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Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch - Ludwig Bechstein


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sann der Doktor auf eine List. Er ließ von raschen

       Dienern das Bette des Königs schnell umdrehen, und

       gab ihm geschwind einen Tropfen vom Heilkraut,

       also daß der Tod betrogen war, und der König gerettet.

       Der Tod wich erzürnt von hinnen, erhob aber drohend

       den langen knöchernen Zeigefinger gegen seinen

       Paten.

       Dieser war in Liebe entbrannt gegen die reizende

       Königstochter, und sie schenkte ihm ihr Herz aus inniger

       Dankbarkeit. Aber bald darauf erkrankte sie

       schwer und heftig, und der König, der sie über alles

       liebte, ließ bekannt machen, welcher Arzt sie gesund

       mache, der solle ihr Gemahl und hernach König werden.

       Da flammte eine hohe Hoffnung durch des Jünglings

       Herz, und er eilte zu der Kranken – aber zu

       ihren Füßen stand der Tod. Vergebens warf der Arzt

       seinem Paten flehende Blicke zu, daß er seine Stelle

       verändern und ein wenig weiter hinauf, wo möglich

       bis zu Häupten der Kranken treten möge. Der Tod

       wich nicht von der Stelle, und die Kranke schien im

       Verscheiden, doch sah sie den Jüngling um ihr Leben

       flehend an. Da übte des Todes Pate noch einmal seine

       List, ließ das Lager der Königstochter schnell umdrehen,

       und gab ihr geschwind einige Tropfen vom Heil-

       kraut, so daß sie wieder auflebte, und den Geliebten

       dankbar anlächelte. Aber der Tod warf seinen tödlichen

       Haß auf den Jüngling, faßte ihn an mit eiserner

       eiskalter Hand und führte ihn von dannen, in eine

       weite unterirdische Höhle. In der Höhle da brannten

       viele tausend Kerzen, große und halbgroße und kleine

       und ganz kleine; viele verloschen und andere entzündeten

       sich, und der Tod sprach zu seinem Paten:

       »Siehe, hier brennt eines jeden Menschen Lebenslicht;

       die großen sind den Kindern, die halbgroßen

       sind den Leuten, die in den besten Jahren stehen, die

       kleinen den Alten und Greisen, aber auch Kinder und

       Junge haben oft nur ein kleines bald verlöschendes

       Lebenslicht.«

       »Zeige mir doch das meine!« bat der Arzt den Tod,

       da zeigte dieser auf ein ganz kleines Stümpchen, das

       bald zu erlöschen drohte. »Ach liebster Pate!« bat der

       Jüngling: »wolle mir es doch erneuen, damit ich

       meine schöne Braut, die Königstochter, freien, ihr Gemahl

       und König werden kann!« – »Das geht nicht« –

       versetzte kalt der Tod. »Erst muß eins ganz ausbrennen,

       ehe ein neues auf- und angesteckt wird.« –

       »So setze doch gleich das alte auf ein neues!«

       sprach der Arzt – und der Tod sprach: »Ich will so

       tun!« Nahm ein langes Licht, tat als wollte er es aufstecken,

       versah es aber absichtlich und stieß das kleine

       um, daß es erlosch. In demselben Augenblick sank

       der Arzt um und war tot.

       Wider den Tod kein Kraut gewachsen ist.

       Hirsedieb

       In einer Stadt wohnte ein sehr reicher Kaufmann, der

       hatte am Haus einen großen und prächtigen Garten, in

       dem auch ein Stück Land mit Hirse besäet war. Da

       nun dieser Kaufmann einmal in seinem Garten herumspazierte

       – es war zur Frühjahrszeit, und der Same

       stand frisch und kräftig – so sah er zu seinem größten

       Ärger und Verdruß, daß verwichene Nacht von frecher

       Diebeshand ein Teil von seinem Hirsesamen abgegrast

       worden war, und gerade dieses Gartenäckerlein,

       darauf er alle Jahre Hirse hinsäete, war ihm ganz

       besonders lieb, wie manchmal die Menschen eine ausschließliche

       Vorliebe für eine Sache haben. Er beschloß,

       den Dieb zu fangen und dann nachdrücklich

       zu strafen, oder dem Gericht zu übergeben. Daher er

       seine drei Söhne, Michel, Georg und Johannes zu sich

       rief, und sprach: »Heute Nacht war ein Dieb in unserm

       Garten und hat mir einen Teil Hirsesamen abgegrast,

       was mich höchlich ärgert. Dieser Frevler muß

       gefangen werden, und soll mir büßen! Ihr, meine

       Söhne, mögt nun wachen die Nächte hindurch, einer

       um den andern, und welcher den Dieb fängt, soll von

       mir eine stattliche Belohnung bekommen.« Der Älteste,

       Michel, wachte die erste Nacht; er nahm sich etliche

       geladene Pistolen und einen scharfen Säbel, auch

       zu essen und zu trinken mit, hüllte sich in einen warmen

       Mantel und setzte sich hinter einen blühenden

       Holunderbusch, hinter dem er bald hart und fest einschlief.

       Wie er am hellen Morgen erwachte, war ein

       noch größeres Stück Hirsesamen abgegrast, als in voriger

       Nacht. Und wie nun der Kaufmann in den Garten

       kam, und das sahe und merkte, daß sein Sohn, anstatt

       zu wachen und den Dieb zu fangen, geschlafen

       hatte, ward er noch ärgerlicher, und schalt und höhnte

       ihn als einen braven Wächter, der ihm samt seinen Pistolen

       und Säbel selbst gestohlen werden könne!

       Die andre Nacht wachte Georg; dieser nahm sich

       nebst den Waffen, die sein Bruder vorige Nacht bei

       sich geführt, auch noch einen Knittel und starke Strikke

       mit. Aber der gute Wächter Georg schlief ebenfalls

       ein, und fand am Morgen, daß der Hirsedieb wieder

       tüchtig gegraset hatte. Der Vater ward ganz wild, und

       sagte: »Wenn der dritte Wächter ausgeschlafen hat,

       wird die Hirsesaat vollends zum Kuckuck sein, und es

       wird dann keines Wächters mehr bedürfen!«

       Die dritte Nacht kam nun an Johannes die Reihe.

       Dieser nahm trotz allem Zureden keine Waffen mit;

       doch hatte er sich im geheimen mit recht probaten

       Waffen gegen den Schlaf versehen; er hatte sich Disteln

       und Dornen gesucht, und diese, als er sich

       abends in den Garten an seinen Wächterplatz verfügt,

       vor sich aufgebaut. Wenn er nun einnicken wollte,

       stieß er allemal mit


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