In Amerika. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
Truppe von fremden Reitern, die nur irgendwo versprengt sein mochte, musste doch machen, dass sie von hier wieder fortkam, und wie es nachher den rebellischen „Niggern“ ging, konnten sie sich etwa denken.
D i e Vorsicht gebrauchte er allerdings, seine sämtlichen Gewehre zu laden, und vier von seinen Negern, auf die er sich glaubte fest verlassen zu können, nahm er auch in sein Haus – wenn sie ja gebraucht werden sollten; dann aber trotzte er viel zu sehr auf sein R e c h t als Sklavenhalter, um sich noch weiteren Befürchtungen hinzugeben. Die Schwarzen waren „vor Gott und den Gesetzen“ sein Eigentum. Er konnte damit schalten und walten, wie er wollte, und hätte den sehen mögen, der da wagte, auch nur ein einziges Wort hineinzureden.
Er befahl Ben, seine Neger zusammenzurufen und sie dann, so lange die Soldaten in der Nachbarschaft waren, fest in ihren Wohnungen zu halten, dass sie mit jenen in keine Verbindung treten konnten – aber wo staken die Neger! In dem Feld, in dem sie gearbeitet hatten, war keiner von ihnen mehr zu sehen; nur die Frauen und Kinder hatten in angeborener Scheu ihre Arbeit nicht verlassen; armes, gedrücktes Volk, das keine wirkliche Freiheit für möglich hielt und immer nur die Folgen seines Ungehorsams fürchtete. War es denn auch denkbar, dass sie frei werden sollten und dass i h r Herr seine Ansprüche auf sie aufgeben sollte? Nein. Wenn die Weißen hier wieder fortzogen, kümmerte sich kein Mensch mehr um sie, und wenn sie gesündigt, büßten sie mit blutigem, grausam zerfleischtem Rücken das Vergangene.
Die Straße herunter kam der Schwarm. Die Damen saßen eben in dem unteren Salon bei ihrem Kaffee. Sie hatten gehört, dass Unionskavallerie in Belleville eingerückt sei, teilten aber vollkommen die Meinung des Mr. Urguard, dass es nur ein durch Lees Armee versprengtes Corps26 sein könne, das auf der Flucht sich genötigt gesehen hatte, hier eine kurze Rast zu suchen, um ihren Tieren die notwendige Ruhe zu gönnen. Je weniger man sie deshalb beachtete, desto besser, denn sie mussten und sollten es fühlen, dass der Süden sie hasste und nichts mit ihnen wolle zu tun haben.
„Was ist das für ein Lärm?“, sagte Mrs. Urguard, als ihr Gatte eben – seine nötigen Vorbereitungen beendet – ins Zimmer trat. „Ist das die nordische Bande? Ich begreife unsere Truppen nicht, dass sie uns hier solchen Überfällen aussetzen.“
Urguard war ans Fenster getreten, aber das Blut verließ sein Antlitz, als er die dunkle Schar erkannte, die jetzt in vollem Lauf gegen sein Wohnhaus anstürmte. Es waren Neger und Mulatten, bunt gemischt, und ehe er nur seiner Frau antworten konnte, erkannte er auch schon einen Teil seiner eigenen Leute unter der Truppe.
„Verschließt die Türen!“, rief er mit heiserer Stimme, indem er ins Zimmer zurücksprang und dem Eingang zueilte. „Türen und Läden, hört Ihr? Rasch! Es ist eine Revolte – Ben! Hierher! Wo bist Du – sind die Leute oben? – An Eure Plätze!“
„O Massa!“, rief Ben, der ihm entgegenstürzte und dessen Gesicht jetzt wahrhaft aschfahl aussah. „Der gelbe Nigger ist unter ihnen, den wir heute gehetzt haben.“
Urguard erwiderte kein Wort. In zitternder Hast stürmte er die Treppe hinauf, ergriff dort eins der Doppelgewehre und feuerte es auch schon im nächsten Augenblick auf jenen Mulatten ab, den er – vielleicht auch mit Recht – für den Rädelsführer des Ganzen hielt. Der Schuss war aber wohl zu hastig gezielt gewesen; der Mulatte knickte allerdings, so wie er die Schrote erhielt, zusammen, war aber rasch wieder auf den Füßen, und ehe Urguard einen zweiten Schuss feuern konnte, verhinderten ihn seine eigenen Leute daran. Die vier Neger nämlich, die er zu seinem Schutz mitgenommen, wussten gut genug, um was es sich hier handele, und dachten gar nicht daran, ihren grausamen Herrn jetzt, wo ihn der Lohn für seine Schandtaten erwartete, zu schützen, oder gar noch eine Anzahl ihrer Stammesgenossen durch ihn abschlachten zu lassen. Wie er nur wieder die Flinte an die Backe legte, sprangen sie auf ihn zu und griffen ihn von hinten. Der zweite Schuss ging in die Luft, und von den vier starken Burschen in die Höh’ gehoben, wie von dem Gewehr behindert, vermochte er in der ersten Überraschung und dem Entsetzen, das ihn packte, keinen Widerstand zu leisten. Es war auch schon zu spät; nach vorn geschoben, und mit einem Mark und Bein durchschneidenden Angstruf, stürzte er aus der ersten Etage nieder in den Hof, wo sich die Menge in einem wahren Jubelgebrüll auf ihn warf und ihn, im wahren Sinn des Wortes, mit den bloßen Füßen selbst, z e r t r a t.
