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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von GoetheЧитать онлайн книгу.

Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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Sie mich nicht, schicken Sie mich in kein fremdes Land; denn die Neugierde wird rege werden. Man wird die Geschichte erzählen, man wird sie wiederholen. Man wird fragen: »Wie sieht das abenteuerliche Mädchen aus? Sie soll, sie muß der Prinzessin gleichen, sonst hätte die Fabel nicht können erfunden, nicht gespielt werden. Wo ist sie? Man muß sie sehen, man muß sie kennen.« O Ritter, wenn ich ein Geschöpf war, wie Sie dachten, so wäre der gegenwärtige Fall für mich erwünscht genug, und ich brauchte keine Ausstattung weiter, um in der Welt mein Glück zu machen.

      OBERST. Hiermit sei es genug! Begleitet jene drei an den Wagen; der Offizier, dem ihr sie übergebt, weiß schon das Weitere.

      MARQUIS leise zur Marquise. Es ist nur von Verbannung die Rede. Wir wollen demütig abziehn, um das Übel nicht ärger zu machen.

      MARQUISE. Wut und Verdruß kochen mir im Herzen; nur die Furcht vor einem größern. Übel hält mich ab, ihr Luft zu machen.

      OBERST. Nun fort!

      MARQUISE. Bedenken Sie, Herr Oberst, und lassen Sie den Fürsten bedenken, welches Blut in meinen Adern fließt, daß ich ihm verwandt bin und daß er seine eigne Ehre verletzt, wenn er mich erniedrigt!

      OBERST. Das hätten Sie bedenken sollen! – Gehen Sie! Schon hat man diese noch lange nicht erwiesene Verwandtschaft zu Ihrem Vorteil mit in Anschlag gebracht.

      GRAF. Mein Herr, Sie vermischen mit diesem Gesindel einen Mann, der gewohnt ist, überall ehrenvoll behandelt zu werden.

      OBERST. Gehorchen Sie!

      GRAF. Es ist mir unmöglich!

      OBERST. So wird man Sie's lehren.

      GRAF. Ein Reisender, der überall, wo er hinkommt, Wohltaten verbreitet.

      OBERST. Es wird sich zeigen.

      GRAF. Dem man wie einem Schutzgeist Tempel bauen sollte.

      OBERST. Es wird sich finden.

      GRAF. Der sich als Großkophta legitimiert hat.

      OBERST. Wodurch?

      GRAF. Durch Wunder.

      OBERST. Wiederholen Sie eins und das andre, rufen Sie Ihre Geister herbei, lassen Sie sich befreien!

      GRAF. Ich achte euch nicht genug, um meine Macht vor euch sehen zu lassen.

      OBERST. Groß gedacht! So unterwerfen Sie sich dem Befehl.

      GRAF. Ich tue es, meine Langmut zu zeigen; aber bald werde ich mich offenbaren. Ich werde Ihrem Fürsten solche Geheimnisse melden, daß er mich im Triumphe zurückholen soll, und Sie werden vor dem Wagen voranreiten, in dem der Großkophta verherrlicht zurückkehren wird.

      OBERST. Das wird sich alles finden; nur heute kann ich Sie unmöglich begleiten. Fort mit Ihnen!

      SCHWEIZER. Fort, sagt der Oberste, und wenn Ihr nicht geht, so werdet Ihr unsre Hellebarden fühlen.

      GRAF. Ihr Elenden, ihr werdet bald vor mir ins Gewehr treten.

      DIE SCHWEIZER schlagen auf ihn los. Will Er das letzte Wort haben?

      Die Schweizer mit den drei Personen ab.

      OBERST zur Nichte. Und Sie sollen noch heute nacht in das Frauenkloster, das keine Viertelstunde von hier liegt. Wenn es Ihr Ernst ist, sich von der Welt zu scheiden, so sollen Sie Gelegenheit finden.

      NICHTE. Es ist mein völliger Ernst. Ich habe keine Hoffnung mehr auf dieser Welt. Zum Ritter. Aber das muß ich Ihnen noch sagen, daß ich meine erste, lebhafte Neigung mit in die Einsamkeit nehme – die Neigung zu Ihnen.

