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Der Nachlass. Werner HetzscholdЧитать онлайн книгу.

Der Nachlass - Werner Hetzschold


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nicht, dass er so schnell das Feld räumt. Der Junge muss doch wissen, dass er nun zwischen ihr und Gisela auf der Besucherritze schlafen muss.

      Auch Thomas weiß es.

      Die Besucherritze bilden die beiden Längsseiten der Bettgestelle, die sich berühren. Die Mutter breitet darüber Decken, damit ihr Junge nicht die Kanten zu spüren bekommt.

      Wieder ist die Familie vereint. Vater und Mutter sitzen an einem gemeinsamen Tisch. Helga ist zur Familie zurückgekehrt, wenn auch nur für ein paar Tage. Thomas weiß nicht, wie lange sie bleiben wird. Er fragt auch nicht. Er ist zufrieden, dass alle an einem Tisch sitzen, auch wenn es nicht der Tisch zu Hause ist. Die Familie sitzt in einem Café, das eine Tradition hat. Corso heißt das Café und befindet sich im Zentrum der Stadt Leipzig. Thomas wird nie seinen Namen vergessen. Thomas darf wählen.

      „Mein Junge, ich denke, dass das, was du jetzt auf deinem Teller hast, mehr als genug ist.“ Energisch hört sich die Stimme der Mutter an.

      „Ich denke, ich darf bestellen, was ich will!“ Thomas ist von den vielen Torten fasziniert.

      „Du darfst bestellen, was du isst!“

      Thomas ist vorsichtig, wenn seine große Schwester etwas sagt. Er ahnt, jetzt hat sie das Sagen.

      „Ich schaffe das alles! Und noch mehr!“, verteidigt er sich.

      „Du wirst Bauchweh bekommen.“ Seine Mutter sieht gar nicht glücklich aus.

      „Der Junge soll wachsen. Da muss er was im Bauch haben!“ Der Vater lacht.

      „Ich denke, das reicht erst einmal für den kleinen Herrn.“

      Thomas weiß nicht, was er sagen soll. Die Dame am Buffet lächelt wie seine Lehrerin, wenn er etwas nicht weiß.

      „Ich schaffe es aber. Und noch mehr!“ hört sich Thomas sagen.

      „Dann soll er das Stück auch noch nehmen!“ Jetzt hat Helgas Stimme große Ähnlichkeit mit der seiner Großmutter. Großmutter sagt auch immer zu seinem Papa, dass er dankbar sein muss.

      „Du bist ein richtiger Fresser! Nie kannst du genug bekommen. Immer musst du den Hals voll haben.“ Die Stimme der Mutter klingt hilflos traurig.

      Giselas Hunger ist viel bescheidener. Ihr werden die Tortenstücke angeboten, und sie kann sich nicht entscheiden. Helga entscheidet für sie. Vater und Mutter sind zufrieden.

      Kaffee und Kinderkaffee und die Teller mit den Torten und Kuchen werden serviert. Gemeinsam isst und trinkt die Familie. Alle sind glücklich.

      Während Helga die Rechnung bezahlt, sagt stolz der Vater: „Ich habe es ja gewusst, er schafft es!“

      Erich nennen alle im Haus den Untermieter von Frau Schlundt. Die Kinder rufen Onkel Erich, sobald sie ihn erblicken. Onkel Erich sieht viel jünger aus als Frau Schlundt. Auch Thomas ist das aufgefallen, obwohl er sich überhaupt nicht für Frau Schlundt interessiert. Während seine Mutter in der Küche bügelt, hockt er am Fenster und beobachtet Frau Schlundt, wie sie Kinder von den Rasenflächen vor den Häusern vertreibt.

      „Mama, da draußen auf der Wiese ist die Frau Schlundt. Ihr Gesicht ist rot vom vielen Schreien.“

      „Wenn sie Kinder hätte, würde sie weniger schreien.“ Seine Mutter blickt nicht einmal von ihrer Arbeit auf.

      „Mama, warum hat die Frau Schlundt keine Kinder? Sie ist doch nicht immer alt gewesen.“

      „Lass das nie Frau Schlundt hören. Ich habe schon genug Ärger.“

      „Aber das stimmt doch, dass Onkel Erich viel jünger als sie ist. Wieso ist er bei ihr?“

      Seine Mutter hält kurz inne. Thomas weiß, sie muss jetzt überlegen.

      „Weißt du“, sagt seine Mutter, „das verstehst du nicht. Da bist du noch zu klein dazu.“

      „Soll ich die Frau Schlundt fragen? Manchmal ist sie auch freundlich.“

      „Untersteh dich!“ Seine Mutter legt das Bügeleisen beiseite, dann sagt sie: „Du darfst aber mit niemandem darüber sprechen. Versprichst du mir das?“

      „Ich werde niemandem nichts sagen“, verspricht Thomas.

