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Die Kartause von Parma. StendhalЧитать онлайн книгу.

Die Kartause von Parma - Stendhal


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dem Arm. Kaum im Wagen, fiel unser Held, von Müdigkeit überwältigt, in tiefen Schlaf.

      Nichts vermochte ihn zu wecken, weder das Gewehrfeuer, das den kleinen Wagen umknatterte, noch das Traben des Pferdchens, das die Marketenderin mit der Peitsche antrieb. Das Regiment war unversehens von preußischen Kavallerieschwärmen angegriffen worden, nachdem es den ganzen Tag über an den Sieg geglaubt hatte. Jetzt ging es zurück, oder vielmehr: es floh in der Richtung auf die französische Grenze.

      Der Oberst, ein schöner junger Dandy, der unlängst das Regiment von Macon übernommen hatte, wurde niedergesäbelt. Einer der Bataillonskommandeure, der an seine Stelle trat, ein alter Krieger mit weißem Haar, ließ das Regiment Halt machen.

      »Zum Teufel!« schrie er den Soldaten zu. »Zu Zeiten der Republik wartete man mit dem Auskneifen, bis einen der Feind dazu zwang. Jeden Zollbreit Erde müßt ihr verteidigen! Und wenn ihr totgeschossen werdet!« fluchte er. »Euer Vaterland ists, das die Preußen besetzen wollen!«

      Das Wägelchen hielt, und Fabrizzio wachte plötzlich auf. Die Sonne war schon lange untergegangen. Er war ganz verdutzt, als er sah, daß es beinahe Nacht geworden war. Die Soldaten hasteten zu beiden Seiten in wirrer Unordnung dahin. Unserem Helden kam das seltsam vor. Sie sahen ihm alle recht kläglich aus.

       »Was ist denn los?« fragte er die Marketenderin.

      »Nichts. Wir sind die Gepritschten, mein Jungchen! Die preußische Kavallerie verhaut uns, weiter nichts. Der Esel von einem General hat erst geglaubt, es sei unsere eigene. – Los, komm! Hilf mir mal den Strang von Kokotte zusammenbinden! Er ist gerissen.«

      Zehn Schritt weit fielen ein paar Schüsse. Unser Held, wieder frisch und kampflustig, meinte bei sich: ›Eigentlich bin ich den ganzen Tag über gar nicht ins Gefecht gekommen; ich war nur im Gefolge eines Generals.‹

      »Ich muß ins Feuer!« sagte er laut zur Marketenderin.

      »Beruhige dich! Du kommst schon noch ins Feuer, und mehr, als du willst! Wir sind futsch! – Aubry, mein Junge,« rief sie einem Korporal zu, der vorbeimarschierte, »vergiß nicht, dich ab und zu nach meinem Karren umzugucken!«

      »Gehen Sie ins Gefecht?« fragte Fabrizzio den Unteroffizier.

      »Nee, nur auf den Tanzboden!«

      »Ich komme mit!«

      »Den kleinen Husaren kann ich dir empfehlen. Der Bursche hat Mut!« rief die Marketenderin.

      Der Korporal Aubry schritt stumm seines Wegs. Acht bis zehn Soldaten stießen in eiligem Lauf zu ihm. Er führte sie hinter eine mächtige Eiche, die von Brombeersträuchern umgeben war. Dort angekommen, stellte er sie längs des Waldrandes auf, immer noch, ohne einen Ton zu reden, in weiten Abständen, mindestens zehn Schritt voneinander entfernt.

      »Nun paßt mal auf!« sagte er dann, und das war das erste, was er sprach. »Gebt nicht eher Feuer, als bis ichs befehle. Denkt daran, daß jeder nur drei Patronen hat!«

      ›Was geht denn eigentlich vor?‹ fragte sich Fabrizzio. Als er schließlich allein mit dem Korporal dastand, sagte er zu ihm: »Ich hab kein Gewehr!«

      »Zunächst halts Maul! Lauf ein Stück vor! Da, fünfzig Schritt vor dem Gehölz, findest du welche bei den armen Kerlen des Regiments, die vorhin niedergehauen worden sind. Nimm dir Flinte und Patronentasche, aber von keinem Verwundeten, und flink, sonst kriegst du Feuer von unseren eigenen Leuten!«

      Fabrizzio lief hin und kam alsbald mit einem Gewehr und einer Patronentasche zurück.

      »Lade dein Gewehr und stell dich dort hinter den Baum! Vor allem schießt du nicht eher, als ichs befehle. – Herr, du mein Gott! Er kann nicht mal laden!«

      Er half Fabrizzio, indem er dabei seine Unterweisung fortsetzte: »Wenn ein feindlicher Reiter auf dich losgaloppiert kommt und dich niedersäbeln will, so krauchst du hinter deinen Baum und gibst deinen Schuß erst ab, wenn dein Reiter auf drei Schritt an dich heran ist. Dein Bajonett muß fast schon an seinen Rock stoßen. – Schmeiß doch deinen langen Säbel weg!« schrie er. »Willst du drüber stolpern? Weiß der Teufel, was für Soldaten wir jetzt haben!«

      Bei diesen Worten nahm er ihm den Säbel eigenhändig ab und schleuderte ihn wütend weit fort.

