Die Prinzessin von Babylonien und andere Erzählungen. Selma LagerlöfЧитать онлайн книгу.
und spinnt, und der Bauer sitzt am Herd und wärmt sich. Und wie sie sehen, daß ein Fremdes zur Tür hereinkommt, so sagen sie auch: ›Grüß Gott‹.
Da hat die kleine Prinzessin eine schreckliche Freude gehabt, denn da in der Hütte haben sie akkurat so gesprochen, daß sie sie verstehen konnt'. Aber sie war sehr vorsichtig, sie hat ihnen nicht gleich alles erklären wollen.
›Wie heißt denn diese Hütte?‹ hat sie gefragt, um sie auf die Probe zu stellen.
›Die heißt Skrolycka,‹ haben sie gleich geantwortet, und da hat sie schon gemerkt, daß sie sie verstanden haben.
Und da war sie ganz wild vor lauter Freude, aber sie hat gemeint, es ist doch besser, wenn sie sie noch einmal auf die Probe stellt.
›Wie heißt denn die Sprache, die ihr hier im Haus sprecht?‹ hat sie gesagt.
›Das ist die värmländische Sprache,‹ haben die Leute in der Hütte gesagt.
Und da ist die kleine Prinzessin zu ihnen hingegangen und hat sie gebeten, daß sie bei ihnen bleiben darf, denn hier wär' der einzige Ort auf der Welt, wo sie verstehen konnten, was sie geredet hat.
Aber wie sie zum Feuer hingekommen ist, da haben die Leute ja gesehen, daß sie eine kleine Prinzessin von Babylonien ist. Und da haben sie ihr gesagt, daß sie fehlgegangen sein muß. Und sie haben ihr gesagt, es könnt' ihr unmöglich bei ihnen gefallen. Die värmländische Sprache, die wär' ja überall, in jedem Haus, in der ganzen Gegend hier herum bekannt, haben sie gesagt, sie könnt' überall hingehen, wo es ihr beliebt.
Aber die kleine Prinzessin, die hat auf diesem Ohr nicht gehört. ›Nein,‹ hat sie gesagt, ›ich merk' schon, daß ich recht gegangen bin. Und hier will ich bleiben. Denn hier hat man eine Freude und einen Nutzen von mir.‹«
Die kleine Klara Gulla war ganz still auf Jans Schoß gesessen und hatte gelauscht, und ihre Augen waren vor Staunen immer runder und runder geworden. Aber als jetzt Jan zu erzählen aufhörte, saß sie zuerst ganz stumm da, dann drehte und wendete sie das Köpfchen und guckte sich alles in der Stube an, so, als hätte sie es noch nie gesehen.
»Ja, jetzt kann's ja noch so bleiben, wie's ist, eine Zeitlang,« sagte sie endlich. »Aber bis ich einmal groß bin, dann geh' ich schon wieder dorthin zurück, wo ich her bin.«
Jan machte ein langes Gesicht. Und das Schlimmste war, daß Kattrinna jetzt wach war und den Schluß des Gesprächs gehört hatte.
»Ja, siehst du, das hast du davon, daß du dem Mädel immer einreden willst, daß sie gar so was Feines und Besonderes ist!« sagte sie.
Magister Frykstedt
Meine alte Tante Nanna Lagerlöf, die mit dem Propst in Karlskoga, Tullius Hammargren verheiratet war, war keine Bewundererin von Gösta Berling. »Das Leben war damals gar nicht so,« sagte sie zu mir, kurz nachdem das Buch erschienen war. »Weder Männer noch Frauen sind richtig gezeichnet.« Sie schien beinahe geneigt, zu glauben, daß das Buch Schmach über die alten Värmländer und ihr Land bringen würde.
Das war ein hartes Urteil, und ich muß gestehen, daß ich nicht erwartet hatte, es von dieser Seite zu hören. Die Propstin von Karlskoga war selbst eine begeisterte Erzählerin der alten Värmländer Historien, und ich weiß, daß nicht nur einige ihrer besten Mären, sondern vor allem viel von ihrer besonderen Anschauung der Menschen früherer Zeiten in meinem Buch wieder auflebte.
Da sie nichts Gutes über das Buch zu sagen hatte, vermied sie es zumeist darüber zu sprechen, wenn ich auf meinem gewöhnlichen Sommerbesuch im Pfarrhof weilte. Einmal kam es ihr jedoch in den Sinn zu fragen, wen ich mir als Vorbild für Gösta Berling gedacht hatte.
Ich antwortete ihr, mein Held sei ein Pfarrerssohn aus Sunne, von dem ich meinen Vater erzählen gehört. Der war so, daß Freude bei jedem Gastmahl herrschte, sowie er sich nur zeigte, und das allererbärmlichste Klavier klang stark und voll, sowie er nur die Tasten berührte.
Die alte Propstin wußte sofort, wen ich meinte.
