In Amerika. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
sie sich in seinem Haus versammeln möchten, schickte er selber ein paar Zeilen an General Sherman, um ihn von den bisher verübten Gewalttätigkeiten in seinem und dem Namen seiner Freunde in Kenntnis zu setzen.
Er sollte auch nicht lange auf Antwort warten – Antwort aber sehr lakonischer Art, denn der General schrieb weiter nicht als:
„Kommen Sie mit Ihren Freunden zum Hotel. Ich habe mit Ihnen zu
reden.
Sherman.“
Das war jedenfalls „short and sweet“, wie die Yankees sagen, und ließ eine Missdeutung nicht zu. Der General b e f a h l den weißen Bewohnern des Landes, den bisherigen unbeschränkten H e r r e n desselben, vor ihm zu erscheinen; und wenn sie dem Befehl nicht gehorchten? – Der Doktor hatte schon im Sinne, eine trotzige Antwort zurückzuschicken, aber – die Klugheit siegte über den augenblicklichen Ingrimm, der den alten republikanischen Aristokraten im ersten Moment erfasste. Es war doch jedenfalls besser, erst einmal zu hören, was der General, der wenigstens h i e r zur Zeit die Übermacht in Händen hielt, zu sagen hatte – nachher konnte man ja noch immer tun, was man wollte, und die Ankunft seiner Freunde musste er jedenfalls abwarten.
Diese trafen auch bald genug ein, denn die Zeit erforderte rasches Handeln, und das gewöhnliche „Gehenlassen“, was eigentlich einen Charakterzug des amerikanischen Pflanzers ausmacht, war nicht mehr am Platz. Wenn hier nicht rasche Hilfe kam, konnte die begonnene Rebellion der Schwarzen sich mehr und mehr ausbreiten und m u s s t e dann furchtbare Folgen nach sich ziehen. Die Herren wussten ja gut genug, was sie gesündigt, und wie gegründete Ursache die Neger hatten, für manches Vergangene Rache zu nehmen, wenn sie nur erst einmal die G e w a l t in ihren Händen sahen. Sieben Neger kamen in dem Staat auf einen Weißen, und in den Niederungen stellte sich das Verhältnis noch viel ungünstiger heraus. Dort konnte man recht gut zwölf auf einen rechnen und – „vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht – vor dem freien Menschen erzittere nicht.“28
Allerdings sträubte sich Anfangs der Stolz der Baumwoll- und Zuckerbarone, der Aufforderung – man konnte nicht einmal mehr sagen Einladung – eines nordischen Offiziers – und w e n n er ein General gewesen wäre, zu folgen. Dem Rechte nach hätte er, wie sie meinten, vor i h n e n erscheinen müssen, aber das Schreiben Shermans war zu entschieden abgefasst; es duldete eben keinen Widerspruch. In seiner Macht lag es außerdem, die schon wachgerufene Leidenschaft der Sklaven noch mehr aufzustacheln, und – die Herren stimmten dem Doktor bei, der Aufforderung ungesäumt Folge zu leisten – das einzige Mittel überhaupt, um so rasch als möglich einen Überblick über die gegenwärtigen Verhältnisse zu gewinnen.
General Sherman in Atlanta
Harper, Taylgrove, der Doktor, die beiden Advokaten Lesley und Johns, der Apotheker, der Richter – sie alle hatten sich eingefunden. Die weißen Aufseher auf den verschiedenen Plantagen hätten allerdings eigentlich auch dazu gezogen werden müssen – als Weiße, natürlich, aber – sie standen in Diensten; und wie diese stolzen Sklavenzüchter selbst den weißen Ansiedler verachteten, der sich nicht schämte, selber Hand an die Arbeit zu legen, so würden sie nie ihren Dienern gestattet haben, irgendwelche Gleichberechtigung mit ihnen zu beanspruchen.
Die Straßen der Stadt lebten und wimmelten von Unionssoldaten, und mitten zwischen ihnen herum trieben sich die Nigger beiderlei Geschlechts. Aber das nicht allein – gerade wie sie den Platz vor dem Hotel erreichten, kam ein Trupp der Reiter, von Negern geführt, in die Stadt eingeritten und trieb eine ganze Herde kräftiger Stiere und guter Pferde vor sich her, deren Weideplätze augenscheinlich ihre eigenen Sklaven verraten hatten.
Taylgrove biss ingrimmig die Zähne zusammen, denn die meisten der eingebrachten Tiere gehörten ihm, und zwei von seinen eigenen Sklaven erkannte er ebenfalls unter der Schar. Aber für den Augenblick war nichts weiter zu tun; befanden sie sich doch auch gerade auf dem Weg zum General, und der musste ja Abhilfe schaffen, oder das ganze Land stand gegen ihn auf, und weder er noch einer seiner Truppen hätte je wieder den Boden der nordischen Heimat lebendig erreicht.
