DER ELEGANTE MR. EVANS. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
und so weiter.«
»Wir wollen uns doch keine Unannehmlichkeiten bereiten, Mr. Miller«, sagte Evans mit säuselnder Stimme. »Ich bin von Natur aus ein umgänglicher und redseliger Mensch, wie der berühmte Cardinal Rishloo*, der, als er von Napoleon ins Gebet genommen wurde, geantwortet haben soll: ‚Es gibt so manche schöne Weise, die auf einer alten Violine gespielt wurde’.«
»Noch nicht genug«, fuhr der Müller fort, »dass du die Great Western Eisenbahngesellschaft betrügst, indem du erster Klasse reist, dazu mit einem abgelaufenen 3. Klasse-Ticket. Du strengst dich mit deinem schändlichen Charakter auch noch an, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Geld einzuheimsen.«
Der Müller schüttelte den Kopf und der Strohhalm zwischen seinen Zähnen zwirbelte bedrohlich.
»Was werden Sie im 2.30-Uhr-Rennen wetten?«, fragte Evans leichthin. »Ich habe da etwas, das könnte sich zum Schlafen hinlegen, dann aufstehen und so deutlich gewinnen, dass der Zielrichter eine neue Zielmarke malen müsste. Dieses Pferd kann man nicht schlagen, Mr. Miller. Wenn der Jockey herunterfiele, würde dieses Pferd anhalten, ihn auflesen und ihn im Maul als Sieger durchs Ziel tragen. Er ist so intelligent! Ich kriegte den Tipp von dem Jungen, der ihn betreut.«
»Wenn er ihn so betreut, wie du mich gerade wieder geschafft hast«, sagte der Müller, »müsste er vor Gold glänzen! Ich werde nichts anderes tun als auf deinen unschlagbaren Edelstein im Handicap setzen. Isaachheim wollte mir die erforderliche Summe nicht geben, also dachte ich, ich mache es etwas billiger. Nicht, dass das Pferd etwa gewinnt!«
Die Melancholie wich aus Educated Evans’ Gesicht und endete in einem verächtlichen Schnaufen.
»Es wird gewinnen«, sagte er ruhig und selbstbewusst. »Wenn dieses Pferd an einem Pfahl vergessen würde und dann in die falsche Richtung rennt, könnte es immer noch umdrehen und dann gewinnen! Ich weiß, wovon ich rede!
Ich kann Ihnen seine Stärke nicht beschreiben, ohne, wenn ich so sagen darf, ein großes Geheimnis zu verraten. Aber dieses Pferd wird gewinnen! Ich habe es dreitausend Kunden empfoh...«
»Das ist gelogen«, sagte der Müller, an seine eingehende Lektüre der »Sporting Life« erinnernd.
»Nun, dreihundert – aber nicht viel weniger!«
Mr. Evans fühlte das Knistern des Geldes in seiner Tasche und es kam ihm wie Musik vor, neben der Orpheus’ Laute wie eine gedämpfte Kirchenglocke an einem nebligen Morgen geklungen hätte. Er hatte gewiss hervorragende Informationen erhalten. Wenn ‚Blue Chuck’ kein absolut sicherer Tipp für das Newbury Handicap war, dann gab es so etwas wie todsichere Tipps einfach nicht. Hatte er doch persönlich die schriftlichen Eindrücke und Bemerkungen über den Trainingslauf in des Besitzers Notizbuch gelesen!
Den gesamten Vormittag war Evans, der in Camden Town durchaus ein gewisses Ansehen als Tippgeber genoss, damit beschäftigt gewesen, seinen Klienten die herrlichen und profitträchtigen Informationen zu schicken. Eine Stunde lang hatte er die freudige Nachricht zu seiner alterprobten Kundschaft getragen. Einige von ihnen waren so heftig davon angetan, dass sie ihn öffentlich beschimpften. Andere, denen er die Nachricht in hektischer Eile über die verzinkte Theke einer Kneipe zuflüsterte, tranken ihre Pint in Ruhe zu Ende und sagten dann: »Ist das wieder so eine von deinen So-und-so-Phantastereien?«
Educated Evans hatte noch Zeit gehabt, den Zug um 12.38 Uhr zu erreichen. Mr. Evans hätte sich ohne weiteres ein Erste-Klasse-Ticket leisten können. Aber er hielt an dem Glauben fest, dass es drei Stände gab und es die Aufgabe eines jeden Bürgers war, zum Besten zu gehören. Zuerst kam die Regierung; dann, in der gerecht verdienten Reihenfolge, kamen die Eisenbahngesellschaften; drittens und manchmal sogar an erster Stelle, erschien die Klasse der Buchmacher.
Er hatte sein Ticket von einem mittrinkenden Gast im »Rose and Hart« ergattert. Der wollte dafür einen unverschämten Preis haben; Evans handelte ihn auf acht Pence herunter.
