DER ELEGANTE MR. EVANS. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
ihren eigenen Lippen, dass sie einmal als kleines Mädchen in demselben Bus gefahren sei wie Crippen.
Einer seiner Freunde hatte auf seine dringende Bitte hin in den glühendsten Farben von ihm gesprochen, ihr von seiner Bildung erzählt und seiner Fähigkeit, bei den verrücktesten Fragen noch Wetten zu gewinnen, ohne dabei ein Buch oder Lexikon zu befragen. Nach diesen Vorbereitungen seines befreundeten Angebers ergriff Evans die erste günstige Gelegenheit, Beispiele seiner tiefen Gelehrsamkeit und Bildung zu offerieren.
»Es ist seltsam, mein Fräulein, wie Sie und ich hier stehen, während die Welt sich in 24 Stunden um ihre eigene Achse dreht, wobei sie Tag und Nacht entstehen lässt. Nur wenige Menschen können sich, sozusagen, die Geheimnisse der Natur vergegenwärtigen, wie Mond und Sterne, die eine andere Welt sind als die unsere. Man sagt, es gebe Leben auf dem Mars wegen der Kanäle, die man über Teleskope beobachtet hat. Was uns zu der Frage bringt: Ist der Mars bewohnt?«
Sie hörte hingerissen zu.
»Die Entwicklung der Menschheit«, fuhr Evans freudig fort, »wurde von Darwin erfunden, was uns zu der Frage nach prähistorischen Zeiten bringt.«
»Was Sie nicht alles wissen!«, sagte die junge Dame. »Hätten Sie gerne etwas mehr Sodawasser? Das Wetter entspricht doch recht gut der Jahreszeit, finden Sie nicht?«
»Die Jahreszeiten werden hervorgerufen oder verursacht durch die Umdrehungen der Welt...« begann Evans.
Aber ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt durch einen ungebildeten Mann, der ein weiteres Getränk bestellte.
Jedermann kannte Mr. Homaster. Sogar der Müller. Wenn diese Leuchte der kriminalistischen Ermittlung ein Interview mit einem seiner zwielichtigen Bekanntschaften zu führen wünschte, konnte er sicher sein, denjenigen bei ihr zu finden, wie er einer Motte gleich um das Licht ihres Charmes und ihrer Schönheit herumschwänzelte.
Ungefähr gegen acht Uhr abends würde dann Sergeant William Arbuthnot Challoner die Schwingtüren der Saloonbar aufdrücken und einen gelangweilten Blick in die Runde werfen. Sodann nickte er einigen alten Freunden zu, die er entdeckte, zog grüßend den Hut vor Miss Homaster und ging wieder.
Ihre Verlobung verkündigte sie zwei Tage, bevor sie die Bar endgültig verließ. Es war ein unglücklicher Evans, dem sie die Nachricht unterbreitete.
»Ich werde einen richtig guten Freund heiraten, einen Gentleman«, sagte sie, worauf Evans sich an der Ecke der Theke festhalten musste. »Ich halte viel von frühem Heiraten und von Treue. Eine Ehefrau sollte ihrem Mann ein Freund sein und ihm immer helfen. Sie sollte sich auch für seine Geschäfte interessieren. Da stimmen Sie doch zu, Mr. Evans?«
»Ja, Miss«, erwiderte Evans mit einiger Anstrengung.
»In guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Jammer, Asche zu Asche.«
Der Müller erfuhr von der Verlobung durch Educated Evans.
»Ich glaube an die Kraft der Ehe«, sagte er. »Sie gibt dem Scheidungsrichter Arbeit.«
Ein harter, zynischer Mann, in dem die Quellen allen menschlichen Verständnisses versiegt waren.
Es gibt die Legende, dass vor einiger Zeit der Müller ein Vermögen in der Hand hatte oder in seiner unmittelbaren Reichweite. Der Müller hatte nie über diese Angelegenheit gesprochen, nicht einmal mit seinen engsten Freunden. Selbst Educated Evans, der seine Bekanntschaft zu ihm als etwas enger betrachtete, kam mit selten geübter Zurückhaltung niemals auf diese enorme, verpasste Gelegenheit zu sprechen.
Dennoch hatte es sie gegeben: Das Glück klopfte an seine Tür, mit einer Reihe von Häusern unter dem Arm, und der Müller, mit der Hand schon auf der Klinke, hatte gezögert.
Reihen von Häusern, ein Automobil, jeden Tag seines Lebens zum Pferderennen, wann ihm danach zumute war, und sein Ehrgeiz trieb ihn zu so einem hochfliegenden Ende – und Verlust, weil der Müller sich weigerte, dem Beweis zu vertrauen, den ihm seinen eigenen Ohren lieferten, oder der Maxime der Vorfahren zu glauben: in vino veritas.