      RITTER. Sagen Sie das nicht, strafen Sie mich nicht so hart. Jedes Ihrer Worte verwundet mich tief. Ihr Zustand ist gegen den meinigen zu beneiden. Sie können sagen: »Man hat mich unglücklich gemacht«; und welchen unerträglichen Schmerz muß ich empfinden, wenn ich mir sage: »Auch dich zählt sie unter die Menschen, die zu ihrem Verderben mitwirkten.« O vergeben Sie mir! vergeben Sie einer Leidenschaft, die, durch einen unglückseligen Zufall mit sich selbst uneins, das verletzte, was ihr noch vor wenig Augenblicken das Liebste, das Werteste auf der Welt war. Wir sollen uns trennen! Unaussprechlich ist die Qual, die ich in diesem Zustand empfinde. Erkennen Sie meine Liebe und bedauren Sie mich. O daß ich nicht meiner Empfindung folgte und nach der zufälligen Entdeckung gleich zum Domherrn eilte! Ich hätte mir einen Freund, eine Geliebte erworben, und ich hätte mein Glück mit Freuden genießen können. Es ist alles verloren.

      OBERST. Fassen Sie sich!

      NICHTE. Leben Sie wohl! Diese letzten tröstlichen Worte werden mir immer gegenwärtig bleiben. Zum Oberst. Ich sehe an Ihren Augen, daß ich scheiden soll. Möge Ihre Menschlichkeit belohnt werden!

      Sie geht mit der Wache ab.

      OBERST. Das arme Geschöpf dauert mich! Kommen Sie! Alles ist gut gegangen. Ihre Belohnung wird nicht ausbleiben.

      RITTER. Sie mag sein, welche sie will, so fürstlich, als ich sie erwarten darf; ich werde nichts genießen können, denn ich habe nicht recht gehandelt. Mir bleibt nur ein Wunsch und eine Hoffnung, das gute Mädchen aufzurichten und sie sich selbst und der Welt wiederzugeben.

      Der Triumph der Empfindsamkeit

      Personen.

      Andrason, ein humoristischer König

      Mandandane, seine Gemahlin

      Dieselbe noch einmal

      Feria, seine Schwester, eine junge Witwe

      Mana,

      Sora,

      Lato,

      Mela, Hoffräulein der Feria

      Oronaro, Prinz

      Merkulo, sein Kavalier

      Der Oberste seiner Leibwache

      Leibwache

      Mohren

      Bediente

      Askalaphus, Mandandanens Kammerdiener

      Erster Akt

      Saal, im guten Geschmacke dekoriert.

      Mana und Sora begegnen einander.

      MANA. Wo willst du hin, Sora?

      SORA. In den Garten, Mana.

      MANA. Hast du soviel Zeit? Wir erwarten den König jeden Augenblick; verliere dich nicht vom Schlosse.

      SORA. Ich kann es unmöglich aushalten; ich bin den ganzen Tag noch nicht an die freie Luft gekommen.

      MANA. Wo ist die Prinzessin?

      SORA. In ihrem Zimmer. Sie probiert mit der kleinen Mela einen Tanz und läuft jeden Augenblick ans Fenster, zu sehen, ob der Bruder kommt.

      MANA. Es ist eine rechte Not, seitdem die großen Herren auf das Inkognito gefallen sind. Man weiß gar nicht mehr, woran man ist. Sonst wurden sie monatelang voraus angekündigt, und wenn sie sich näherten, war alles in Bewegung; Kuriere sprengten herbei, man konnte sich schicken und richten. Jetzo, eh man sich's versieht, sind sie einem auf dem Nacken. Wahrhaftig, das letztemal hat er mich in der Nachtmütze überrascht.

      SORA. Darum warst du heut so frühe fertig?

      MANA. Ich finde keine Lust daran. – Wenn mir ein Fremder auf der Treppe begegnet, wird mir's immer bang; ich denke gleich, es ist wieder einmal ein König oder ein Kaiser, der seinen gnädigen Spaß mit uns zu treiben kommt.

      SORA. Diesmal ist er nun gar zu Fuße. Andre lassen sich doch ins Gebirge zum Orakel in Sänften tragen, er nicht so; allein, mit einem tüchtigen Stabe in der Hand, trat er seine Reise an.

      MANA. Schade, daß er nicht zu Theseus' Zeiten gelebt hat!

      Feria tritt auf, mit ihr Mela.

      FERIA.


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