Moby Dick. Herman MelvilleЧитать онлайн книгу.
Vor der Walfischjagd keinen Respekt? Es ist ein königliches Geschäft. Nach einem altenglischen Gesetzbuch wird der Walfisch für einen »Königlichen Fisch« erklärt.
Dann soll der Walfisch niemals eine hervorragende Rolle gespielt haben! Wenn ein römischer Heerführer bei seinem Einzug in die Hauptstadt der Welt seinen Triumph hielt, so wurden Walfischknochen, die man von der syrischen Küste hergebracht hatte, an hervorragender Stelle verwandt.
Dann wird noch gesagt, es wäre nicht würdig, auf die Walfischjagd zu gehen. Die Würde unseres Ruhmes bezeugt sogar der Himmel. Am südlichen Sternenhimmel gibt es einen Cetus. Genügt das nicht? Ziehen Sie vor dem Zaren und zugleich vor Queequeg den Hut! Sie brauchen sich nicht zu schämen! Ich kenne einen Mann, der in seinem Leben dreihundertfünfzig Walfische erlegt hat. Ich achte diesen Mann mehr, als den großen Heerführer des Altertums, der sich rühmte, ebenso viele befestigte Städte eingenommen zu haben.
Wenn ich es möglicherweise zu etwas bringen sollte, wenn ich in dieser kleinen leichtvergesslichen Welt berühmt werden sollte, wenn meine Testamentsvollstrecker oder was noch wahrscheinlicher ist, wenn meine Gläubiger einige wertvolle Manuskripte in meinem Schreibtisch finden, so werde ich voraussichtlich alle Ehre und allen Ruhm dem Walfischfang zuschreiben; denn ich habe auf dem Walfischschiff gelernt, was man sonst auf dem Yale College und auf der Harvard-Universität lernt.
Zehntes Kapitel
Der Obermaat des »Pequod« war Starbuck, der aus Nantucket war und von einer Quäkerfamilie abstammte. Er war groß und ernst. Wenn er auch an einer eiskalten Küste geboren war, so war er doch wohl geeignet, heiße Breiten zu ertragen, und seine Haut war hart wie zweimal gebackener Zwieback. Wenn er nach Indien kam, so blieb das Blut bei ihm frisch wie bei Export-Flaschenbier. Er musste zu einer Zeit geboren sein, wo es recht knapp zuging. Er hatte dreißig trockene Sommer erlebt. Die hatten alles aufgetrocknet, was er an überflüssigem Fleisch gehabt hatte. Aber sein schmächtiger Körper deutete nicht auf Sorge und Not hin, sondern war nur das Zeichen einer fortgeschrittenen Kondensierung. Er sah nicht schlecht aus. Die Haut war zäh und hell. Wie eine zum Leben gebrachte ägyptische Mumie war er darin eingeschlossen mit aller Stärke und Gesundheit. So schien Starbuck für kommende Zeiten gerüstet zu sein, mochte es sich nun um Polarschnee oder um Tropensonne handeln. Wie ein Patentchronometer funktionierte er mit seiner inneren Lebendigkeit in allen Zonen tadellos. Wenn man ihm ins Auge sah, so konnte man die tausend Gefahren, denen er in seinem Leben mit Gleichmut Trotz geboten hatte, darin abgezeichnet sehen. Er war ein gesetzter Mann, der viel aushalten konnte.
Er war für einen Matrosen ungewöhnlich gewissenhaft. Bei der tiefen natürlichen Ehrfurcht machte ihn das einsame Leben auf dem Wasser stark zum Aberglauben geneigt. Aber das war ein Aberglaube, der eher im Verstand, als in der Unwissenheit seinen Ursprung hat. Es waren Anzeichen von außen und Ahnungen von innen, die manchmal das innere Eis seiner Seele zum Schmelzen brachten. Aber viel mehr noch vermochten das die Erinnerungen an die ferne Frau am Kap und sein Kind. Diese Dinge nahmen ihm die ursprüngliche Rauheit seiner Natur und machten ihn für geheime Einflüsse empfänglich, wie es bei den rechtschaffenen Seeleuten in den gefährlichen Wechselfällen des Fischfangs geschieht.
»Ich will keinen Mann in meinem Boot haben,« sagte Starbuck, »der sich nicht vor einem Walfisch fürchtet.«
Damit wollte er anscheinend sagen, daß wirklichen Mut nur der hat, der die Gefahr richtig einschätzt, und daß ein völlig furchtloser Mensch ein weit gefährlicherer Kamerad ist, als ein Feigling.
»Ja, ja«, sagte Stubb, der zweite Maat. »Starbuck ist der besorgteste Mann, den es in der Fischerei überhaupt gibt!«
Starbuck suchte die Gefahr nicht. Mut war für ihn kein Gefühl, aber etwas, das ihm nützlich erschien, und das man bei allen Gelegenheiten, die mit dem Tode verbunden sind, stets zur Verfügung haben muss. Dann dachte er auch wohl, daß der Mut bei dem Walfischgeschäft zur großen aufgestapelten Ausrüstung des Schiffes gehören muss und genau so wichtig ist, wie das Fleisch und das Brot, und daß man damit sparsam umgehen muss.
