AYESHA - SIE KEHRT ZURÜCK. Henry Rider HaggardЧитать онлайн книгу.
Versprechen einlösen und ihnen wieder erscheinen würde.
Ich habe mich in der Folgezeit oft gefragt, wie es ihnen dort ergangen sein mag; ob sie gestorben waren, oder als Mönche in irgendeinem tibetischen Kloster verkümmerten, oder unter der Anleitung asiatischer Gurus Magie und Askese praktizierten, in der Hoffnung, damit eine Brücke zu schlagen, auf der sie zu der anderen Seite des Ufers gelangen konnten, wo ihre angebetete Unsterbliche lebte.
Doch jetzt, als ich seit Monaten nicht mehr an sie gedacht hatte, kommt völlig unerwartet, ohne jede vorherige Ankündigung, die Antwort auf all diese Fragen.
Wenn man sich überlegt, wenn man sich nur vorzustellen versucht, dass ich, der eingangs erwähnte Lektor, das unansehnliche, in braunes Packpapier eingeschlagene, nicht eingeschriebene Paket mit einem mir unbekannten Absender völlig desinteressiert beiseitegeschoben und für volle zwei Tage unbeachtet liegengelassen hatte, und dass es vielleicht noch immer herumläge, wenn nicht jemand anders es aus reiner Neugier geöffnet und darin ein Manuskript entdeckt hätte, dessen letzte Seiten stark versengt waren, und zwei an mich adressierte Briefe!
Obwohl viele Jahre vergangen waren, seit ich die Handschrift auf dem ersten Umschlag zum letzten Mal gesehen hatte, und sie jetzt durch das Alter des Schreibers zitterig geworden war, erkannte ich sie sofort. Niemand sonst schrieb das H mit einer so weit ausgezogenen Schleife außer Mr. Holly. Ich riss das Kuvert auf, und meine Vermutung bestätigte sich, als mein Blick auf die Unterschrift fiel: L. H. Holly. Seit langem hatte ich nichts mit einem solchen Interesse gelesen wie diesen Brief. Hier ist er:
Sehr geehrter Herr!
Ich habe mich versichert, dass Sie noch am Leben sind, und seltsamerweise trifft das auch auf mich zu - für eine kurze Zeit.
Kurz nachdem ich wieder in die Zivilisation zurückgekehrt war, entdeckte ich ein Exemplar Ihres Buches Sie, das heißt, meines Buches, und las es - in einer hindustanischen Übersetzung. Mein Gastgeber - er war Priester irgendeiner religiösen Vereinigung, ein Mann von großer Integrität, doch mit einer recht prosaischen Seele - fand es überraschend, dass ein derartiger Roman mich so fesselte. Ich antwortete ihm, dass gerade Männer, die ausgiebige Erfahrungen mit den harten Tatsachen des Lebens haben, sich für romantische Literatur interessieren. Ich frage mich noch heute, wie dieser gute Mann reagiert hätte, würde ich ihm erklärt haben, welches die harten Tatsachen waren, auf die ich anspielte.
Beim Lesen des Buches habe ich erkannt, dass sie Ihren Teil unserer Abmachung eingehalten haben. Sie haben jede meiner Anweisungen befolgt, nichts an dem Text ist verändert, nichts ist hinzugefügt oder fortgelassen worden. Deshalb möchte ich Ihnen, dem ich vor zwanzig Jahren den Beginn dieser Geschichte anvertraut habe, auch ihr Ende anvertrauen. Sie waren der erste, der von ihr erfahren hat, von Sie-der-man-gehorchen-muss, die von einem Jahrhundert zum anderen allein in den Grabkammern von Kor saß und darauf wartete, dass ihr verlorener Geliebter wiedergeboren würde. Und das Schicksal hat ihn ihr zurückgegeben.
Es ist deshalb nur gerecht, dass Sie als erster auch von Ayesha erfahren, von Hasea und dem Geist des Berges, der Priesterin des Orakels, die seit der Zeit Alexanders des Großen zwischen den flammenden Säulen des Heiligtums herrschte, die als letzte das Zepter Hes' oder Isis' in ihren Händen hielt. Es ist auch nur gerecht, dass Sie der erste sein sollen, dem ich die mystische Verwirklichung der wunderbaren Tragödie enthülle, die in Kôr begann, oder vielleicht auch schon viel früher, in Ägypten oder an einem anderen Ort.
Ich bin sehr krank. Ich habe mich in mein altes Haus zurückgeschleppt, um hier zu sterben, und mein Ende steht dicht bevor. Ich habe den Arzt gebeten, Ihnen nach meinem Tod den Bericht zu schicken, das heißt, falls ich es mir vorher nicht anders überlege und ihn verbrenne. Außerdem werden Sie, falls ich überhaupt etwas an Sie schicken lasse, auch einen Kasten mit einigen Skizzen erhalten, die Ihnen vielleicht von Nutzen sein könnten, sowie ein Sistrum, das Instrument, das in alter Zeit bei der Verehrung der Göttin der Natur verwandt wurde, von Isis und Hathor, und Sie werden sehen, dass es ebenso schön wie alt ist. Ich möchte es Ihnen aus zwei Gründen geben: als Zeichen meiner Dankbarkeit und Wertschätzung, und als den einzigen mir verbliebenen Wahrheitsbeweis für den Inhalt des beiliegenden Manuskripts, in dem es häufig erwähnt wird. Vielleicht findet es auch Ihre Anerkennung als eine Erinnerung des, nach meiner Auffassung, seltsamsten und schönsten Wesens, das jemals lebte - und noch immer lebt! Es war ihr Zepter, das Zeichen ihrer Macht, mit ihm sah ich sie im Heiligtum die Schatten grüßen - und es war ihr Geschenk an mich.