      »Du, wische mal den Zündstein mit dem Taschentuch ab! Hast du überhaupt in deinem Leben schon einmal ein Gewehr abgefeuert?«

      »Ich bin Jäger.«

      »Gott sei gelobt!« entgegnete der Korporal mit einem schweren Seufzer. »Vor allem schieße nicht, ehe ichs befehle!« Damit ging er.

      Fabrizzio war außer sich vor Freude. ›Endlich komme ich richtig ins Gefecht!‹ sagte er sich. ›Werde einen Feind töten! Heute morgen haben sie uns beschossen, aber ich habe nichts getan, als mich nur den Kugeln ausgesetzt. Das kann jeder!‹ Er spähte mit gespannter Neugier nach allen Richtungen. Nach einer Weile hörte er sieben bis acht Gewehrschüsse in seiner nächsten Nähe. Aber da er keinen Befehl zum Schießen bekam, blieb er ruhig hinter seinem Baum. Es war beinahe Nacht. Er kam sich vor, als wäre er auf dem Anstand, auf der Bärenjagd, in den Bergen der Tremezzina oberhalb von Grianta. Ein Jägereinfall kam ihm. Er holte eine Patrone aus seiner Patronentasche und brach die Kugel heraus. ›Wenn ich etwas sehe, muß ich es treffen!‹ Und er ließ diese zweite Kugel in den Gewehrlauf gleiten. Wiederum fielen zwei Schüsse dicht neben seinem Baum; gleichzeitig sah er einen Reiter in blauem Rock vor sich von rechts nach links galoppieren. ›Drei Schritt sind das nicht,‹ sagte er bei sich, ›aber auf diese Entfernung bin ich meines Schusses sicher.‹ Er verfolgte den Reiter mit der Mündung seines Gewehres und drückte schließlich ab. Der Reiter fiel samt seinem Pferd. Unser Held wähnte sich auf der Jagd. Voller Freude rannte er nach dem soeben erlegten Stück Wild. Schon wollte er den Mann anfassen, der offenbar im Sterben lag, als in unglaublicher Schnelle zwei preußische Reiter anritten, um ihn niederzusäbeln. Fabrizzio rettete sich, so schnell ihn seine Beine trugen, nach dem Gehölz; um besser laufen zu können, warf er sein Gewehr weg. Die preußischen Reiter waren keine drei Schritt mehr von ihm, als er in eine junge Eichenschonung gelangte, die sich vor dem Hochwald hinzog. Von den armhohen Bäumchen wurden die Reiter einen Augenblick aufgehalten, dann brachen sie durch und verfolgten Fabrizzio über eine Lichtung. Wiederum waren sie nahe daran, ihn zu fassen, als er eine Gruppe von sieben bis acht dicken Bäumen erreichte. In diesem Augenblick streiften ihn fünf oder sechs Schüsse so nahe, daß ihm fast das Gesicht verbrannt wurde. Er duckte sich nieder; als er sich wieder aufrichtete, stand der Korporal vor ihm.

      »Du hast getroffen«, meinte Aubry.

      »Jawohl, aber ich habe mein Gewehr verloren.«

      »An Gewehren fehlts uns nicht. Du bist ein braver Kerl und gar nicht so dumm, wie du aussiehst. Du hast deine Sache gut gemacht. Die anderen Kerle da haben die beiden Reiter verfehlt, die dir nachsetzten und gerade auf sie zukamen. Ich selber konnte sie nicht sehen. Jetzt heißt es glattweg Leine ziehen. Das Regiment kann keine tausend Schritt weit sein, und außerdem ist da ein Stück Wiese, wo man uns umstellen kann.«

      Während der Korporal so sprach, setzte er sich im Laufschritt an die Spitze seiner zehn Leute. Nach zweihundert Schritten kamen sie an die kleine Wiese, wo ihnen ein verwundeter General, von seinem Adjutanten und einem Diener gestützt, begegnete.

      »Geben Sie mir vier von Ihren Leuten!« befahl er dem Korporal mit ersterbender Stimme. »Ich muß auf einen Verbandplatz gebracht werden. Das Bein ist mir zerschmettert.«

      »Hol dich der Teufel,« erwiderte der Korporal, »dich und alle Generale! Ihr habt heute allesamt den Kaiser verraten!«

      »Was,« rief der General wütend, »Sie verweigern mir den Gehorsam? Wissen Sie, daß ich der General Graf B. bin, Ihr Divisionskommandeur?«

      Er sagte noch mehr. Der Adjutant ging auf die Soldaten los. Der Korporal stieß ihm das Bajonett in den Arm. Dann lief er mit seinen Leuten doppelt schnell davon.

      »Möchten


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