Es fiel ihm nicht ein, nach Sonnenuntergang die Boote herunterzulassen. Ebensowenig ließ er sich mit einem Walfisch ein, der es auf einen Kampf abgesehen hatte. Starbuck dachte sich, ich bin auf diesem gefährlichen Ozean zum Walfischtöten da, um leben zu können und nicht dazu, um mich von ihnen töten zu lassen, damit sie leben können! Starbuck wußte recht wohl, daß auf diese Weise Hunderte von Menschen getötet waren. Wie war es seinem Vater ergangen? Und wo sollte er in der bodenlosen Tiefe die zerschmetterten Glieder des Bruders suchen?
Trotz solcher Erinnerungen und seiner Neigung zum Aberglauben, war Starbuck von unvergleichlichem Mut. Es war nicht selbstverständlich, daß ein Mann mit solchen Erfahrungen und solchen Erinnerungen ihn noch besaß. Dadurch musste schließlich etwas in ihm zum Keimen gebracht werden, das bei passender Gelegenheit insgeheim die Schranken durchbrach und allen Mut verzehrte. So tapfer er auch war, so war es gerade die Tapferkeit, die bei furchtlosen Menschen nichts Ungewöhnliches ist, und die einen im allgemeinen in den Kämpfen mit der See, den Winden, den Walfischen oder den nicht auszudenkenden Schrecken der Welt nicht im Stich lässt, die aber bei den furchtbaren Schrecken, die mehr geistiger Natur sind, und die manchmal von der zusammengezogenen Stirn eines rasenden und mächtigen Menschen ausgehen, auf das furchtbarste Schiffbruch erleidet.
Wollte ich nun in der folgenden Erzählung das vollständige Schwinden der Tapferkeit des armen Starbucks darstellen, so hätte ich kaum den Mut dazu. Es ist eine peinliche und eine schreckliche Geschichte, wenn man den Fall der Tapferkeit in der menschlichen Seele schildern soll. Die Menschen mögen in ihrer Gesamtheit Schurken, Narren und Verbrecher sein. Es mögen solche mit gemeinen und niedrigen Gesichtern sein, aber der Mensch als Idealgestalt ist ein so edles, so wundervolles und erhabenes Geschöpf, daß die anderen Mitmenschen ihre kostbarsten Gewänder opfern sollten, um eine schmachvolle Stelle zu bedecken! Es gibt eine makellose Männlichkeit in uns, die bei allen Stürmen und allen Schäden, die der äußere Körper erleidet, doch unversehrt bleibt. Aber diese Menschenwürde kommt nicht Königen und hohen Würdenträgern zu. Sie ist nicht da zu finden, wo sie Amtskleid trägt. Sie ist da, wo ein Arm die Hacke schwingt oder einen Nagel eintreibt. Es ist die Würde, die in Gott ihren Ursprung hat!
Elftes Kapitel
Stubb war der zweite Maat. Er stammte vom Kap Cod. Ein frischer Draufgänger, niemals feige, aber auch nicht tollkühn. Er nahm die Gefahren mit völligem Gleichmut hin. Und auf der allergefährlichsten Jagd benahm er sich ruhig und gefasst, wie ein Schreinergeselle, der sich für ein Jahr festgemacht hat. Er führte gutgelaunt, behaglich und ohne Angst sein Walfischboot, als ob das lebensgefährliche Renkontre nur eine Mahlzeit und seine Mannschaft zum Essen geladene Gäste wären. Wenn er dem Wal auf Wurfweite nahe war und ein Todeskampf ausgetragen wurde, handhabte er seine Lanze mit derselben Ruhe und Geschicklichkeit, wie ein Kesselflicker seinen Hammer. Und dann sang er dazu seine alten Seemannslieder, wenn er dem in Wut geratenen Ungeheuer Seite an Seite gegenüberstand. Wie er über den Tod dachte, braucht man nicht zu erwähnen. Es ist eine Frage, ob er überhaupt an ihn dachte. Wenn er zufällig nach einem reichlichen Essen darauf zu sprechen kam, so fasste er ihn wie ein guter Matrose wie einen Ruf der Wache vom oberen Mast auf, nach oben zu klettern. Dann war es Zeit, sich zu beeilen, aber eher nicht.
Auch in anderen Dingen verhielt sich Stubb unerschrocken und nahm alles auf die leichte Achsel. Jeder hat ja sein Päckchen zu tragen, und wenn es etwas gab, das ihm immer wieder zu seinem gewissermaßen gottlosen Humor verhalf, so war es die Pfeife. Wie die Nase, war die kurze, schwarze, kleine Pfeife ein Teil von seinem Gesicht. Wenn er aus seiner Koje sprang, so hätte er die Pfeife ebensowenig wie seine Nase vergessen. Er hatte eine ganze Reihe von Pfeifen, die ständig gestopft und immer in Reichweite waren. Sobald er in die Kajüte kam, rauchte er eine Pfeife nach der anderen und steckte die eine an der anderen an. Dann wurden sie wieder gestopft, so daß sie fortwährend in Aktion treten konnten. Wenn sich Stubb anzog, so steckte er nicht zuerst die Beine in die Hose, sondern die Pfeife in den Mund.
Der dritte Maat war Flask, der aus Tisbury in Marthas Vineyard stammte. Ein kleiner, stämmiger und frischer