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Altes Herz geht auf die Reise. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Altes Herz geht auf die Reise - Ханс Фаллада


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      »Dann runter mit euch vom Hof!« befahl der Bauer, und während die Alten eilfertig fortzogen, Maxe hinter ihnen das Tor schloß, kletterte der Bauer unter Hilfe vieler ächzend von seinem Sitz. »Los. Kinder, lauft, Mädchen! Macht es ihnen schwer! Los! Los!«

      Und die ganze Hofstatt geriet in einen wirbelnden Aufruhr, denn alles lief mit den Würsten, Schinken und Speckseiten, sie zu verstecken, an Baumäste zu hängen, in Winkel zu schieben.

      Ruhig in all dem Treiben standen nur der dicke Bauer, mit ermunternden und verweisenden Rufen, und der Professor Kittguß am Tor.

      »Barthel, laß den Schweinkram! Willst du mal den Schinken nicht im Mist verstecken! Legt ihn auf den Holzfeimen, ganz hoch! Maxe, hilf ihnen!«

      Jetzt hatte der Bauer den Fremden gesehen und gab ihm die Hand: »Nun kommt was zum Lachen! Sie sind fremd hier?«

      »Ja.« Und schon wollte Professor Kittguß trotz des Verbots nach Rosemarie Thürke fragen, da tat sich feierlich langsam das Hoftor auf.

      »Lauft!« rief der Bauer, und herein liefen, humpelten, trippelten, ächzten die Alten, die Armen, die Huster, die Krächzer, die Kracher; standen einen Augenblick spähend, entdeckten ein Ziel: eine Wurst, eine Speckseite. Keuchten dahin, sie zu erfassen, jammerten: »Ich lange nicht an!« – »Für mich bleibt nichts!«

      »Willst du mal! Die Wurst ist meine!«

      »Nein, meine! Ich habe sie zuerst gesehen!«

      »Ich –!«

      »Doch meine!«

      »Meine!«

      Und indes die beiden Weiber streitend an der Riesenwurst zerrten, hob ein dritter, ein schlauer, trockener Alter, aus dem gleichen Nest, in dem die Wurst gelegen, schmunzelnd einen derben Schinken.

      Ein rüstiger Greis hatte um einer Speckseite willen die Hoflinde erklettert und rutschte behutsam, in Sorge um seine alten Knochen, auf einem Ast dem lecker baumelnden Ziel näher. Doch schon nahte unten mit einer Schubkarre der Feind in Gestalt einer derben Frau. Unter dem Speck kippte sie die Karre um, stieg auf sie, und eben griff der Alte von oben zu, als die Frau von unten zog.

      »O weh, nichts bleibt für mich!« rief der Alte auf seinem Ast. »Schämst dich was, Gesche, zehn Jahre bist du jünger …«

      Er brach ab. Vom hohen Sitz hatte er den ungeheuren Schinken auf der Spitze des gut zwei Meter getürmten Holzfeimens entdeckt. Als sei der alte, seit sechzig Jahren zur Ruhe gegangene Knabenmut wieder über ihn gekommen, rutschte er vom Zweig, hing einen Augenblick zappelnd zwischen Himmel und Erde und ließ sich dann, die Gesche als Halt benutzend, zu Boden gleiten. Beide stürzten sie. Die Speckseite entfiel der Frau, zwei, schon drei eilten hinzu, diesen leckeren Vogel zu fangen.

      Der Hof brauste und dröhnte von Gelächter.

      »Greif dir die Seite, faß zu, Wilhelm!« ermunterten die Leute. Aber den Spatz um der Taube willen verschmähend, lief der Alte zum Feimen.

      »Ich kann nicht mehr!« stöhnte prustend Bauer Tamm. »Lieber Mann (Hachhach!), schlagen Sie mir ein paarmal auf den Rücken! (Hachhach!) Aber kräftig!«

      Und hier stand nun auf einem Hof in Unsadel der stille Professor Kittguß, Ausleger und Deuter der Offenbarung Johannis, und schlug einem lachenden Bauern, der sich stets von neuem verschluckte, den Buckel.

      Dicht bei beiden hatte sich ein altes Weiblein hingehockt, in der Schürze fünf Würste und eine Speckseite. »Ich hab für mich genug. Ich dank auch schön, Tamm. Mit Geräuchertem hab ich für diesen Winter ausgesorgt. Huste nur tüchtig, Tamm. Wer lange hustet, lebt lange.« Und sie kicherte zufrieden.

      Der alte Kraxler hatte indessen schon zwei vergebliche Angriffe auf den Holzfeimen gemacht – halb oben, beinahe oben, war er wieder abgerutscht. Da half nichts, er mußte zurück und als Unterbau die Karre holen. Doch bei seiner Rückkehr bestürmten schon drei andere den hölzernen Schinkenberg. Einer, der es auch mit Klettern versuchte, konnte ihm kaum gefährlich werden; aber die beiden andern, ein altes Ehepaar wohl, das im Verein arbeitete, schienen dem Sieg nahe.