Es besitzt noch immer magische Kräfte; ein Teil von Ayeshas Macht ist noch immer in diesem Symbol verborgen, vor dem sich selbst Geister verbeugten, doch falls Sie sie entdecken sollten, gehen Sie vorsichtig mit ihnen um!
Ich habe weder die Kraft noch den Willen, mehr zu schreiben. Der Bericht muss für sich selbst sprechen. Machen Sie damit, was Sie wollen, und glauben Sie an seinen Wahrheitsgehalt oder auch nicht, wie es Ihnen beliebt. Mir ist es gleichgültig, ob jemand seine Wahrhaftigkeit erkennt oder nicht.
Wer oder was war Ayesha? Nein, was ist Ayesha? Eine inkarnierte Wesenheit, ein materialisierter Naturgeist, die Unvorhersehbare, die Schöne, die Grausame und die Unsterbliche; beseelt und erlösbar allein durch die Menschheit und ihre armseligen Anbetungsriten? Sagen Sie es! Ich habe mich lange genug in Spekulationen ergangen, mit denen ich dieses Mysterium zu lösen versuchte.
Ich wünsche Ihnen Glück und Zufriedenheit. Leben Sie wohl, Sie und alle anderen!
Hochachtungsvoll
Ihr sehr ergebener L. Horace Holly
Ich legte den Brief zur Seite und - erfüllt von einem Gefühl, dessen Beschreibung oder Analyse unmöglich ist - öffnete den zweiten, dessen Inhalt ich ebenfalls veröffentlichen werde, nachdem ich lediglich gewisse, unwichtige Passagen gestrichen habe sowie den Namen des Verfassers, der mich darum gebeten hat, wie Sie beim Lesen seines Briefes feststellen werden.
Diese Epistel, dessen Absenderadresse einen abgelegenen Ort an der Küste von Cumberland nannte, lautete wie folgt:
Sehr geehrter Herr!
Als der Arzt, der Mr. Holly während seiner letzten Krankheit betreute, bin ich durch ein ihm gegebenes Versprechen verpflichtet, als Vermittler in einer recht seltsamen Angelegenheit zu wirken, von der ich nur sehr wenig verstanden habe, obwohl sie mich sehr interessiert. Trotzdem möchte ich Sie ausdrücklich bitten, dass mein Name in Beziehung zu dieser Sache nicht genannt wird, und auch nicht der Ort, in dem ich praktiziere.
Vor etwa zehn Tagen wurde ich zu einem Hausbesuch bei Mr. Holly gerufen, der in einem alten Haus auf den Uferklippen wohnte, das lange Jahre leer gestanden hatte und nur von einem Haushälterehepaar in Ordnung gehalten wurde. Das Haus, erfuhr ich später, gehörte Mr. Holly und war seit mehreren Generationen im Besitz seiner Familie. Die Haushälterin, die mich rief, berichtete mir, dass Mr. Holly gerade von einer längeren Auslandsreise zurückgekehrt sei - von irgendwo in Asien - und dass er schwer krank darnieder liege - Herzbeschwerden, vermutete sie - und dem Tode nahe; beides Diagnosen, die sich als richtig erwiesen.
Ich fand den Patienten aufrecht im Bett sitzend (um sein Herz zu entlasten), und er war ein seltsam aussehender, alter Mann. Er hatte dunkle Augen, klein, doch voller Feuer und Intelligenz, einen langen, schlohweißen Bart, der seine ungewöhnlich breite Brust bedeckte, und dichtes, ebenfalls schlohweißes Haar. Seine Arme waren außergewöhnlich kräftig, und einer von ihnen schien von einem Tier zerfleischt worden zu sein. Er erklärte mir, dass er von einem Hund angegriffen worden sei, doch wenn dem so war, musste es sich um einen Hund von ungewöhnlicher Größe und Stärke gehandelt haben. Er war ein überaus hässlicher Mann, und doch, entschuldigen Sie den Widerspruch, von großer Schönheit. Ich kann Ihnen nur beschreiben, was ich damit meine, wenn ich Ihnen erkläre, dass sein Gesicht nicht denen normaler Sterblicher glich, denen ich bisher begegnet war. Wenn ich ein Maler wäre, der einen weisen und gutmütigen, doch irgendwie grotesken Geist darstellen wollte, so würde ich dieses Gesicht als Modell nehmen.
Mr. Holly war irritiert über mein Erscheinen (seine Haushälterin hatte mich ohne sein Wissen gerufen), doch nach kurzer Zeit gab er sich mir gegenüber sehr freundlich und war dankbar für die Erleichterung, die ich ihm verschaffen konnte, obwohl das alles