Gangster in London. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
seiner Zigarre zur Decke hinauf. Er war groß, schlank und von der Sonne gebräunt wie ein Indianer.
Terry Weston grinste. Er amüsierte sich immer über Jiggs.
»Sagen Sie mal: Sie sind doch Chefinspektor oder so etwas Ähnliches?« fuhr Jiggs fort, »Mir scheint, daß man nächstens hier noch Kinder zu höheren Beamten macht. Wie alt sind Sie denn jetzt, Terry?«
»Fünfunddreißig.«
Jiggs machte ein verächtliches Gesicht. »Das ist eine gemeine Lüge! Wenn Sie älter sind als dreiundzwanzig, dann lasse ich mich totschießen.«
»Immer wenn Sie Ihren jährlichen Besuch in Scotland Yard machen, erzählen Sie denselben faulen Witz. Man könnte doch meinen, daß Ihnen mit der Zeit etwas Neues einfallen sollte? Aber Sie haben eben von zwei Triebkräften im Leben gesprochen ...«
»Ja – Liebe und Tod.« Jiggs nickte eifrig. »Mit der Liebe hat man immer schon viel Geld verdient; aber mit dem Tod haben bisher nur die Ärzte und die Beerdigungsinstitute ihr Geschäft gemacht. Doch passen Sie auf: Das wird jetzt anders, Terry! In den Vereinigten Staaten werden jedes Jahr Unsummen für den persönlichen Schutz wohlhabender Bürger verausgabt. Und was dort drüben ein gutes Geschäft ist, müßte sich auch in England, Frankreich, Deutschland oder sonstwo bezahlt machen. Die Menschen sind überall gleich, und es wird überall mit Wasser gekocht. Jedenfalls: Unsere großen Gangster – ich weiß das – haben sich inzwischen in England umgesehen, und zwar einer aus Chikago und einer aus New York. Und wenn die sich was in den Kopf setzen, führen sie's auch durch. Denn diese Burschen, mit denen ich es drüben zu tun habe, denken in Millionen oder gar in achtstelligen Zahlen. Im vorigen Jahr wollten sie ein neues Geschäft in einem anderen Land aufmachen und haben allein für Vorarbeiten zwei Millionen Dollar ausgegeben. Die Sache rentierte sich dann aber nicht, und so haben sie einfach ihre ganzen Ausgaben auf Verlustkonto gesetzt ... Da staunen Sie, was? Diese Leute könnten jedes Jahr aus England hundert Millionen Dollar ziehen, ohne daß es auffiele.«
Jiggs Allerman war bei seinem Lieblingsthema angelangt. Er hatte sich schon öfters mit Terry darüber unterhalten, der ihm jedesmal widersprach. Persönlich wäre er an dieser besonderen Art von Verbrechen interessiert gewesen, denn er arbeitete in Scotland Yard im Dezernat für Betrug, Erpressung und ähnliche Vergehen.
Kurz darauf ging er mit dem Amerikaner zu Tisch. Er hatte Jiggs Allerman gern und wußte, daß er noch viel von ihm lernen konnte.
Im Grill-Room des Carlton-Hotels erkannte Terry Mr. Elijah Decadon und machte seinen Begleiter auf ihn aufmerksam. »Das ist einer der gemeinsten und gefährlichsten Millionäre, die es auf der Welt gibt!«
»Na – mit dem würde ich schon fertig werden!« erklärte Jiggs. »Und wer ist der dunkle Herr, der bei ihm sitzt? Der kommt mir so merkwürdig bekannt vor ...«
»Sein Neffe. Möglich, daß Sie ihn kennen; er wohnte früher in Chikago. Ist er nicht zufällig mal mit der Polizei in Berührung gekommen?« fragte Terry ironisch.
»Nein, aber das hat nichts zu sagen. Die ganz großen Verbrecher haben selten etwas mit der Polizei zu tun; die eigentlichen Drahtzieher, die hinter den Alkoholschmugglerbanden und ähnlichen Gesellschaften stehen, werden fast nie erwischt. Ach, jetzt fällt es mir ein! Tanner – Ed Tanner heißt der Mann! Ein durchtriebener Junge ... Hab' mich schon oft gewundert, woher er das viele Geld hat. Aber sagten Sie nicht eben, sein Onkel wäre Millionär?«
»Von dem hat er es nicht!« erwiderte Terry grimmig.
Der alte Decador drüben saß aufrecht vor seiner einfachen Mahlzeit und sah seinen Neffen böse an. Er war ungewöhnlich groß und stattlich und hatte sich für sein Alter erstaunlich gut gehalten.