»Mit ‚Blue Chuck’ kann man leichter Geld machen als Stempelgeld kriegen, so viel ich weiß«, sagte Evans. »Mr. Miller, Sie wissen doch, wie das läuft. Was würden Sie an meiner Stelle mit 1800 Pfund tun?«
»Äh?«, machte der Müller aufgeregt. »Du hast 1800 Pfund?«
»Nicht im Augenblick«, ruderte Evans bescheiden zurück. »Aber diesen Betrag habe ich in der Tasche, wenn ich zurückkomme. Ist eine Menge Geld, um es mit sich herumzuschleppen. Hauseigentum ist auch nicht mehr das, was es mal war«, fügte er hinzu, »ebenso wenig wie Kriegsanleihen, nach all dem, was dieser Kapital-Levy versucht, mit uns zu machen. Wer ist dieser Kerl namens Levy, Mr. Miller? Er ist Jude, gut; aber ich kann mich nicht an seinen Vornamen erinnern.«
Während der Zug durch Reading fuhr, gab Evans einen Teil seiner Philosophie zum Besten.
»Buchmacher werden fett durch die, wie ich es einmal nennen möchte, Unentschlossenheit der Rennbesucher«, sagte er. »Der Wetter, der seinem Turfratgeber blind und ohne Angst folgt, der wird immer richtig liegen. Aber tut er das denn auch, blind und ohne Furcht, Mr. Miller? Nein, er tut es nicht.«
»Und das ist sehr weise von ihm«, sagte der Müller, ohne von seiner Zeitung aufzuschauen, »wenn du nämlich der Ratgeber bist.«
»Das mag so sein oder auch nicht«, antwortete Evans bestimmt. »Ich erzähle Ihnen nur, was ich in vielen Jahren an Erfahrung gesammelt habe – immerhin geht meine Erinnerung zurück bis zu den Tagen des alten Croydon Rennplatzes. Man hört hier etwas, verwirft es wieder, man bekommt dies erzählt und jenes von neugierigen Wichtigtuern erzählt, was übrigens Sir Douglas Stuart – das ist er doch? Nun gut, er muss es sein – in die Lage versetzt, seine restlichen Tage an der Riviera zu verbringen.«
»Das ist das Schlimme mit dir, Evans«, sagte der Müller und faltete seine Zeitung zusammen, als der Zug vor Newbury abzubremsen begann, »du redest zu viel.«
»Das Schlimme mit mir ist«, sagte Educated Evans würdevoll, »dass ich zu viel denke!«
Auf dem Bahnsteig trennte er sich von dem Detektiv und machte sich auf den Weg zum Haupteingang des »Silver Ring« (Logenplatz für Aristokraten, wo mit höheren Summen gewettet wird;d.Ü.) als er plötzlich ruckartig stehen blieb. Eine Dame überquerte die Fahrbahn, strebte zum Kasseneingang und Evans’ Herz hüpfte für Freude. Er kannte diesen Fuchspelz, diesen teuren Velourshut, diese hochgeknöpften Stiefel. Für einen Augenblick kämpften in ihm der Liebhaber und der Sparfuchs – und der Liebhaber gewann. Educated Evans folgte ihr heißen Herzens, zuckte schmerzlich zusammen, als er ein Pfund zwei Shilling und sechs Pence Eintritt bezahlen musste und folgte der Dame zum Sattelplatz.
Als sie ihren Namen rufen hörte, drehte sie sich herum, und es kann von Miss Homaster einfach nur gesagt werden, dass sie sich Evans gegenüber zwar äußerst herzlich, dafür aber extrem herablassend verhielt.
»Na, so was, Mr. Evans, mit Ihnen hatte ich ja gar nicht gerechnet«, sagte sie. »Was haben wir doch für ein außergewöhnliches Wetter für die Jahreszeit!«
»Das ist wohl wahr, Miss Homaster«, erwiderte Evans. »Ist Ihr verehrter Herr Vater auch zugegen?«
»Nein, ich bin allein gekommen«, sagte Miss Homaster und warf keck ihren Kopf in den Nacken, »und ich bin gerade dabei, auf sämtliche Sieger zu setzen.«
Da war also die Chance gekommen, um die Evans insgeheim gebetet hatte, die günstige Gelegenheit, die er sich nie zu erträumen gewagt hatte. Er hatte sich ausgemalt, sie aus einem brennenden Haus zu retten, oder wie er ins schäumende Wasser des Ärmelkanals sprang und sie zurück ans sichere Ufer holte, wo er vielleicht in ihren Armen seinen letzten Atemzug tat; aber er hatte sich niemals vorgestellt, dass die gute Gelegenheit käme, ihr seine »guten Tipps« unterbreiten zu können.
»Miss Homaster«, flüsterte er mit heiserer Stimme, »ich werde Ihnen jetzt etwas Gutes tun. Ich habe den Sieger des Handicaps; es ist ‚Blue Chuck’. Er ist ein absolut sicherer Tipp. Er könnte stürzen, wieder aufstehen und das Rennen noch gewinnen.«
»Wirklich?« Er wirkte sehr überzeugt und so war sie ernsthaft interessiert.
Er