An dem Hotel angelangt, wollten sie natürlich in das Gastzimmer treten, fanden aber den Vorraum so mit Soldaten angefüllt, dass es kaum möglich gewesen wäre, hindurch zu dringen, hätten sie überhaupt Lust verspürt, sich zwischen diese Menschenmasse zu mischen. Taylgrove rief deshalb den Wirt heraus und frug ihn, wie sie in das Zimmer des Generals kämen, worauf Selkirk, der Wirt, jedoch achselzuckend sagte: General Sherman hätte ihm streng verboten, irgendwen – wenn es nicht einer seiner eigenen Offiziere sei – zu ihm hinaufzulassen. Verlange jemand nach ihm, so solle er es ihm melden, und er werde dann weiter darüber bestimmen.
Taylgrove nahm wieder die Unterlippe zwischen die Zähne, aber wie sich sein Stolz auch dagegen empörte, es ließ sich nicht gegen die augenblickliche Gewalt der Feinde ankämpfen, und nur ihre Zeit mussten sie abwarten, um dann wieder reichliche und volle Vergeltung zu üben.
„Gut, Selkirk“, sagte er deshalb nach kurzer Überlegung und mit zusammengezogenen Brauen, „so sagt dem Herrn General, dass die sämtliche weiße Einwohnerschaft von Belleville, aber nur die ‚besitzende’ Klasse, auf seinen Wunsch hierher gekommen wäre, um ihn zu sprechen – ihre Zeit sei aber sehr in Anspruch genommen und die Herren wünschten, dass die Sache bald erledigt würde.“
Selkirk schaute ihn, während Taylgrove sprach, ein wenig zweifelhaft von der Seite an, denn wie der General eine solche Botschaft aufnehmen würde, konnte er sich nach dem, was er hier von ihm gesehen, etwa denken. Es fiel ihm aber nicht ein, irgendwelche Einwendung dagegen zu machen. Wie er die Worte setzen wollte, war ihm ja anheim gegeben, und kaum zehn Minuten später kehrte er auch schon mit der Antwort zurück: die Herren müssten sich einen Augenblick da draußen gedulden, der General würde gleich zu ihnen herunterkommen.
„Das ist doch eine Unverschämtheit ohnegleichen“, rief Simms empört aus, „uns hier unten auf der Straße warten zu lassen, wo er da oben seine eigenen Gemächer hat. Was sagen Sie dazu, Rodgers?“
„Was ich dazu sage?“, erwiderte achselzuckend der Richter. „Dass ich mich einer derartigen Frechheit nicht füge, sondern einfach meiner Wege gehe. Hole den Yankee der Teufel!“
„Das Schlimmste ist“, brummte Lesley, der eine Advokat, „dass es gar kein Yankee ist; die besten Männer haben die Schufte doch nur aus unseren Staaten.29 Aber bleiben Sie doch lieber da, Rodgers. Er hat eben für den Augenblick die Macht, und unsere Zeit kommt auch wieder, wo wir es der verwünschten Bande heimzahlen können. Denken Sie nur an die Kostenrechnung, die wir ihnen machen werden.“
„Ja“, sagte Taylgrove düster, „wenn wir die nur nicht aus unserer eigenen Tasche bezahlen müssen.“
„Torheit“, rief Rodgers, „wenn ich mir denken sollte, dass die Buben wirklich siegreich blieben, so schösse ich mir heute noch eine Kugel durch den Kopf. Wie haben wir sie in den ersten Jahren gehauen, wo sie uns außerdem stets in der Übermacht gegenüberstanden; wie sind sie gelaufen und wie viel Tausende von Gefangenen haben wir noch jetzt in unseren Feldkerkern. General Sherman, ja, ist bis hier herunter vorgedrungen und hat uns gerade an der schwachen Seite gefasst; aber ob er oder einer seiner Trupps je den Norden wiedersieht, ist eine andere Frage, und ich meinesteils glaube es nicht.“
„Der General bleibt lange“, warf Harper ein, der indessen unablässig nach der Tür gesehen hatte.
„Und verdammt will ich sein, wenn ich länger auf ihn warte“, rief Rodgers; „sollte er nach mir fragen, so sagt ihm nur, wenn er etwas von mir wollte, solle er zu mir kommen“, und trotzig wandte er sich zum Gehen.
„Rodgers, bleibt hier“, rief ihm Taylgrove noch einmal nach, aber der alte Herr schüttelte unwillig den Kopf und verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Hof.
Die Geduld der übrigen Herren wurde allerdings noch auf die Probe gestellt, denn fast eine halbe Stunde ließ sie der General warten, bis er es für gut hielt, zu ihnen