Ben, der „Niggerdiener“, wollte seinem Herrn zu Hilfe kommen, aber er hätte besser auf seine eigene Sicherheit gedacht, denn er gerade war schon seiner Abstammung wegen, trotz der er sich dazu hergegeben hatte, seine eigenen Brüder mit durchdachter Grausamkeit zu misshandeln, der Verhassteste auf der ganzen Plantage. Der leblose Körper flog seinem Herrn nach auf den Hof, und die schwarze Schar, die erst einmal Blut gekostet, war jetzt losgebrochen und würde noch vielleicht die furchtbarsten Grausamkeiten verübt haben, wenn nicht gerade zu rechter Zeit eine Truppe Unionssoldaten mit gezogenem Säbel in den Hof eingesprengt wäre, um der, wenn auch gerechtfertigten, Rache der Sklaven Einhalt zu tun.
Man hatte in Belleville die Schüsse gehört, und da Sherman selber jetzt sein Quartier da genommen, und die Offiziere wussten, dass strenge Ordre gegeben worden, keine Negerempörungen und Metzeleien in ihrem Bereiche zu dulden, sandten sie rasch eine Patrouille dorthin ab, um die Sache womöglich noch im Keim zu ersticken, und dieser gelang es denn auch, wenigstens die Frauen vor Misshandlungen zu schützen. Den Pflanzer selber hatte freilich seine Strafe ereilt, und jauchzend strömten jetzt die rasch wieder besänftigten Neger, die ihre Wut wenigstens an ihren beiden schlimmsten Peinigern ausgelassen, nach Belleville hinein, um sich dort in der großen Mehrzahl den weißen Truppen anzuschließen.
General Sherman war wirklich in Belleville eingerückt27 und auf seinem direkten Weg nach dem Hafen Savannah, während man bis jetzt geglaubt hatte, dass er sich gegen das weit mehr nördlich gelegene Charleston in Süd-Carolina wenden würde. Angst und Schrecken zuckte vor ihm her durch die ganzen Südstaaten, denn dass er diesen kecken Zug mitten durch eine vollkommen feindliche Bevölkerung, und die ganze Süd-Armee im Rücken, nur wagen durfte, bewies schon allein, dass die Kräfte des Südens auf die Neige gingen, und sich diese furchtbare, blutige Revolution ihrem Ende nähere.
Durch die Flotte im atlantischen Meere und die Eroberung aller festen Plätze am Mississippi, auf dem jetzt die Kanonenboote der Union kreuzten, war die Armee der Rebellen schon nur auf wenige Staaten eingeengt worden; jetzt hatte dieser unternehmende nordische General, mit einer Zähigkeit und Kühnheit, die ihresgleichen suchte, auch d i e s e Staaten noch einmal von Nord nach Süd durchschnitten und die Verbindungen dort nicht allein zerstört, sondern auch sich Gewissheit verschafft, dass die Rebellion ihre letzte verzweifelte Kraft schon aufgeboten und an die Grenzen geworfen, im Inneren aber keine weiteren Hilfsmittel und Reserven zurückbehalten habe. Die vollständige Unterwerfung der halb vernichteten und auseinander geschiedenen Truppenkörper konnte deshalb nur eine Frage der Zeit sein, und jetzt zum ersten Mal fingen die Pflanzer in diesem bisher von dem Krieg vollkommen verschont gebliebenen Landstrich an zu ahnen, welchen Missgriff sie begangen hatten, als sie den Krieg begonnen, um ein einziges großes Sklavenreich zu bilden. Ihr Spiel war verloren, und wie sie das Vertrauen auf ihre Heerführer weichen sahen, ergriff auch Kleinmut die feigen Herzen.
General Shermans Marsch durch Georgia
Schon als die nordischen Offiziere das Hotel in Beschlag nahmen, zogen sich die weißen Insassen von Belleville scheu daraus zurück und suchten ihre eigenen Wohnungen auf, um dort nicht allein die eigenen Leute im Zaum zu halten, sondern auch den Sturm vorüberbrausen zu lassen. Vielleicht war es eben auch nichts weiter, und ein Verkehr mit diesen Herren hätte ja doch nur für beide Teile unangenehm sein müssen – jedenfalls für die Sklavenhalter.
Da durchlief das Gerücht von Urguards Ermordung den kleinen Platz, und jetzt trat an die übrigen Pflanzer wie weißen Insassen, die sämtlich Sklaven hielten, die Furcht heran, dass das einmal vergossene Blut nur das Signal zu weiteren Mordtaten sein könne und keiner von ihnen allen mehr seines Lebens sicher wäre. Gingen doch die einzelnen Soldaten schon jetzt überall herum, um Lebensmittel aufzutreiben, und wurden von den „Niggern“ auf das Tätigste dabei unterstützt. Hier galt es