Mr. Sandy Leman hatte sicherlich dem vino zugesprochen, als der Müller ihn schnappte: a) wegen Trunkenheit, b) wegen ruhestörenden Lärms, c) wegen Landfriedensbruch, d) beleidigendes Verhalten.
(»Er war«, um es in Educated Evans’ deutlicher Sprache zu formulieren, »so besoffen, dass er versuchte, auf einem fahrbaren Würstchenstand zu spielen in der Annahme, das sei ein Konzertflügel.«
Was die »veritas« betraf, so hatte der Müller berechtigte Annahme zu glauben, dass nur ein einziges Pferd einen ernsthaften Probelauf in der Clumberfield Zuchtstation gestartet hatte und das sollte »Curly Eyes« gewesen sein? Auf dem Weg dorthin tat Mr. Sandy Leman der ganzen Welt diese Tatsache kund und bestand darauf, den Bezirksveterinär aufzusuchen, um auch ihn darüber zu informieren. Dazu unternahm er geradezu mitleiderregende Versuche, die Telefonnummer von Mr. Lloyd George herauszufinden, nur um ausgerechnet dem die gute Nachricht zu übermitteln, über den er aber (in Augenblicken völliger Trunkenheit) bittere Tränen zu vergießen pflegte.
Dem Müller lag sozusagen der Markt zu Füßen und nach vielem Zögern setzte er fünf Shilling auf Platz und Sieg. Und das, nachdem er eine Nacht über die Entscheidung geschlafen hatte, ein Risiko einzugehen, um mit dem Einsatz von 50 gewinnen zu können. »Curly Eyes« gewann und brachte die Quote auf 100 zu 6. Der Müller las die Nachricht in der Zeitung, warf sie zur Erde und trampelte wütend darauf herum. Das ist die ganze Geschichte.
Langsam und gelassen schlenderte Educated Evans auf dem Bahnsteig der Paddington Station umher. Seine Kopfhaltung drückte einen gewissen Stolz aus, seine Lippen hielten eine ausgefranste Zigarre, seine Augen hielt er halb geschlossen, als sei ihm der Anblick so vieler gewöhnlicher Pferdenarren auf der Fahrt nach Newbury zu viel. Groß und schwer hing der Feldstecher über seiner Schulter, aus jeder Tasche seines Mantels lugte eine Rennzeitung hervor.
Educated Evans hielt vor der verschlossenen Tür eines Erste-Klasse Waggons an und betrachtete kühl und nüchtern den näher kommenden Schaffner.
»Mitglied«, sagte er nur.
»Mitglied des Parlaments oder der Rennställe?«, fragte der Schaffner sardonisch grinsend zurück.
»Presse«, sagte Evans mit noch mehr Ernst in der Stimme.
»Ich bin der Herausgeber der TIMES«.
Der Schaffner machte eine bestimmte Geste.
»Wo ist Ihr Ticket?«, fragte er und mit einem Seufzer präsentierte Evans das Dokument.
»Dritter Klasse – und von gestern«, bemerkte der Schaffner böse. »Zum Teufel noch mal, einige von euch Typen geben es wohl nie auf, was?«
»Ich werde mir Ihre Dienstnummer merken, mein Freund«, sagte Evans, zu einer Antwort gezwungen. »Der Railway Act von 1874 spezifiziert ganz genau, dass Tickets, die unter diesen Gesetzesbedingungen ausgegeben wurden, übertragbar und austauschbar...«
Der Schaffner ging einfach weiter. Evans sah, dass eine Tür in dem Durchgangswaggon offen stand und der Schaffner sich soeben abgewendet hatte. Er betrat das Abteil, setzte sich in einen Eckplatz und verhüllte seine Identität mit einer auseinander gefalteten Abendzeitung.
»Ich sage immer, Sir«, sagte er, als der Zug sich in Bewegung setzte und es kein Risiko mehr bedeutete, sich wieder der Allgemeinheit zu zeigen, »ein billiger Start ist ein guter Start. Nicht, dass ich nicht in der Lage wäre, mein Leben als Gentleman und Sportsmann zu bezahlen!«
Sein einziger Abteilgenosse versteckte sich ebenfalls hinter einer ausgebreiteten Zeitung.
»Es ist doch wohl klar«, so fuhr Mr. Evans fort, »dass ein Mann wie ich, der ich mich sozusagen des Vertrauens der meisten Rennställe in Wiltshire und Berkshire erfreue und meine eigenen Korrespondenten in Lambourn, Manton, Stockbridge und so weiter habe, so leuchtet es doch ein, dass ich Besitzer meiner eigenen Pferde – oha!«
Der Müller betrachtete ihn kühl über den Rand seiner Zeitung.
»Lass dich nicht stören, Evans«, sagte er höflich. »Ich