»Ich hoffe, du begreifst endlich, daß ich das Geld, das ich besitze, auch behalten will?« sagte er barsch. »Ich möchte nichts von diesen wilden amerikanischen Phantasien hören, durch die die Yankees schnell zu Reichtum kommen wollen.«
»Ich sehe auch keinen Grund, warum du dich damit abgeben solltest, Onkel«, entgegnete Ed gutgelaunt. »Aber ich habe eine private Nachricht über dieses Petroleumfeld erhalten, und ich glaube, daß es ein gutes Geschäft ist. Ich persönlich habe nichts davon, ob du einsteigst oder nicht. Aber ich dachte, du spekuliertest gern?«
»Mit derartig windigen Geschäften will ich nichts zu tun haben!« brummte der Alte.
Die beiden Detektive an der anderen Seite des Speisesaals sahen, wie er aufstand und fortging. Sie nahmen an, er habe sich mit seinem Neffen gestritten.
»Möchte bloß wissen, was die zwei da eben geredet haben. Decadon kenne ich nicht, aber Ed um so genauer. Er ist der beste Psychologe in Amerika, und ... Donnerwetter, da ist ja auch der ›Große‹ selbst!«
Ein elegant gekleideter Herr von mittlerer Größe war in den Speisesaal getreten. Er trug das Haar kurz geschnitten; sein schmales Gesicht war von vielen Furchen durchzogen und sah nicht gerade vertrauenerweckend aus. Auch die beiden langen, dünnen Narben auf der linken Wange machten es nicht anziehender.
Jiggs pfiff leise vor sich hin. Er saß in gespannter Haltung; seine Augen glänzten. »Es ist wahrhaftig der ›Große‹ in eigener Person ... Himmeldonnerwetter, was hat das nur zu bedeuten?«
»Wer ist denn der ›Große‹?« fragte Terry.
»Den müssen Sie kennenlernen! In einer Minute wird er bei uns sein.«
»Er hat Sie doch gar nicht gesehen?«
»Sie können Gift darauf nehmen, daß ich der erste war, den er hier gesehen hat! Der Kerl entdeckt jede Stecknadel auf dem Boden. Haben Sie noch nie von ihm gehört? Kerky Smith – oder Albuquerque Smith – oder Alfred J. Smith; kommt ganz darauf an, ob Sie ihn kennen oder von ihm lesen.«
Der Mann, über den sie sprachen, ging anscheinend ziellos durch den Saal. Plötzlich sah er auf und begegnete dem Blick Edwin Tanners, der ihn lächelnd anschaute.
»Hallo, Kerky! Wann sind Sie denn hierhergekommen? Ich habe nicht im mindesten erwartet, Sie hier zu treffen.«
Er reichte ihm die Hand, und Kerky drückte sie schwach.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen?«
»Bleiben Sie lange?« fragte Kerky, ohne auf die Aufforderung einzugehen.
»Ich fahre zweimal im Jahr nach England. Mein Onkel wohnt hier.«
»Ach so? Aus Chikago haben Sie ziemlich plötzlich Reißaus genommen ...«
»Durchaus nicht!« erwiderte Tanner eisig.
Kerky lehnte sich an den Tisch und sah auf ihn hinunter. Ein verständnisinniges Lächeln spielte um seine Lippen. »Hab' gehört, daß Sie hier Geschäfte machen wollen. Jemand sagte mir, Sie hätten zwei Millionen investiert. Bleiben Sie noch lange hier?«
Ed setzte sich bequem zurück und spielte mit einem Zahnstocher. »So lange, wie es mir Spaß macht!« erwiderte er vergnügt. »Jiggs dort drüben verschlingt uns geradezu mit den Augen ...«
Kerky Smith nickte. »Ja – ich habe den verdammten Kerl schon gesehen. Wen hat er da eigentlich bei sich?«
»Irgendeinen Burschen von Scotland Yard.«
Kerky richtete sich auf und legte seine lange, dürre Hand auf Eds Schulter. »Sie werden nett und lieb sein, mein Junge: Entweder machen Sie mit, oder Sie verschwinden. Sie brauchen einen unheimlichen Haufen Geld für dieses Geschäft, Ed; mehr, als Sie haben.« Er klopfte ihm auf die Schulter und ging dann zu Allerman hinüber. »Sieh, da ist ja auch Jiggs!« rief er strahlenden Gesichts.
»Setzen Sie sich, Sie gemeiner Hund und Dieb!« entgegnete der Detektiv ruhig. »Was machen Sie denn in London? Ich muß sagen, daß die englische Regierung in der Erteilung von Visen sehr fahrlässig ist.«
Kerky lächelte. »Das sollten Sie eigentlich nicht sagen ... Aber stellen Sie mich doch bitte Ihrem jungen Freund vor!« »Der kennt Sie schon genau. Chefinspektor Terry Weston ... Wenn Sie eine Weile in London bleiben, wird er auch bald Ihre Fingerabdrücke besitzen.