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Von Zwanzig bis Dreißig. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Von Zwanzig bis Dreißig - Theodor Fontane


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schon im Geblüt. Was ich geschrieben, schickte ich an ein zu jener Zeit vielgelesenes Blatt, das, glaub' ich, der »Volksfreund« hieß, erhielt es aber mit dem Bemerken zurück, »es ginge nicht; es sei zu anzüglich.« Ich beruhigte mich dabei und deponierte das Manuskript, weil ich bald danach Berlin verließ, in die Hände eines Bekannten von mir. Wie mir berichtet worden, ist dann alles viele Jahre später, während ich im Auslande war, irgendwo gedruckt worden, eine Sache, die mir mit einem andern Romane noch ein zweites Mal passiert ist. Es war diese zweite Arbeit die Übersetzung einer sehr guten Erzählung der Mrs. Gore. Titel: »The money-lender«. Ein armer Anfänger kann seine Sachen, sie seien gut oder schlecht, nie recht anbringen, weil er nicht Bescheid weiß; hat dann aber ein Geschäftskundiger, der mitunter in ziemlich sonderbarer Weise zu solchem Manuskripte gekommen ist, die Sache in Händen, so ist es für den wie bar Geld; kriegt er nicht viel, so kriegt er wenig.

      »Du hast recht getan« hatte für mich noch ein Nachspiel oder dergleichen, um dessentwillen ich überhaupt in solcher Ausführlichkeit bei der Geschichte verweilt habe.

      Sommer zweiundneunzig, also zweiundfünfzig Jahre nach Niederschreibung jener Jugendarbeit, saß ich in einer Sommerwohnung in Schlesien, den schönen Zug des Riesengebirges als Panorama vor mir. Eines Morgens traf »eingeschrieben« ein ziemlich umfangreiches Briefpaket ein, augenscheinlich ein Manuskript. Absender war ein alter Herr, der, zur Zeit als Pensionär in Görlitz lebend, in seinen besten Mannesjahren Bürgermeister in jener Stadt gewesen war, in deren Nähe die vorerzählte Tragödie gespielt und in deren Mauern die Prozeßverhandlung stattgefunden hatte. Während seiner Amtsführung war ihm die Lust gekommen, sich eingehender mit jener Cause célèbre zu beschäftigen, und was er mir da schickte, war das den Akten entnommene Material zu einem, wie er mit Recht meinte, »märkischen Roman«. In den Begleitzeilen hieß es: »Ich schicke Ihnen das alles; denn Sie sind der Mann dafür, und ich würde mich freun, den Stoff, der mir ein sehr guter zu sein scheint, durch Sie behandelt zu sehn.«

      Man stelle sich vor, wie das auf mich wirkte. Die Beantwortung des Briefes war nicht leicht, und ich schrieb ihm ausweichend, »ich sei zu alt dafür.« Wenn aber dem liebenswürdigen Herrn diese »Mitteilungen aus meinem Leben« in Blatt oder Buch zu Gesicht kommen sollten, so wird er aus ihnen den eigentlichen Grund meiner Ablehnung ersehn. Ihm diesen eigentlichsten Grund zu schreiben, war damals unmöglich; es hätte auf ihn wirken müssen, wie wenn man einen freundlichen Anekdotenerzähler undankbar mit dem Zurufe: »Kenn' ich schon« unterbricht.

      Zweites Kapitel

      Literarische Vereine. Der Lenau-Verein: Fritz Esselbach, Hermann Maron, Julius Faucher

      Am Schluß des vorigen Kapitels sprach ich von ein paar Arbeiten, einem kleinen Epos und einem längeren Roman, an denen ich während des Sommers 1840 arbeitete. Das leitet mich zu dem literarischen Verkehr hinüber, den ich damals hatte. Dieser war, auf meine bescheidenen Lebensverhältnisse hin angesehn, ein sehr guter zu nennen und machte mich ziemlich gleichzeitig zum Mitgliede zweier Dichtergesellschaften, deren eine sich nach Lenau, die andere nach Platen benannte. Den beiden Dichtern, die die Paten und Namensgeber dieser Vereine waren, bin ich bis diesen Tag treu geblieben.

      Ich beginne mit dem Lenau-Verein, in den ich mich durch meinen Freund Fritz Esselbach eingeführt sah. Zunächst ein Wort über diesen meinen Freund.

