben-schwarze Haar von Edelsteinen geschmückt, und deren blitzender Glanz trotzdem von den wahrhaft zauberischen Augen des schönen Weibes übertroffen.
„Und willst Du nicht herüberkommen, Miguel?" sagte sie jetzt mit leiser wohlklingender Stimme - „oder" - setzte sie rascher und besorgt hinzu, „hast Du etwa neue und schlimme Nachrichten erhalten, daß Du wieder über Deinen Karten brütest? Ist etwas vorgefallen? Verheimliche es mir nicht."
„Nein, mein Kind," sagte ihr Gatte, indem er lächelnd mit dem Kopf schüttelte, und sein Auge mit Stolz und Freude /6/ auf ihr ruhte, „nichts wenigstens, was uns auch nur die geringste Besorgniß einflößen könnte."
„Und doch," erwiderte sie ernst, „dächte ich, hätten wir Grund genug dazu, denn Alles jubelt jetzt dem Kaiserreich entgegen."
„Und kennst Du unsere liebenswürdigen Landsleute nicht?" lächelte Miramon; „sie sind entzückt über jedes Neue, das sich ihnen bietet, und jetzt nun gar der Glanz eines neuen Hofes, der ihnen zwei Wünsche auf einmal befriedigt: zuerst die Festlichkeiten beim Einzug der Majestäten, und danach die erhoffte Befreiung von den Franzosen, die allerdings anfangen ein wenig unverschämt aufzutreten."
„Und gerade das beruhigt Dich?"
„Gewiß, wenn der Kaiser überhaupt kommt."
„So zweifelst Du noch daran?"
„Liebes Kind," sagte achselzuckend Miramon, „wenn das, was wir hier, allerdings noch unvollständig, von den Vorschlägen wissen, die Napoleon dem österreichischen Prinzen gemacht hat, und wonach dieser übernommen haben sollte die Kosten der französischen Besetzung zu tragen, so müßte er sich, um dies zu ermöglichen, auch einen ganz ungewöhnlichen Finanzmann oder eine sehr große Cassa mitbringen. Ich wenigstens hätte mich auf Derartiges nie im Leben eingelassen, und wie mir scheint, ist auch Maximilian stutzig geworden. Doch wir werden ja sehen, und wie sich Alles nachher gestaltet – quien sabe?“3
„Er kommt, darauf kannst Du Dich verlassen," sagte die junge Frau mit blitzenden Augen, „es ist nicht leicht, eine Kaiserkrone auszuschlagen."
„Und doch wohl leichter, als sie zu hehanpten."
„Das kommt auf den Mann an, der sie irägt," rief das schöne Weib, und ihr Auge suchte stolz den Blick des Gatten.
„Unser Volk hat diese blutigen Revolutionen satt, und wenn er die Sache ein klein wenig klug anfinge, - aber es ist eine Schmach für Mexiko, solcher Art einen Fremden in das Land zu rufen. Haben wir denn nicht selber Männer, die werth und würdig wären, an die Spitze des Volkes zu treten?"
Miramon schüttelte mit dem Kopf. „Und was hülfe es?" sagte er, „die letzten Jahrzehnte haben bewiesen, daß nur eine Revolution der andern folgte. Nein, ich selber stimmte mit für den fremden Kaiser, denn unser sehr souveränes Volk muß erst einmal durch Schaden klug werden. Nachher arrangirt sich vielleicht Alles viel leichter, als wir jetzt selber glauben."