»Ach so, Kalle Frykstedt,« sagte sie. »Ich habe mich eben gefragt, ob du nicht an ihn gedacht hast.«
Ich wagte nicht zu fragen, ob er recht geschildert war. Vielmehr bat ich meine Tante, mir zu sagen, ob sie in ihrer Jugend viel mit ihm zusammengewesen sei. Ihr Kindheitsheim in Marbacka lag ja nur eine Meile vom Pfarrhof Sunne entfernt, und meine Tante hatte dort viele große Gesellschaften mitgemacht.
Nein, in seinem Elternhause hatte sie ihn nicht gesehen. Er war ja um vieles älter gewesen als sie. Aber nach ihrer Verheiratung hatte sie ihn ein paarmal in Karlstad getroffen.
»Da war er vielleicht schon herabgekommen?« fiel ich ein.
»Kalle Frykstedt!« rief die Propstin mit scharfer Betonung. Und sie sah mich erstaunt an, als könnte sie gar nicht verstehen, was ich meinte.
Es verhielt sich mit meiner Tante so, daß sie mit einem eigenen Zauberkreis um sich durch die Welt gegangen war. Schön, gewinnend und reich begabt, wie sie es gewesen und noch immer war, hatten alle, die sie getroffen, sich ihr von der besten Seite zeigen wollen, und zum Dank dafür blieb sie ihnen treu und sah sie für allezeit edel, gut und geistvoll vor sich. Sie war durchaus kein unerfahrenes Kind, sie wußte, wie niedrig und töricht die Menschen sich gewöhnlich betragen, aber sie hielt diese Erkenntnis stolz von sich ab, und dasselbe verlangte sie von allen, die in ihre Nähe kamen.
Eine Weile saß sie stumm da, und das Strickzeug ruhte in ihrem Schoß. Aber bald sah sie mit einem feinen Lächeln auf. »Warte, jetzt sollst du hören, wie Kalle Frykstedt war,« sagte sie, und ich begriff, daß sie mir nun zeigen wollte, wie falsch ich meine Värmländer geschildert hatte.
»Es war zu der Zeit, als ich neuvermählt war,« begann sie, und nun wußte ich, daß ich etwas richtig Schönes zu hören bekommen würde. Meine Tante hatte keine reizenderen Geschichten als die, die in der Zeit spielten, wo ihr Mann als junger Magister in der Knabenschule in Åmål angestellt war und sie so verwunderlich wenig zum Leben hatten. Nie vergesse ich eine Geschichte von einer Packkiste, die ihr erstes Salonsofa wurde. Sie konnte so schön und drollig von dieser Packkiste erzählen, daß ich seither nie eine große Holzkiste sehen konnte, ohne daß mich Lachen und Weinen zugleich ankam.
Nun erzählte sie, wie ihr Mann, als sie ein Jahr verheiratet waren, den Entschluß faßte, das Pastorexamen abzulegen. Den Magistergrad hatte er schon in Upsala erworben, aber es war zu jener Zeit gebräuchlich, daß die Schullehrer auch Geistliche waren.
»Mußte er da wieder nach Upsala zurückfahren?« fragte ich.
»Nein, nur nach Karlstad,« erklärte meine Tante. »Man konnte das Pastorexamen vor dem Domkapitel in Karlstad ablegen.«
Tante Nanna und ihr Mann verließen also ihr kleines Heim in Åmål und zogen nach Karlstad, wo sie blieben, so lange die Studien für das Pastorexamen dauerten. Und die ganze Zeit über mußten sie von geborgtem Gelde leben. »Nein, daß ihr euch in ein solches Abenteuer gewagt habt!« sagte ich. – »Es mußte sein,« sagte meine Tante, und man hörte es ihr an der Stimme an, wie ängstlich sie gewesen war, als sie dieses kühne Unternehmen begonnen.
»Aber nun wollte ich ja nicht von uns sprechen,« fuhr sie fort, »sondern von Kalle Frykstedt. Er war auch unter denen, die das Pastorexamen machen sollten, und er wohnte auch in Karlstad und studierte da, so wie Hammargren. Die letzten Jahre war er als Hofmeister von einem Ort zum anderen herumgezogen, aber nun hatten ihn ein paar Freunde überredet, dieses Examen zu machen, damit er doch einmal einen anständigen Lebensunterhalt hatte.«
»Und als du ihn trafst, Tante, da warst du wohl ganz entzückt von ihm, wie alle anderen?« – »Anfangs hatte ich eigentlich eher Angst vor ihm, denn er war fast nie nüchtern.« – »Ah!« sagte ich und war ganz betroffen. »Aber ich glaubte doch...« – »Du fragtest, ob er herabgekommen war,« sagte meine Tante. »Aber er hatte so große Kenntnisse und so viel Geist, daß die Herren des Domkapitels förmlich Angst vor ihm hatten, als sie ihn prüfen sollten. Aber getrunken, das hat er ja. Hammargren und