      »Mir bleibt nichts«, jammerte der Greis, aufgeregt die Karre erkletternd. »Mir geht alles schief! Immer ist mir alles schiefgegangen. Stets waren meine Birnen mulsch!«

      Vom alten Ehepaar hatte der Mann sich hingehuckt, die Frau aber war ihm auf die Schultern gestiegen. Von der anderen Seite angelte der Greis auf der Karre. Ach! der Vierzig-Pfund-Schinken war den alten Händen zu schwer, nur ins Rutschen brachten sie ihn, halten konnten sie ihn nicht. Wie eine Lawine rollte er, vom Staubschnee der mitgerissenen Holzscheiter gefolgt, den Feimen hinab, fegte den Kraxler mit schwerem Schlag zur Erde, rollte ein Stück auf den Hof …

      Und der Alte in der Hucke vergaß ganz sein Weib auf dem Buckel. Wie ein Hofhund auf allen vieren kroch er eilig dem Schinken nach. Die kleine Alte tat einen hellen Aufschrei und fiel. Doch ihr Mann hatte sich über den Schinken geworfen, er deckte ihn mit dem Leib gegen den wütenden Angriff des alten Wilhelm, der seine zweite Niederlage nicht ertragen wollte.

      »Komm, komm, Wilhelm!« mahnte die Bäurin Tamm. »Ich hab noch was für dich im Hinterhalt. Leer sollst du nicht ausgehen. Nein, nun mußt du dem Goldner seines lassen. Es muß ja Spaß bleiben, nicht?«

      »Welch fröhliches, welch gutes Dorf!« rief Professor Kittguß begeistert.

      »O Gott!« antwortete fast erschrocken Tamm. »So was sagen Sie man bloß nicht. Wenn ich nicht hier wäre –! Und ich bin auch bloß so, weil die andern gar nicht so sind.« Er sah, plötzlich ernst geworden, den Professor vorwurfsvoll an. »Nun, wenn Sie bleiben, werden Sie’s schon erleben. Sie sind doch zu Ferien hier? Jaha, wenn Sie noch nichts haben, ich vermiete auch Zimmer. – Halt!« rief er, sich umdrehend. »Jetzt stellt euch in eine Reihe, damit wir sehen, ob auch alles gefunden ist. Also auf nachher, Herre. Ich muß aufpassen, daß alles seinen Schick hat.«

      Er schritt die Reihe der Alten ab, lobend, tröstend, lachend, und Professor Kittguß sah ihm zu.

      Etwas berührte seine Hand. Er blickte hinunter auf ein kleines Mädchen mit langen, blonden Zöpfen. »Nun, mein Kind?« fragte er freundlich. »Was möchtest du wohl?«

      Die Kleine flüsterte hastig: »Beim Spritzenhaus müssen Sie rechts gehen. Es ist der letzte Hof mit den fünf Tannen davor. Sie dürfen nicht nach Rosemarie fragen. Sie dürfen sie gar nicht kennen.«

      Und sie lief fort.

      »Aber Kind –!« rief er ihr nach.

      Doch sie war schon untergetaucht in den Wirbel der andern. Wieder eine Botin – und welch eifrige!

      »Die Kinder scheinen alle von mir zu wissen. Und die Großen gar nichts«, dachte er verwundert. »Aber über all dem Scherz hier habe ich die Rosemarie doch fast vergessen.«

      Er sah sich um. Einige gingen schon. Das Lachen war vorbei, die frühe Oktoberdämmerung kam.

      »Jetzt habe ich keine Zeit mehr, mit dem Bauern zu sprechen«, entschied er und ging durch das Tor auf die Dorfstraße hinaus.

      Plötzlich war die Müdigkeit Herr über ihn geworden, mühsam ging er durch das rasch dunkler werdende Dorf. Oft wechselte er die Handtasche von der rechten in die linke Hand, sie war wie Blei. Die bevorstehende Aussprache mit der Rosemarie beschäftigte, die Ungewißheit, auf welch Kissen er diesen Abend sein Haupt legen würde, bedrückte ihn. Als Nachhall des ungewohnten Lachens auf dem Hof des Bauern Tamm war ihm ein unbestimmtes Gefühl grundloser Traurigkeit geblieben.

      Nach einer Weile kam er an einen dunklen, langgestreckten Schuppen. Hier verzweigte sich der Weg. Also war er beim Spritzenhaus und mußte nach rechts. Er ging, an sechs, acht kleinen Häusern vorbei, einen Weg, der, schmäler werdend, auf einen Hügel führte. Von der Höhe des Hügels sah er vor sich gegen den noch ein wenig hellen Himmel die Tannen und, lang hingestreckt, geduckt, lichtlos, das Haus.

      Eine Weile stand er, schweigend in Betrachtung versunken. So still war dies zur Ruhe gehende Land, mit See, Wald und Acker. Dann hörte er eine Kuh im Dorf brüllen, er


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