Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
Spaß und lohne es nicht sich darum zu bücken; er
ging derweil spazieren und als die Alte wiederkam,
war das Fäßchen so leer wie vorher. »Das ist nicht
gut«, sagte sie. Darauf nahm sie zwölf goldene
Schlüsselchen aus der Tasche und warf sie einzeln in
den tiefen dunklen Schloßteich. »Hole die Schlüssel
herauf«, sprach sie, »in einer Stunde komme ich wieder,
da muß die Arbeit getan sein.« Helmerich lachte
und tat wie vorher. – Als die Alte wiederkam und
auch diese Aufgabe nicht gelöst war, da rief sie zweimal:
»Nicht gut! nicht gut!« Doch nahm sie ihn bei
der Hand und führte ihn die Treppe hinauf in den großen
Saal des Schlosses; da saßen drei Frauenbilder,
alle drei in dichte Schleier verhüllt. »Wähle, mein
Sohn«, sprach die Alte, »aber sieh dich vor, daß du
recht wählst. In einer Stunde komme ich wieder.«
Helmerich war nicht klüger, da sie wiederkam als da
sie wegging; übermütig aber rief er aufs Geratewohle:
»Die zur Rechten wähl ich.« – Da warfen alle drei die
Schleier zurück; in der Mitte saß die holdselige Prinzeß,
rechts und links zwei scheußliche Drachen, und
der zur Rechten packte den Helmerich in seine Kral-
len und warf ihn durch das Fenster in den tiefen Abgrund.
Ein Jahr war verflossen seit Helmerich ausgezogen
die Prinzeß zu erlösen und noch immer war bei den
Eltern kein sechsspänniger Wagen angelangt. »Ach!«
sprach der Vater, »wäre nur der ungeschickte Hans
ausgezogen statt unsres besten Buben, da wäre das
Unglück doch geringer.« – »Vater«, sagte Hans, »laß
mich hinziehn, ich will's auch probieren.« Aber der
Vater wollte nicht, denn was dem Klugen mißlingt,
wie führte das der Ungeschickte zu Ende? Da der
Vater ihm Roß und Wehr versagte, machte Hans sich
heimlich auf und wanderte wohl drei Tage denselben
Weg zu Fuß, den der Bruder an einem geritten war.
Aber er fürchtete sich nicht, und schlief des Nachts
auf dem weichen Moos unter den grünen Zweigen so
sanft wie unter dem Dach seiner Eltern; die Vögel des
Waldes scheuten sich nicht vor ihm, sondern sangen
ihn in Schlaf mit ihren besten Weisen. Als er nun an
die Ameisen kam, die beschäftigt waren ihren neuen
Bau zu vollenden, störte er sie nicht, sondern wollte
ihnen helfen, und die Tierchen, die an ihm hinaufkrochen,
las er ab ohne sie zu töten, wenn sie ihn auch
bissen. Die Enten lockte er auch ans Ufer, aber um sie
mit Brosamen zu füttern; den Bienen warf er die frischen
Blumen hin, die er am Wege gepflückt hatte.
So kam er fröhlich an das Königsschloß und pochte
bescheiden am Schalter. Gleich tat die Türe sich auf
und die Alte fragte nach seinem Begehr. »Wenn ich
nicht zu gering bin, möchte ich es auch versuchen die
schöne Prinzeß zu erlösen«, sagte er. »Versuche es,
mein. Sohn«, sagte die Alte, »aber wenn du die drei
Proben nicht bestehst, kostet es dein Leben.« »Wohlan,
Mütterlein«, sprach Hans, »sage, was ich tun
soll.« Jetzt gab die Alte ihm die Probe mit dem Leinsamen.
Hans war nicht faul sich zu bücken, doch
schon schlug es drei Viertel und das Fäßchen war
noch nicht halb voll. Da wollte er schier verzagen;
aber auf einmal kamen schwarze Ameisen mehr als
genug und in wenigen Minuten lag kein Körnlein
mehr auf der Wiese. Als die Alte kam, sagte sie: »Das
ist gut!« und warf die zwölf Schlüssel in den Teich,
die sollte er in einer Stunde herausholen. Aber Hans
brachte keinen Schlüssel aus der Tiefe; so tief er auch
tauchte, er kam nicht an den Grund. Verzweifelnd
setzte er sich ans Ufer; da kamen die zwölf Entchen
herangeschwommen, jede mit einem goldenen Schlüsselchen
im Schnabel, die warfen sie ins feuchte Gras.
So war auch diese Probe gelöst, als die Alte wiederkam,
um ihn nun in den Saal zu führen, wo die dritte
und schwerste Probe seiner harrte. Verzagend sah
Hans auf die drei gleichen Schleiergestalten; wer sollte
ihm hier helfen? Da kam ein Bienenschwarm
durchs offene Fenster geflogen, die kreisten durch den
Saal und summten um den Mund der drei Verhüllten.
Aber von rechts und links flogen sie schnell wieder
zurück, denn die Drachen rochen nach Pech und
Schwefel, wovon sie leben; die Gestalt in der Mitte
umkreisten sie alle und surrten und schwirrten leise:
»Die Mittle, die Mittle.« Denn da duftete ihnen der
Geruch ihres eigenen Honigs entgegen, den die Königstochter
so gern aß. Also, da die Alte wiederkam
nach einer Stunde, sprach Hans ganz getrost: »Ich
wähle die Mittle.« Und da fuhren die bösen Drachen
zum Fenster hinaus, die schöne Königstochter aber
warf ihren Schleier ab und freute sich der Erlösung
und ihres schönen Bräutigams. Und Hans sandte dem
Vater der Prinzeß den schnellsten Boten und zu seinen
Eltern einen goldenen Wagen mit sechs Pferden
bespannt und sie alle lebten herrlich und in Freuden,
und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute
noch.
Der Teufel ist los oder das Märlein, wie der
Teufel den Branntwein erfand
Es hatten einmal zwei Landesherren einen Grenzstreit;
da waren auf jeder Seite Zeugen, die das Recht
behaupteten, und darunter waren zwei, die hatten vom
Teufel die Schwarzkunst erlernt und ihm dafür ihre
Seelen verschrieben.
Diese beiden haben einmal ein jeder in der Nacht
wollen falsche Grenzsteine setzen, so, wie jeder von
ihnen die Grenze behauptete, und haben die Steine
mit schwarzer Kunst wollen machen, daß sie aussähen,
als ob sie schon viele,