„Souveränes Volk," sagte die junge Frau verächtlich, und ihre dunkeln Brauen zogen sich zusammen - „eine teigähnliche Masse ist es, die eine geschickte Hand in jede nur beliebige Form kneten kann." -
„Zu viel Hefe drin, Schatz," lachte Miramon, „zu viel Hefe drin, wenn wir das Bild denn einmal beibehalten wollen. Es wirft Blasen nach allen Seiten und zerstört sich selber. Aber ich glaube wahrhaftig, unsere Gäste kommen. Laß die Politik, Querida, oder - überlaß sie mir. Sie gehört nicht für das Haus - und besonders nicht für die jetzige Zeit. Wer auch etwas thun wollte, könnte es nicht und muß ruhig abwarten, wie sich Alles stellt: wir sowohl hier in der Hauptstadt, im augenblicklichen Sonnenschein des Sieges, wie der alte Panther da oben im Norden, der mit einer nicht zu gering anzuschlagenden Elasticität vor unseren Waffen zurückweicht, ohne ihnen mehr als aus dem Wege zu gehen. Pacienca, amiga - unsere Zeit kommt vielleicht auch wieder, und bis dahin wollen wir der Welt dieselbe freundliche Stirn zeigen, die sie bis jetzt gewohnt gewesen ist an uns zu sehen. - Ich glaube, ich höre schon Gäste auf der Treppe."
Miramon hatte sich nicht geirrt - die Gäste trafen allerdings ein und wenn auch anfangs noch vereinzelt, fuhr doch bald Wagen nach Wagen vor, so daß es rasch in den luftigen Räumen von geputzten Herren und Damen wogte. Und welchen Glanz der Toilette entfalteten die letzteren! Aber auch die Herren prangten im höchsten Staat, sowohl die im /8/ Civil mit Orden geschmückt, wie das Militär in reichgestickten mexikanischen wie französischen Uniformen. Ja selbst die hohe Geistlichkeit fehlte nicht und stach mit ihrer bunten, fast weibischen Tracht nur wenig von den Damen selber ab.
Das summte und wogte durcheinander, ein wunderlich blitzendes und lebendiges Bild voller Lust und Leben, und wer hier einen Blick in den Saal geworfen, hätte wahrlich nicht geglaubt, daß ein, kaum zu einem Abschnitt gelangter und nichts weniger als beendeter Bürgerkrieg das Land zerreiße, und selbst die Existenz dieser von Pracht und Glanz strahlenden Gestalten bedrohe.
In der That waren aber an dem Abend und in den Sälen Miramon's fast alle die Großen und Größen des neu zu schaffenden Reiches versammelt. Dort der kleine und magere, aber sehr lebendige Mann, mit vollem Bart, aber kurz geschnittenem Haar, mit kleinen wässerigen, aber doch stechenden Augen, in einer mit Goldstickerei fast bedeckten Uniform, der auf einen Stock gestützt durch den Saal hinkte, ist Leandro Marquez. Er war ein schon damals bekannter Bandenführer und ein treuer Kampfgenosse Miramon's - treu wenigstens und aufrichtig in seinem Haß gegen den von Beiden gleich stark verachteten Indianer Juarez - ein strenger Anhänger der Kirchenpartei, aber auch zugleich seiner schamlosen Grausamkeit wegen berüchtigt.
Neben ihm der Hochwürdenträger der Kirche, mit der Dame des Hauses im eifrigen Gespräch, jener Mann mit dem klugen Gesicht und dem stolzen Blick, dem nur das breite Kinn und der etwas große Mund etwas Sinnliches gab, während seine kräftigen Glieder die weibische Spitzentracht seines Standes umhüllte, war Labastida, der Erzbischof von Mexiko.
Dort drüben, sich eifrig und lebendig mit ein paar französischen Officieren unterhaltend, lehnte ein großer stattlicher Mann, ebenfalls in reichgestickter Uniform, an der das Officierskreuz der französischen Ehrenlegion glänzte. Er sah mit seinem dunkelblonden, etwas dünnen Haar, und starken, ebenfalls blonden Knebel- und Schnurrbart fast nicht aus wie ein Mexikaner, und doch war es Oberst Miguel Lopez, der sich /9/ in manchem heißen Gefecht schon wacker hervorgethan, und auf besonders freundlichem Fuße mit der französischen Occupationsarmee stand.
Da plötzlich theilten sich die Gruppen, als der vortretende Diener den Namen des Generals Bazaine nannte - Bazaine, in diesem Augenblick der Alleinherrscher von Mexiko, der Repräsentant des mächtigen Kaisers der Franzosen; und Alles gab ihm Raum und bildete ein Spalier, durch das der General, leicht grüßend, hindurchschritt, um vor Allem die Dame des Hauses aufzusuchen.
Der General glänzte und blitzte allerdings