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Frühlings Erwachen. Markus OrthsЧитать онлайн книгу.

Frühlings Erwachen - Markus Orths


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wenn jemand vorbeikommt? Martha Bessel oder ... Wendla Bergmann!

       Melchior

      Wendla? Umso besser. Die würde sofort mitmachen. Die hätte keine Scheu. Sie wäre nackt, noch ehe wir hingucken könnten.

       Moritz

      Oder ... unsere Eltern?

       Melchior

      Sind mir egal. Na los, worauf wartest du? Wenn ich es kann, kannst du es auch. (Öffnet langsam die Schnüre seiner kurzen Sporthose.)

       Moritz (Tritt nah zu Melchior, nimmt ihm die Hände weg.)

      Hör auf, Melchi. Ich kann es nicht. Ich weiß, es ist lächerlich. Aber ich kann es nicht! – Leise Weißt du, wenn ich Kinder habe, egal ob Jungen oder Mädchen, dann werd ich sie von Anfang an im selben Zimmer schlafen lassen, im selben Bett, sie sollen sich gegenseitig beim An- und Ausziehen helfen und dieselbe Kleidung tragen. Wenn sie so aufwachsen, dann werden sie später ruhiger sein als wir. Von Anfang an werden sie ALLES sehen und ALLES kennen. Es gibt nicht den Schimmer von Geheimnis. – – – Eine Frage –

       Melchior

      Ja?

       Moritz

      Aber du musst antworten.

       Melchior

      Klar!

       Moritz

      Die Wahrheit?!

       Melchior

      Meine Hand drauf.

       Moritz

      Hast du schon Latein gelernt???

       Melchior

      Was soll das? – Los, raus damit!

       Moritz

      Hast du schon mal...?

       Melchior

      Was?

       Moritz

      ...hm...

       Melchior

      ...du meinst...

       Moritz

      ... ja ...

       Melchior

      ...ONANIERT?

       Moritz

      Mhm.

       Melchior

      Klar!

       Moritz

      Ich auch.

       Melchior

      Ich kenn das schon lange!

       Moritz

      Ich wusste gar nicht, was das ist. Ich war völlig...

       Melchior

      Gewissensbisse?

       Moritz

      Gewissensbisse?? – – – TODESANGST! Ich hatte keine Ahnung. Und du? Seit wann...?

       Melchior

      Schon fast ein Jahr.

       Moritz

      Aber du bist doch jünger als ich!

       Melchior

      Das Alter spielt keine Rolle. Kennst du den Lämmermeier? Strohgelbes Haar? Adlernase? Der ist drei Jahre älter als ich. Hänschen Rilow sagt, der träumt immer noch von Aprikosengelee.

       Moritz

      Woher will Rilow das wissen?

       Melchior

      Er hat ihn gefragt.

       Moritz

      Er hat ihn gefragt? – Das hätte ich mich nicht getraut.

       Melchior

      Wieso? Du hast mich doch auch gefragt.

       Moritz

      Stimmt. – Weißt du, Melchior, ich kann mich niemandem mehr nähern, ohne etwas Verabscheuungswürdiges dabei zu spüren. Wenn ich nur wüsste, wie sich das anfühlt! Wie soll ich da an Latein denken!? Wenn ich morgen keine drei schreibe, ist es vorbei. Und wenn mein Vater erfährt, dass ich nicht versetzt werde – – – Warum bin ich geboren? Meine Eltern hätten hundert bessere Kinder haben können als mich. Ich bin hier und weiß nicht, warum, und soll mich dafür verantworten, dass ich nicht weg­geblieben bin. – Hast du schon mal darüber nachgedacht, Melchior, wie wir eigentlich in diesem Strudel bestehen können?

       Melchior

      Sich fortreißen lassen, Moritz. Sich fortreißen lassen. (Er legt Moritz herausfordernd seine Hand auf den Schenkel.) Übrigens: Was magst du lieber: Muscheln oder Schnecken?

       Moritz (überlegt, flüstert)

      Muscheln, und du?

       Melchior (rückt näher)

      Mir schmeckt beides.

       Moritz (nah bei Melchior, leise)

      Ich muss Latein üben.

       Melchior

      Ich kann dir helfen. Komm mit auf mein Zimmer. (Zweideutig) Dann frag ich dich ab.

       Moritz

      Nein, Melchior.

       Melchior (nimmt ihm den Basketball ab)

      Pass auf, Moritz, wenn ich treffe, kommst du mit! (Wirft den Basketball, verfehlt den Korb, fängt den Ball wieder.)

       Moritz

      Gib mir den Ball.

       Melchior

      Hol ihn dir!

       Die beiden beginnen einen spielerischen Ringkampf, an dessen Ende Melchior Moritz in den Schwitzkasten nimmt, Moritz auf den Knien neben ihm, in Richtung Publikum, als hätte Melchior den Kopf des anderen unterm Arm. Das Bild wie in III, 6. Beide blicken ins Publikum.

      Moritz (langsam)

      Ich krieg keine Luft mehr.

       Melchior (lockert den Griff ein wenig)

      Kommst du JETZT mit?

       Moritz

      Nein, Melchior. Um büffeln zu können, muss ich stumpfsinnig sein wie ein Ochse.

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