      Meine Bekanntschaft mit ihm – Fritz Esselbach – datierte schon von der Schule her und hatte sich so plötzlich und beinah so leidenschaftlich eingeleitet, wie sonst nur eine Liebe, nicht aber eine Freundschaft zu beginnen pflegt. Ich war auf einem märkischen Gut zu Besuch gewesen und machte von dorther die Rückreise nach Berlin mit einer jener immer nach Juchtenleder riechenden alten Fahrposten. Gleich nach Mitternacht kamen wir in Oranienburg an, in dessen Passagierstube mir ein schlank aufgeschossener junger Mann von etwa fünfzehn Jahren auffiel, der für nichts andres Augen zu haben schien als für seine drei jüngeren Geschwister. Ich wurde sofort von einem Gefühl stärkster Zuneigung erfaßt und sagte mir: »Ja, so möchtest du sein! Ja, wenn du solchen Freund je haben könntest!« Aber wer beschreibt mein Staunen und Entzücken, als ich denselben jungen Menschen am andern Morgen in meiner Schulklasse vorfand. Er hatte bis dahin dem »Joachimsthal« angehört und sich erst ganz vor kurzem entschlossen, das Gymnasium mit der Gewerbeschule zu vertauschen, weil ihm alte Sprachen zu schwer wurden. Er war überhaupt von sehr mäßigen Anlagen, aber von einem ganz ausgezeichneten Charakter, fein, vornehm, treu, gütig. Leider auch ein wenig sentimental und dabei ganz Idealist, was verhängnisvoll für ihn wurde. Ziemlich spät, als er schon Mitte der Zwanzig sein mochte, begann er, sich der Landwirtschaft zu widmen, und ging zu diesem Behufe nach Schlesien, allwo er denn auch, nachdem er sich in höherem Mannesalter glücklich verheiratet hatte, gestorben ist. In den Jahren aber, die seiner Verheiratung weit vorausgingen, ging er durch schwere Prüfungen. Er hatte sich auf dem Gut, auf dem er die Landwirtschaft zu lernen begann, in ein Hofemädchen verliebt, so leidenschaftlich, so bis zum Sterben, daß er sie zu heiraten beschloß. Ihr ganz ungewöhnlicher Liebreiz, mit natürlicher Klugheit gepaart, ließ diesen Entschluß auch als verständig erscheinen. Er gab sie, nach Breslau hin, in Pension, um sie hier heranbilden zu lassen, und ersehnte den Tag ihrer Vereinigung. In den Sternen aber war es anders beschlossen; seine halb väterliche pädagogische Fürsorge, die es mit Bildung und Erziehung ganz ernst nahm, erschien dem reizenden Geschöpf alsbald nur langweilig und komisch, und so wandte sie sich andern Göttern zu. Das Verlöbnis mußte wieder gelöst werden, nachdem es ihm ein Stück seines besten Herzens gekostet hatte.

      Sommer 1840 aber, um die Zeit, von der ich hier erzähle, standen diese schmerzlichen Ereignisse noch weit aus, und Fritz Esselbach erfreute sich froher, glücklicher Tage, die die natürliche Folge seiner großen Beliebtheit waren. Er war in mehr als einem Kreise heimisch und bewegte sich innerhalb der Finanz- und Beamtenwelt mit derselben Leichtigkeit wie innerhalb der Bourgeoisie. Gelegentlich nahm er mich in diese Kreise mit, und so kam es meinerseits zu Gastrollen.

      Von einer dieser Gastrollen, und zwar einer innerhalb der Bourgeoisie gegebenen, spreche ich hier zuerst.

      »Weißt du«, so hieß es eines Tages seinerseits, »du könntest mir eigentlich eine Polterabendrolle schreiben, und wenn du's noch besser mit mir vorhast, so schreibst du dir selber auch eine und begleitest mich.«

      »Wo ist es denn?«

      »Es ist bei einem Hofschlächtermeister in der Klosterstraße. Dicht neben dem ›Grünen Baum‹.«

      »O, das ist ja meine Gegend. Von da fahren ja immer unsre Ruppiner Hauderer ab. Ich bin nämlich mit Permission ein Ruppiner.«

      »Nun gut; nimm das als einen Fingerzeig.«

      Und wirklich, ich schrieb nicht bloß ihm, sondern auch mir eine Polterabendrolle. Von der seinigen weiß ich nichts mehr, die meinige aber war die eines ruppigen, den linken Fuß etwas nachziehenden und als Hochzeitsgeschenk eine Amor- und Psyche-Gruppe bringenden Gipsfigurenhändlers. Der Triumph war vollständig und größer, als ich ihn je wieder in meinem Leben erlebt habe. Daran denkt man gern zurück. Aber auch sonst noch war der Abend von großem Interesse für mich, denn ich habe mich damals zum ersten und zum letzten Male in einem wirklich reichen Alt-Berliner Bürgerhause bewegt. Ich empfing davon in jedem Anbetracht den allergünstigsten Eindruck. Daß es hoch herging, daß die Festräume von Lichtern und Gold und Silber glänzten, versteht sich von selbst, aber es ging zugleich auch ein völlig aristokratischer Zug durch das Ganze, der sich neben anderm ganz besonders darin aussprach, daß, bei freundlichstem Entgegenkommen, alles von einer gewissen Reserviertheit begleitet war. Wie's innerhalb derselben Sphäre heutzutage steht, kann ich mit Sicherheit nicht angeben, aber ich möchte, nach Beobachtungen auf einigermaßen angrenzendem Gebiet, beinah glauben, daß wir seitdem keine sonderlichen Fortschritte gemacht haben. Vielleicht war es auch ein ganz besonders gutes Haus.

      Das zweitemal, wo sich Fritz Esselbach, und zwar unter Assistenz einer ringellöckigen Dame, meiner bemächtigte, stand wieder ein Polterabend in Sicht, aber diesmal in einem ganz andern Kreise. Der bis vor kurzem noch unter uns lebende, längst zu einer Zelebrität gewordene Professor Kummer verheiratete sich mit einer Mendelssohnschen Tochter,


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