      „Frau Schlundt hat ihren Mann im Kriege verloren. Er ist nicht wieder nach Hause gekommen.“

      „Wo ist er denn geblieben, Mama?“

      „Er ist vermisst. Wie dein Onkel! Niemand weiß, wo er abgeblieben ist.“

      „Dann kann er ja noch leben. Er kann aber auch tot sein.“

      „Beides ist möglich.“

      „Und weil ihr Mann nicht nach Hause gefunden hat, hat sie den Onkel Erich genommen?“

      „Genauso ist es! Sie hat ihm sogar die Hemden, Hosen und Anzüge ihres Mannes gegeben. Und ihr Mann hat viele Anzüge gehabt. Schließlich hat er auf einer Bank gearbeitet. Da muss man Anzug tragen. Zumindest hat das Frau Schlundt gesagt. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Aber behalte es für dich, mein Junge. Die Leute reden schon so viel genug.“

      „Mama, jetzt weiß ich, warum die Anzüge dem Onkel Erich nicht passen. Es sind ja nicht seine Anzüge. Und ich habe mich immer gewundert, warum sie so an ihm herum schlampern. - Mama, ich habe noch eine Frage. Warum kauft sich der Onkel Erich seine Anzüge nicht selbst? Hat er kein Geld?“

      Die Mutter zögert mit der Antwort. Thomas weiß, seine Mutter überlegt.

      „Der Untermieter von Frau Schlundt ist ein Heimkehrer. Die Leute sagen, er kommt aus russischer Gefangenschaft. Wie dein Onkel kämpfte er als deutscher Soldat in Russland.“

      „Warum kämpfte er als Soldat in Russland?“

      „Das weiß ich nicht. Frag deine Lehrerin in der Schule. Sie wird eine Antwort darauf wissen.“

      „Ich kann es mir denken, warum der Onkel Erich gefangen wurde. Die deutschen Soldaten haben die Schlacht verloren, und wer nicht tot war, wurde Gefangener und erst freigelassen, wenn Lösegeld für ihn gezahlt worden war. So ist es gewesen. Das kannst du mir glauben. Denn wenn wir Räuber und Gendarm spielen, ist es auch so.“

      „Warum fragst du mich, wenn du es bereits weißt.“

      „Ich weiß es nicht. Ich denke es mir nur so. - Mama, wenn der Onkel Erich ein Heimkehrer ist, dann muss er auch ein Heim haben, ein Zuhause.“

      „Sicherlich wird der Untermieter von Frau Schlundt auch ein Zuhause gehabt haben. Nur wird er es nicht gefunden haben. Vielleicht sind seine Angehörigen fortgezogen, vielleicht sind sie tot, vielleicht... Ich weiß es nicht. Du sollst nicht immer so viele Fragen stellen, mein Junge.“

      „Ich denke mir, er wird nicht wissen, wo sie abgeblieben sind, sonst würde er nicht der Untermieter von Frau Schlundt sein.“

      „Du sollst nicht so schlecht von Frau Schlundt denken. Sie hat auch gute Seiten. Kein Mensch ist nur schlecht.“

      Auf dem Gasherd steht der große Tiegel. In ihm brutzeln die Kartoffelpuffer. Thomas beobachtet sie vom Küchentisch aus, verfolgt ihren Werdegang, wie sie schmackhafter und schmackhafter werden. Als die Kartoffelpuffer ihrer Vollendung entgegengehen, holt Thomas Teller, Messer, Gabel und die Zuckerdose. Aus Erfahrung weiß er, dass Mutter ihm Kartoffelpuffer gibt, solange sie heiß sind, weil sie da am köstlichsten und bekömmlichsten sind. Wenn Vater von der Arbeit kommt, sind sie nur noch warm. Wenn die Familie gemeinsam die warmen Kartoffelpuffer isst, isst Thomas wieder mit, denn er hat einen gesegneten Appetit, wie seine Mutter sagt, wenn sie gut aufgelegt ist. Fest sind die Augen von Thomas auf die Kartoffelpuffer gerichtet, nehmen fest Anteil an ihrer Entwicklung; er schmeckt sie schon. Er braucht das Winken der Mutter nicht abzuwarten. Erwartungsvoll steht er mit seinem Teller vor der brutzelnden Köstlichkeit, die ihm die Mutter im nächsten Augenblick auf den Teller schiebt.

      Kaum hat sich Thomas mit seinem dampfenden Teller auf den Stuhl in der Nähe des Fensters zurückgezogen,


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